Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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es mir nicht möglich, eine genaue ärztliche Unter- 
scheidungsdiagnose dieser beiden Lepraarten nach 
ihren äußeren Symptomen zu erhalten. Man 
hat diese Unterscheidung natürlich aus rein prak— 
tischen Gründen aufgestellt und will damit die 
Bazillenträger unter den Leprösen von den zeit— 
weise bazillenfreien, in letzter Linie also wohl die 
vorgeschrittenen von den Anfangsstadien trennen. 
Die nicht ansteckenden Aussätzigen haben sich 
monatlich dem Arzte des Munizipaldienstes oder 
dem Arzte des Bezirkes bei dessen monatlichem 
Besuche vorzustellen. Alle Arzte, Lazarettgehilfen 
und Häuptlinge haben sofort Anzeige zu erstatten, 
sobald sich Anzeichen der Kontagiosität bei einem 
der ihrer Uberwachung anvertrauten Leprösen 
einstellen. 
Die ansteckenden Fälle — diese schwerwiegende 
Diagnose muß von einem Arzte gestellt oder 
bestätigt sein — werden während der Periode 
ihrer Kontagiosität isoliert bzw. interniert. Die 
Absonderung kann im eigenen Heimatdorfe des 
Kranken vorgenommen werden, falls die Familie 
sich dazu verpflichtet, die Isolierung selbst wirk- 
sam durchzuführen. Alle Kranken, bei denen 
keine genügende Isolierung auf diesem Wege 
möglich ist, serner alle hinfälligen und in weit 
fortgeschrittenem Stadium befindlichen Leprösen 
sollen in einem Asyle untergebracht werden. Die 
Häuptlinge und Familienältesten sind für die 
Durchführung der heimatlichen JIsolierung mit 
verantwortlich. Entweicht ein Kronker, so werden 
sie mit einer Geldstrafe von 100 bis 500 Fr. 
belegt. Die eigenmächtige Unterbrechung der 
Internierung wird an dem Kranken selbst mit 
1 bis 15 Fr., im Wiederholungsfalle mit Ge- 
fängnis bestraft. Stand der Lepröse im Genusse 
der Isolierung innerhalb seines Wohnortes, so 
hat der erste Rückfall ihrer Durchbrechung seine 
zwangsweise Unterbringung in einem Asyle zur 
Folge. 
Die praktische Durchführung dieser Bestim- 
mungen ist noch in den Anfängen begriffen. Man 
sieht, wie die französische Regierung bei Lösung 
der Riesenaufgabe der Leprabekämpfung die Ein- 
geborenen selbst in weitgehendem Maße heranzu- 
ziehen sucht, was schon mit Rücksicht auf die 
Kostenfrage sehr erwünscht sein muß und, wie 
man offenbar hofft, auch mit wenig rigorosen 
Mitteln Erfolge zu erzielen. 
Was nun die eigentlichen Lepraasyle anbetriftt, 
so ist das damit erstrebte Endziel, daß jeder Be- 
zirk der Kolonie sein eigenes Lepradorf, seine 
„Village de ségregation erhalten soll. In der 
Cote de Guinée bestehen bisher aber erst drei 
solcher Dörfer (in Boké, Labé und Kankan). Diese 
Villages de ségrégation sind also lediglich zur 
Aufnahme der wenigen kontagiösen Aussätzigen 
  
bestimmt, deren Isolierung im eigenen Wohnorte 
nicht gewährleistet ist, oder die sich in vorge- 
schrittenem Stadium befinden. Das Gelände in 
der nächsten Nachbarschaft des Asyls wird den 
Insassen zum Ackerbau zur Verfügung gestellt. 
Die Lage wird so gewählt, daß jede andere An- 
siedlung noch mindestens 100 m von den Farmen 
der Asylisten abseits liegt; anderseits sollen fie 
nicht weiter als 4 km vom Wohnsitz des über- 
wachenden Arztes entfernt sein. Letzterer hat sie 
wöchentlich mindestens einmal zu besuchen. Ein 
farbiger Lazarettgehilfe, der in oder dicht bei 
dem Lepradorfe stationiert ist, hat dessen Be- 
wohner zu kontrollieren und auf die Ausführung 
der vom Arzt gegebenen Anordnungen zu achten. 
So weit als möglich werden den Leprösen von 
der Verwaltung Lebensmittel geliefert, die sie sich 
aber selbst zuzubereiten haben. Für Durchführung 
der Internierung und den Lebensunterhalt eines 
Leprösen steht dem Bezirksleiter die Summe von 
200 Fr. jährlich zur Verfügung. 
Abgesehen von den eben skizzierten Anfängen 
in der Leprabekämpfung und den früher schon 
geschilderten Maßnahmen gegen die Pocken hat 
man noch nicht viel zur Eindämmung oder Ver- 
hütung anderer Volkskrankheiten tun können. Der 
Grund liegt, wie in unseren Besitzungen auch, in 
den beschränkten Mitteln. 
Gar nichts hat bisher in der Cöte de Guinee 
zur genaueren Erforschung oder Bekämpfung der 
Schlafkrankheit geschehen können, obwohl sie 
über das ganze Land verbreitet ist, glücklicher- 
weise in nicht gerade hohem Maße. Wahrschein- 
lich ist sie hier aber schon seit längerer Zeit 
endemisch. Eine eigenartige Behandlungsweise hat 
sich in einzelnen Teilen des Hinterlandes heraus- 
gebildet, wo die mohammedanischen Marabuts die 
geschwollenen Lyomphdrüsen des Halses exstirpieren. 
Einen Erfolg haben indessen die französischen 
Arzte von dieser Therapie bisher nicht gesehen. 
Im Gegensatz zu unseren Kolonien soll Tuber- 
kulose hier nicht selten sein. Sehr stark ist das 
Land mit Syphilis durchseucht, ohne das wirk- 
same Maßnahmen gegen ihre Meiterverbreitung 
hätten ergriffen werden können. 
Sehr günstig ist die Kolonie in der Alkohol- 
frage für die Eingeborenen gestellt, da es ge- 
lungen ist, den Schnapsimport in sehr engen 
Grenzen zu halten. Er beträgt jährlich nicht 
mehr als für rund 300 000 Fr. Zu verdanken 
ist dieses Resultat einem doppelten Grunde; erstens 
einem sehr hohen Einfuhrzoll auf Alkohol (2 Fr. 
pro Liter) und zweitens dem in der Guinee 
francaise weitreichenden Einfluß des Mohamme- 
danismus. 
Erwähnt sei schließlich noch, daß man im 
vorigen Jahre, als die Möglichkeit einer Pestein-
	        
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