Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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ist ebenso wichtig — tüchtige und selbständige 
Einzelfarmer, die, ganz besonders in Siedlungs- 
kolonien wie Deutsch-Südwestafrika, das Rückgrat 
der Kolonie bilden werden. 
Meine Herren, es sind nun noch die Verträge 
vom 7. Mai erwähnt worden. Der Herr Ab- 
geordnete Speck hat gesagt: 
Es ist die Frage entstanden, ob diese Verträge 
überhaupt gültig sind, oder ob nicht der Reichs- 
tag dabei mitzusprechen hatte. Die Budget- 
kommission wird sich mit dieser staatsrechtlich 
sehr bedeutsamen Frage eingehend zu befassen 
haben. 
Während Herr Speck sich hierauf beschränkt hat, 
hat der Herr Abgeordnete Lattmann weitere Aus- 
führungen gegen die Verträge gemacht. Ich kann 
seinen Ausführungen in keiner Weise beitreten 
und muß hier vom Standpunkt der Verwaltung 
sagen, daß ich sie für nicht gerechtfertigt halte. 
Man kann über Verträge naturgemäß verschiedener 
Meinung sein; aber jedenfalls muß ich bestreiten, 
daß der Vertrag vom 7. Mai, wie er jetzt vor- 
liegt, so wenig günstig sein sollte, wie der Herr 
Abgeordnete Lattmann gemeint hat. 
Ich möchte mich hier auf diese wenigen Worte 
beschränken, da, wie der Herr Abgeordnete Speck 
angedeutet hat, noch eine nähere Prüfung bzw. 
Erörterung in der Budgetkommission stattfinden 
soll. Auch ich halte die Budgetkommission für 
den richtigen Platz, wenn es notwendig sein sollte, 
auf eine weitere Erörterung dieser Verträge ein- 
zugehen. Selbstverständlich werden wir von seiten 
der Regierung uns dieser Erörterung gern unter- 
ziehen, und ich sehe derselben mit Ruhe entgegen. 
Ich bin bemüht gewesen, Ihnen ein möglichst 
objektives Bild von der Entwicklung unserer 
Kolonien in der neuoesten Zeit zu geben. 
meine, daß dasselbe, trotz der Obijektivität, deren 
ich mich befleißigt habe, doch im allgemeinen nicht 
ungünstig gewesen ist. Es ist dies ja auch von 
einzelnen Rednern schon mit Genugtuung hervor- 
gehoben worden. Es hat dabei aber der be- 
greifliche Wunsch durchgeklungen, es möchten die 
Reichszuschüsse weiter vermindert werden. Das 
wird auch mein ernstliches Bestreben sein; ich 
möchte Sie aber doch bitten, mich in dieser Be- 
ziehung nicht zu sehr zu drängen, damit unsere 
Kolonien nicht wieder Schaden leiden. Ich bitte, 
nicht zu vergessen, welch große Lasten — es 
handelt sich da im ganzen allein für Bahnbauten 
um 214 Millionen, wozu noch 8 Millionen für 
Wegebauten kommen — die Kolonien durch die 
Verzinsung und Amortisation der Kolonialanleihen 
auf sich genommen haben. Es wäre vor einigen 
Jahren noch ganz undenkbar gewesen, daß man 
den Kolonien derartige Lasten auferlegen könnte; 
so sehr haben sich in dieser Zeit die finanziellen 
Verhältnisse gebessert. Wir werden meines Er- 
achtens diese übernommenen Pflichten nur erfüllen 
können, wenn wir neue Einnahmegquellen er- 
schließen. Diese werden naturgemäß zum Teil. 
auch in einer Besteuerung der Eingeborenen be- 
stehen müssen, und da müssen wir mit der aller- 
größten Vorsicht vorgehen, damit wir nicht etwa 
wieder durch zu harte Steuern einen Eingebornen- 
aufstand entfesseln und das, was wir nun in 
mühseliger Arbeit in den letzten Jahren erreicht 
haben, wieder aufs Spiel setzen. 
Ich bitte auch, die Reichszuschüsse nicht als 
reine Geldopfer zu betrachten, sondern als eine 
politische Kapitalsanlage, als eine Saat, die ihre 
Frucht bringen wird, wenn man ihr Zeit läßt, 
und die Früchte bereits zu bringen beginnt. 
Unser überseeischer Besitz ist noch eine zarte Pflanze 
und bedarf noch der pfleglichen Hand der Heimat. 
Man kann auch nicht sagen, daß wir so besonders 
große Opfer jetzt noch für unsere Kolonien bringen. 
Andere, weit ältere Kolonialstaaten zahlen heute 
für ihre älteren Kolonien noch ebenso hohe, ja 
zum Teil erheblich höhere Reichszuschüsse. Ich 
erwähne in dieser Beziehung England, Frankreich, 
Holland und dann das allerdings als Kolonial- 
macht junge Nordamerika. Daß das deutsche 
Volk und der Hohe Reichstag in den schweren 
und trüben Tagen, welche über unsere Kolonial- 
politik hereingebrochen waren, nicht an der Zukunft 
unserer Kolonien verzweifelt haben, das beginnt 
heute belohnt zu werden. Ich zweifle nicht, daß 
die Worte der Genugtuung über das Wachsen 
und Gedeihen unserer Kolonien, welchem von 
seiten verschiedener Redner hier im Hause Aus- 
druck verliehen worden ist, draußen im Volke leb- 
haften Widerhall finden wird. Handelt es sich 
bei den Kolonien doch nicht um eine Sache der 
politischen Parteien, sondern um eine Sache des 
deutschen Volkes. 
II. 
Rede vom 13. Dezember 1910. 
Angesichts der vorgerückten Stunde bin ich 
gestern nicht mehr auf eine Anfrage eingegangen, 
„die der Herr Abgeordnete Erzberger an mich ge- 
richtet hat. Mir liegt das Stenogramm noch 
nmicht vor; wenn ich aber recht verstanden habe, 
so hat er gesagt, es wäre ihm erwünscht und er 
hätte vermißt eine Außerung in meinen Aus- 
führungen über meine Stellung zum Deutschtum 
in den Kolonien. Wenn ich das in meinen 
(Ausführungen unterlassen habe, so ist es geschehen, 
weil ich angenommen habe, daß meine überseeische 
Tätigkeit in Deutsch-Südwestafrika, namentlich 
  
aber auch in Britisch-Südafrika, eine hinreichende
	        
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