W 979 20
reichten, welche sie nicht zu erwarten schien, alle
Befangenheit. Sie hatte noch vor kurzem ihren
früheren Mann entlassen und einen vertriebenen
Häuptling aus Ombandja geheiratet. Die vor-
nehmen Frauen des Ambolandes haben nämlich
das große Vorrecht, sich ihren Mann zu wählen.
Abgelehnt kann eine solche Wahl nicht werden;
der von ihr Betroffene kann sich höchstens durch
Flucht in ein benachbartes Stammesgebiet dem
ihm drohenden Schicksal entziehen. Solche Männer
vornehmer Frauen sind natürlich ganz in der
Gewalt ihrer Frau. Ndapona bedauerte es sehr,
daß sie uns ihren Gatten, weil dieser gerade ab-
wesend war, nicht vorstellen könne. Da wir
mehrmals Miene zum Aufbrechen machten, bat
sie immer wieder, wir möchten doch warten. Als
Aufenthaltsort wurde uns eine geräumige, schattige
Hütte angewiesen. Auch für unsere leiblichen
Bedürfnisse wurde Sorge getragen. Mit Bier hatte
man uns schon reichlich traktiert. Endlich erschien
eine ihrer Dienerinnen und servierte vor uns
auf dem Boden gebratenes Huhn mit Osifina.
Letzteres, die Hauptnahrung der Bewohner des
Ambolandes, ist ein aus Mehl gekochter, recht
steifer Brei. Das Huhn, welches sehr gut zu-
bereitet war, schmeckte vorzüglich; das Osifina
wurde unsern Begleitern überlassen. Endlich des
Wartens müde, brachen wir auf und wurden von
Ndapona als gute Freunde entlassen.
Ipumbo, der Häuptling von Ukuambi,
mag vielleicht eben die Zwanzig überschritten
haben. Bekleidet war er mit einem weißen
Anzug, langen Reitstiefeln und einem Hut mit
breitem Rande. Von frühester Jugend an war
er in der Werft seines Onkels, des früheren
Häuptlings Negumbo, und wurde dessen be-
sonderer Liebling. Naujoma, Ipumbos älterer
Bruder, war von Negumbo vertrieben worden,
und so geschah es, daß bei Negumbos Tod
Ipumbo und nicht Naujoma, wie es das Landes-
gesetz erfordert, Häuptling von Ukuambi wurde.
Ipumbo begrüßte uns ziemlich kühl. Bald
verschwand er wieder und ließ uns sagen, wir
möchten doch unsere Brillen abnehmen, die könne
er nicht leiden. Nachdem er wieder erschienen
war, klärte ich ihn — er wußte, daß ich früher
als Missionar in Ukuanjama tätig gewesen war —
über meine jetzige Stellung auf und wies ihn
auch auf die jetzige Art der Arbeiteranwerbung
sowie auf die für die nach dem Süden gehenden
Leute getroffene Fürsorge hin. „Für die Grüße
des Omuhona in Windhuk danke ich,“ sagte
Ipumbo, „aber die anderen Worte gehen mich
nichts an.“ „So,"“ erwiderte ich, „es ist dir also
gleich, wie es deinen Leuten ergeht, die nach
Hereroland wandern?“ „Ja,“ gab er zur Ant-
wort, „die gehen ohne mich zu fragen und ohne
daß ich sie gesandt habe, und darum kümmert es
mich wenig, wie es ihnen ergeht!“ „Nun,“ gab
ich wiederum zur Antwort, „ich dachte, du hättest
als Häuptling doch mehr Interesse an dem Er-
gehen deiner Untertanen und würdest dich freuen,
wenn im Hereroland gut für diese gesorgt wird.“
Ipumbo machte abermals eine ablehnende Be-
wegung und zeigte sich überhaupt sehr unfreundlich.
Am nächsten Morgen erschien ein Bote
Ipumbos, der uns sagen ließ, wir möchten jetzt
kommen, damit wir uns gut begrüßten; gestern
sei er nicht wohl gewesen, und darum habe sich
unsere Unterhaltung auch so schlecht gestaltet. Wir
dachten natürlich nicht daran, einer solchen Ein-
ladung Folge zu leisten, und ich sagte dem
Boten: „Gehe und melde dem Ipumbo, er habe
uns gestern wie Buschleute empfangen und be-
handelt, und wir würden sein Gehäft nicht wieder
betreten. Wir seien Gesandte des großen Omu-
hona in Windhuk, und eine solche Behandlung
ließen wir uns nicht gefallen.“
Nach kaum einer Viertelstunde kam ein zweiter
Bote mit einem Ochsen und mit einer nochmaligen
Bitte Ipumbos, wir möchten doch jetzt kommen.
Sein gestriges Verhalten sei nur durch Unwohlsein
veranlaßt worden. Er erhielt denselben Bescheid
wie vorhin, und sein Bore zog wieder ab.
Der dritte Gesandte des Häuptlings ließ nicht
lange auf sich warten und brachte bald die Nach-
richt: Ipumbo kommt selber! Die Unwürdigkeit
seines gestrigen Verhaltens wohl einsehend, gab
er nach und kam nun persönlich zu uns. Nach-
dem wir ihn geraume Zeit hatten warten lassen,
suchte er sich wieder mit seinem gestrigen Un-
wohlsein zu entschuldigen, doch ließ ich dies nicht
gelten. Da war Ipumbo auf einmal wie um-
gewandelt. Wir konnten jetzt auch ausführlich
über die Arbeiterfrage verhandeln, und er erklärte
sich bereit, nach Kräften für Beschaffung von
Leuten zu sorgen.
Unterdessen war für Ipumbo und seine Be-
gleiter von der Frau des Missionars Tee und
Brot gebracht worden. Während des Essens
wandte sich Jipumbo auf einmal zu uns und
fragte: „Habt ihr auch „Omeva gasolidati42“
(Soldatenwasser.) Er meinte natürlich Brannt-
wein. Endlich nach zwei Stunden brach er auf,
und wir schieden nun als gute Freunde.
Ukuambi gehört zu den kleinsten Stämmen
des Ovambolandes. Seine Einwohnerzahl dürfte,
soweit sich dies nach den bisherigen Ermittelungen
feststellen läßt, höchstens 15 000 betragen.
Der Häuptling von Ongandjera, Tschaneka,
mag vielleicht 60 Jahre zählen. In seiner
äußerst bescheidenen Kleidung — er trug bei
unserer Ankunft ein altes Hemd und einen viel-
leicht ebenso alten Hut — macht er kaum den