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Koloniatwirtschaftliche Mitteilungen.
Der Baumwollbau in Togo,
seine bisherige Sntwickiung und sein jetziger Stand.
Durch geschichtliche Überlieferung ist erwiesen,
daß der Baumwollbau und die Kunst Baumwoll-
zeuge zu weben, bei den Eingeborenen Westafrikas
schon im 17. Jahrhundert bekannt, ja sogar
ziemlich verbreitet gewesen ist. Auch in Togo
haben die Eingeborenen von altersher fast im
ganzen Schutzgebiet Baumwolle gebaut. Das Ver-
spinnen der selbsterzeugten Rohbaumwolle und
das Verweben der einheimischen Garne ist in
den meisten Teilen des Schutzgebiets schon lange
vor der Besitzergreifung durch das Deutsche Reich
in Übung gewesen. Die Eingeborenen sind also
mit dem Baumwollbau seit langer Zeit bekannt.
Die Baumwollproduktion der Eingeborenen des
Schutzgebiets hatte freilich immer nur den Zweck,
ihren Eigenbedarf an Baumwolle für die An-
fertigung der einheimischen Gewebe zu decken.
Ein Export von Rohbaumwolle, eine Beschickung
des europäischen Marktes hatte nicht stattgefunden.
Eine Anderung hierin brachte der amerikanische
Bürgerkrieg und der in seinem Gefolge auftretende
„Baumwollhunger“, der die Preise für Rohbaum-
wolle gewaltig emporschnellen ließ; damals — in
den Jahren 1865 bis 1870 — trat auch die
westafrikanische Baumwolle zum ersten Mal auf
den Plan.
Ein in Lome lebender, in Ague bei Anecho
gebürtiger angesehener Eingeborener weiß noch zu
erzählen, daß sein Vater zu jener Zeit in Porto-
Seguro und Ague Baumwollpflanzungen anlegte,
40 bis 45 Sklaven allein für den Baumwollbau
hielt und auch einen Entkörner sowie eine Ballen-
presse betrieb, deren Reste der Sohn noch heute
in Verwahrung hat. Von sehr vielen Eingebo-
renen soll damals Baumwolle angebaut worden
sein. Der Vater des genannten Eingeborenen
soll 20 bis 40 Ballen zu etwa 200 kg monatlich
mit Segelschiffen nach Liverpool verschifft haben.
Mehrere englische und französische Firmen kauften
gleichfalls Baumwolle auf und verschifften sie mit
Segelschiffen. Das Pfund erzielte damals bis
über 2 .. Dieser Baumwollexport war jedoch
nicht von langer Dauer; nachdem der Preis
wieder gesunken war, wurde das Geschäft wegen
der darauf lastenden hohen Transport= und Ver-
arbeitungskosten unrentabel und der Export wieder
aufgegeben.
Schon bald nach Übernahme der Schutzherr-
schaft durch das Deutsche Reich im Jahre 1889
hatte der damalige Reichskanzler Fürst Bismarck
gutachtliche Außerungen darüber einholen lassen,
„ob und in welcher Weise die Baumwoll-=
kultur in unseren westafrikanischen Be-
sitzungen eingeführt werden könne". Denn:
„dem Reichskanzler erscheine der Anbau
der Baumwolle da, wo er möglich ist, als
eines der wichtigsten Mittel zur wirtschaft-
lichen Förderung überseeischer Gebiete“.
Gleich nach Gründung der Forschungsstation
——* sind dort im Jahre 1889 Versuche
mit dem Anbau von Baumwolle gemacht worden.
Im Jahre 1890 wurde ein Sachverständiger
nach dem Schutzgebiet entsandt, der „durch prak-
tische Versuche feststellen sollte, ob die Vorbedin-
ungen zu einer lohnenden Baumwollkultur im
Schutzgebiet vorhanden seien“. Er nahm die
schon vor seinem Eintreffen in Sebe bei Anecho
in Angriff genommenen Baumwollkulturversuche
in die Hand, legte noch weitere Versuchsfelder in
Porto-Seguro und Lome an, führte u. a. ver-
schiedene amerikanische Upland-Sorten ein und
versuchte die Eingeborenen für den Baumwollbau
zu interessieren.
Wiederholt an die Bremer Baumwollbörse
eingesandte Baumwollproben wurden bis zu 80 Pf.
für ½ kg bewertet. Darunter befand sich eine
Sorte, welche von der Baumwollbörse besonders
zum weiteren Anbau empfohlen wurde.
Leider wurden diese Versuche wieder auf-
gegeben. Als Hauptgrund dafür muß die Be-
schränktheit der der Verwaltung zur Verfügung
stehenden Mittel bezeichnet werden.
Die neueren Bestrebungen zur Förde-
rung des Baumwollbaus in Togo setzten im
Jahre 1900 ein, als das Kolonial-Wirtschaft-
liche Komitee eine aus vier amerikanischen
Farbigen bestehende „Baumwollexpedition“ nach
Togo entsandte. Zunächst wurden bei Tove (Be-
zirk Misahöhe) eine größere Baumwollversuchs-
Pflanzung angelegt, dort eine Entkörnungsanlage
nebst Ballenpresse aufgestellt und außerdem in
verschiedenen Gegenden des Schutzgebiets noch
mehrere kleine Versuchsfelder angelegt. Die Mit-
glieder der Expedition hatten unter anderem die
Aufgabe, die Bevölkerung zum rationellen Anban
von Baumwolle planmäßig anzuleiten. Hierzu
fehlte ihnen jedoch die nötige Kenntnis der Ge-
wohnheiten der Eingeborenen und der erforder-
liche Einfluß. Um bei den Bewohnern dieses
Landes eine neue Exportkultur einzuführen, bedarf
es langjähriger enger Fühlung mit den betreffenden
Stämmen und weitreichender Autorität. Deshalb
mußte die Verwaltung des Schutzgebiets
einspringen, die über ein erfahrenes und im Ver-
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