Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

M 274 20 
das sind rund 8⅛ Wagenladungen im täglichen 
Durchschnitt, allenfalls befördert werden, wenn 
die Bahn nicht allzu ungünstige Linienverhältnisse 
aufweist. Die kilometrische Verkehrseinnahme 
würde demnach betragen 1100 + 5500 = 6600— 
und somit die Betriebskosten decken, das Anlage- 
kapital mit 4 v. H. verzinsen, mit 0,6 v. H. tilgen 
und noch eine angemessene jährliche Speisung des 
Erneuerungsfonds gestatten. 
Einen kilometrischen Personenverkehr von jähr- 
lich 50 000 Reisenden haben die Usambarabahn 
und die Togo-Küstenbahn bereits jetzt aufzuweisen. 
Ein kilometrischer Güterverkehr von 25 000 t im 
Jahr ist indes bisher nur bei der Otavibahn 
erreicht, dort sogar überschritten worden. Die 
übrigen deutschen Kolonialbahnen bleiben aber 
zur Zeit noch erheblich hinter einem solchen Güter- 
verkehr zurück. Hierbei ist indes zu beachten, 
daß eine Roheinnahme von 6600 . und eine 
Betriebsausgabe von nur 2500 .7“ für das Kilo- 
meter den ungewöhnlich niedrigen Betriebs- 
koeffizienten von 25: 66 = rund 38 v. H. voraus- 
setzt. Auf einen so niedrigen Betriebskoeffizienten 
ist aber bei unseren Kolonialbahnen nur unter 
besonders günstigen Verhältnissen zu rechnen, 
selbst die billig gebaute schmalspurige Otavibahn 
hat ihn in ähnlicher Höhe (40 v. H.) nur ver- 
möge ihrer ungewöhnlich hohen Tarife halten 
können. Es ist daher offenbar, daß die Betriebs- 
kosten bei den in Frage stehenden Betriebsleistungen 
sich mit 2500 für das Kilometer im allge- 
meinen kaum werden bewältigen lassen. Eine 
starke Steigerung der Betriebsleistungen würde 
selbstverständlich zu einer Ermäßigung der Ein- 
heitskosten für das Zugkilometer führen, da bei 
einer Zunahme des Betriebes bekanntlich nur ein 
Teil der Betriebsausgaben eine Steigerung erfährt. 
Eine vollauf befriedigende unmittelbare Renta- 
bilität, die eine Verzinsung des Anlagekapitals mit 
4 v. H. ermöglicht, wird sich daher für die Kolonial- 
bahnen erst erreichen lassen, wenn den gesteigerten 
Betriebsaufwendungen regelmäßige Massenfrachten 
in geschlossenen Zügen auf lange Strecken durch- 
laufend gegenüberstehen, die einen Tarifssatz von 
durchschnittlich 20 bis 25 Pf. für das Tonnen- 
kilometer tragen können. Anderseits ist aber 
hieraus zu erkennen, daß auch der Tarifsatz für 
den Personenverkehr nicht zu weit herabgedrückt 
werden darf, wenn nicht die Rente der Bahn 
leiden soll. Werden mehr Züge gefahren, um 
gesteigerten Frachtansprüchen gerecht zu werden, 
so entsteht damit sofort die Gefahr einer wesent- 
lichen Steigerung der Betriebsausgaben. Es 
kommt daher vorerst alles darauf an, die Züge 
bis zur vollen Zugbelastung auszunutzen, keinen 
Zug zu fahren, der nicht seine volle Last an 
Personen und Gütern enthält, und Leerläufe 
  
möglichst zu vermeiden. Es steht auch nichts im 
Wege, die Rentabilität der Bahn bei höher ent- 
wickeltem Personenverkehr, solange der Güter- 
verkehr noch schwach ist, dadurch zu steigern, daß 
man den Personentarif etwas höher anspannt, 
selbstverständlich nur so weit, daß die Mehr- 
ausgabe bei der einzelnen Reise auch nicht einen 
einzigen Reisenden von seiner beabsichtigten Fahrt 
abschreckt. Man darf nicht übersehen, daß hierbei 
die sogenannte mittelbare Rentabilität der Ko- 
lonialbahnen noch nicht berücksichtigt ist; diese 
besteht bekanntlich darin, daß durch die Bahnen 
die Einnahmen an Zöllen, Kopf-, Hütten-, Wege-, 
Arbeitssteuern u. dergl. gesteigert, die Ausgaben 
für die allgemeine Verwaltung und Sicherung des 
Schutzgebiets (Schutztruppe) vermindert werden. 
Das angeführte Beispiel für den Nachweis 
der Rentabilität einer Kolonialbahn gilt na- 
türlich nur ganz im allgemeinen und soll zeigen, 
daß einige unserer Kolonialbahnen schon jetzt sich 
dem Zustande nähern, wo sie mit Hilfe eines gut 
entwickelten Personen= oder Güterverkehrs den 
Schutzgebieten eine befriedigende Rente auf das 
verwendete Anlagekapital sichern. 
Um einen lebhaften Ausfuhrhandel zu ent- 
wickeln, wird es freilich mit der Zeit notwendig 
werden, die Tarifsätze des Güterverkehrs von 
20 bis 22 Pf. für das Tonnenkilometer wesent- 
lich herabzusetzen, namentlich wenn es sich erst 
um weitere Frachtwege von 200 bis 300 km 
Länge und mehr handelt. Denn bei einem 
Frachtsatz von beispielsweise 22 300 Pf. = 66./7 
für die Tonne können natürlich nur hochwertige 
Güter für die Verfrachtung in Betracht kommen. 
Hier wird also, sobald erst einmal eine be- 
friedigende Rentabilität der Bahn erreicht ist, 
alsbald mit Einführung von Staffeltarifen und 
mit Tarifermäßigungen vorzugehen sein, um auch 
für geringwertige Güter in größeren Frachtmengen 
und auf weitere Entfernungen eine Verfrachtung 
zu ermöglichen. 
III. 
Selbstkosten für das Personen- und das 
Tonnenkilometer. 
Für die Beurteilung der einzuführenden Tarife 
ist von großer Bedeutung die Kenntnis der 
Selbstkosten für das Personenkilometer und für 
das Tonnenkilometer bei der Höhe eines be- 
stimmten Verkehrs. In dieser Beziehung gibt die 
nachstehende Nachweisung bemerkenswerte Auf- 
schlüsse. Sie enthält für das Rechnungsjahr 1908 
für die Usambarabahn, für die Togobahnen 
(Küsten= und Jnulandbahn) und für die Bahnen 
in Deutsch-Südwestafrika die Zugkilometer, die 
Wagenachskilometer, das Prozentverhältnis der 
Leerläufe der Güterwagen und die Durchschnitts-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.