Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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leute Zauberer. Blitz und Donner finden noch 
heute gewisse Beachtung; der vom Bilitz getroffene 
und erschlagene Mensch erleidet den Tod als 
Strafe für begangenes Unrecht. Die Buschleute 
sprechen die Namasprache. Ursprünglich hießen 
sie Songuas. Schon 1668 finden sie in einem 
holländischen Werke über Völkerkunde Erwähnung 
als Bewohner von Südafrika. Die Buschleute 
find offenbar die Urbewohner von Südafrika und 
von dort auch nach ihren jetzigen Wohnsitzen in 
der Namib vorgedrungen bzw. von anderen 
Stämmen dahin verdrängt worden. 
Über die Gewohnheiten und Rechtsanschauungen 
der Namib-Buschleute habe ich manches in Er- 
fahrung bringen können, was der Aufzeichnung 
wert ist. Ich wohne seit zwei Jahren in der 
Nachbarschaft der Buschleute und bin als Ver- 
waltungsbeamter und Eingeborenenrichter vielfach 
mit den Namib-Buschleuten in Berührung ge- 
kommen. Anspruch auf Vollständigkeit machen 
jedoch meine Aufzeichnungen naturgemäß nicht. 
Der Buschmann als Familienvater ist in jeder 
Beziehung das Haupt seiner Familie. Den An- 
ordnungen des Familienoberhauptes wird un- 
bedingt Folge geleistet. 
Das Vermögen des Familienvaters, welches 
in Waffen, Kleidungsstücken, Sandalen, Koch- 
geräten und Jagdhunden besteht, erbt der älteste 
Sohn. Die Witwe und Töchter sind von der 
Erbfolge völlig ausgeschlossen. Der älteste Sohn 
erbt auch die Hegemonie in der Familie und 
kann als deren Oberhaupt auch von der ver- 
witweten Mutter Gehorsam fordern. Gleichzeitig 
besteht aber die Sitte, daß, sobald der älteste 
Sohn Universalerbe seines verstorbenen Vaters 
wird, das bisherige Besitztum des ältesten Sohnes, 
wie Waffen, Kleidungsstücke usw., auf dessen nächst- 
jüngeren Bruder übergehen uff. 
Der Familienvater hat zwar volle Gewalt 
über Frau und Kinder, ein Verkaufen, Ver- 
pfänden oder Verleihen ist jedoch ungebräuchlich 
— bis auf eine Ausnahme: Töchter werden 
manchmal an Männer als Ehegattinnen verkauft. 
Der Familienzusammenhang ist ein enger. Die 
Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen; es 
wird dabei getreulich geteilt. 
Steht die Geburt eines Kindes unmittelbar 
bevor, dann wird vom Vater vor dem Windschutz, 
dem „Elternhause“, ein kleines Feuer angemacht 
und sorgfältig unterhalten. Auf dem Feuerchen 
darf kein Topf stehen, darf nicht gebraten und 
gekocht werden. Es herrscht der Glaube, daß 
das Unterlassen dieses Brauches der Mutter und 
dem neugeborenen Kinde das Augenlicht koste. 
Nach der Geburt wird neben dem kleinen Feuer 
noch ein großes Freudenfeuer angezündet, ohne 
  
Unterschied, ob ein Knabe oder ein Mädchen zur 
Welt gekommen ist. Außer dem Feuer genießen 
auch einige Tiere eine gewisse Verehrung, z. B. 
die Paviane; sie werden nicht getötet und der 
Buschmann enthält sich auch bei größtem Hunger 
des Genusses ihres Fleisches. Als Grund hierzu 
gab man mir die Menschenähnlichkeit der Affen 
an. Bei Freudenfesten wie bei Geburten, find 
auch Tiertänze üblich. Die Gangart der Anti- 
lopen, besonders aber die der Paviane wird bei 
diesen Tänzen nachgeahmt. 
Bei der Bestattung eines erwachsenen Toten 
werden folgende Feierlichkeiten beobachtet: Der 
Tote wird in der Regel am folgenden Morgen 
begraben, jedenfalls nicht früher, als bis von den 
nächsten Nachbarn der Tod konstatiert worden 
ist. Angehörige des Toten und die Nachbarn 
ergehen sich sprechend und singend in Toten- 
klagen. Ein 2 m tiefes, nach oben sich ver- 
engendes Loch wird gegraben, der Boden des 
Grabes mit kleinen Büschen bedeckt; darauf wird 
der Tote gelegt, wieder mit Büschen zugedeckt, 
auf denen dann kleine weiße Steine aufgetürmt 
werden. Die Offnung wird dem Erdboden gleich- 
gemacht und, ebenso wie die Leiche selbst, min 
Wasser begossen, das mit einer Medizin (Gift aus 
einer Wurzel) vermengt ist. Dadurch sollen 
Schakale und Wölfe von der Begräbnisstelle 
ferngehalten werden. Die Bestattung von Kindem 
erfolgt in ähnlicher, nur einfacherer Weise, ledig- 
lich durch die nächsten Familienangehörigen. 
Oben wurde schon der Werftälteste erwähnt. 
Die Buschleute leben in Werftverbänden, die sich 
meist aus den nächsten Verwandten zusammen- 
setzen. Es herrscht das Bestreben, die Familien- 
glieder so lange wie möglich in einem Wertt- 
verbande zu vereinen. Für Familienbezeichnungen 
haben Männer und Frauen die gleichen Aus- 
drücke. Es konnten nur wenige Verwandtschafts- 
bezeichnungen festgestellt werden: náob für Groß- 
vater, dadäb für Vater und Schwiegervater, 
mamäs für Mutter und Schwiegermutter, 1 gäb 
für Bruder und ! gäs für Schwester. 
Ehen werden von den Männern meist im 
Alter von 18 Jahren geschlossen, von den 
Mädchen schon mit 13 Jahren. Der Ehe- 
schließung geht ein Verlöbnis voraus. Der 
Bräutigam zieht vor der Verheiratung auf Jagd 
und muß mindestens einen Gemsbock erlegen. 
Diesen bringt er der Braut zum Geschenk. Die 
Eheschließung wird mit einem Festmahl gefeiert, 
zu dem der erlegte Gemsbock den Braten liefert; 
zur Feier wird aus Wurzeln, wildem Honig und 
heißem Wasser ein sehr berauschendes Honigbier 
gebraut und getrunken. Die junge Frau bringt 
als Aussteuer Felle und Kochgerät (Teller und
	        
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