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Denn die Kaufleute im Innern, die ihrerseits
wieder Tausende von schwarzen Händlern be-
schäftigen und auf diesem Wege ihre Fäden bis
in die entlegensten Teile des Schutzgebiets hinein
erstrecken, sind am ersten in der Lage, etwas zu
erfahren. Nach dem negativen Ergebnis dieser
Erkundigungen und der durchaus loyalen Haltung
der Eingeborenen bei meinem Durchzuge sind die
gehegten Besorgnisse unbegründet gewesen.
Auch halte nach allen mir von den verschiedensten
Seit denen Mitteil der Tod Dominiks
merkwürdigerweise bei den Eingeborenen nur einen
geringen Eindruck gemacht. Im weiteren Süd-
bezirke, wo sein Name weniger bekannt war,
scheint der Tod überhaupt spurlos vorübergegangen
zu sein. Nur ein einziger Fall konnte mir nam-
haft gemacht werden, in dem ein Häuptling des
Akonolinga-Bezirks seinen Leuten erklärt haben
soll, sie brauchten nach dem Tode Dominiks der
Regierung nicht mehr zu gehorchen. Der Häupt-
ling ist durch das alsbaldige Einschreiten des
Stationsleiters aber schnell eines Besseren belehrt
worden. Von den Eingeborenen wurden mir
weder unterwegs noch bei den Heuptlings-
versammlungen, die ich überall abhielt, Klagen
vorgebracht, die auf eine allgemeine Unzufrieden-
heit schließen ließen.
Gegen die Wahrscheinlichkeit bevorstehender
größerer Unruhen im Süden sprechen auch wesent-
lich zwei Momente. Einmal sind eine Reihe von
großen Stämmen, wie die Jaunde, Bakokos
und Bulis, tödlich miteinander verfeindet, und
diese Feindschaft hat sich auch durch die stärkere
Berührung miteinander nicht vermindert. Ferner
sind ein großer Teil der Eingeborenen des Südens
eng mit dem Handel verwachsen und für ihre
gesteigerten Lebensbedürfnisse so von ihm ab-
hängig, daß sie schwerlich zu kriegerischen Aus-
schreitungen neigen. Das Gros der Männer be-
findet sich zudem fast stets als Händler, Träger
und Arbeiter unterwegs, und man trifft auf langen
Wegstrecken in den Dörfern nur alte Männer,
Weiber und Kinder. Auf der anderen Seite sind
allerdings auch große Stämme wie die Makkas
vorhanden, die dem europäischen Einflusse min-
destens noch passiven Widerstand leisten, und
andere, wie die Kakas, die durch den Gummi-
handel zu einer gewissen Wohlhabenheit gelangt
sind und damit zur Selbstüberhebung und Arbeits-
scheu neigen.
Es ist deshalb, wenn auch zur Zeit kein
Grund zu irgendwelchen Besorgnissen vorliegt,
doch nach wie vor die größte Vorsicht geboten,
und es muß von der Verwaltung alles geschehen,
um jeden Augenblick Herr der Situation bleiben
zu können. Dazu gehört außer den jetzt bereits
vorgenommenen Verstärkungen der Besatzung im
Jaunde-Akonolinga= und Dume-Bezirk die Be-
setzung des Baja-Gebietes mit einer Kom-
pagnie oder wenigstens einer stärkeren Abteilung
der Schutztruppe. Zu diesem Zwecke wird die
Kompagnie des Dschang-Bezirks, der durch die
Nordbahn jetzt jederzeit in wenigen Tagen von
Duala aus erreicht werden kann, durch eine Polizei-
truppe ersetzt werden müssen. Die hierfür not-
wendige Verstärkung von 50 Mann für die letz-
tere wird im Jahre 1912 angefordert werden.
Ferner muß der bis Abongmbang bewilligte
Telegraph im nächsten Jahre bis Dume weiter-
geführt werden und später in östlicher Richtung
auf Delele zu, wo sich das Zentrum des Gummi-
handels mit über sechzig Weißen und mehreren
Tausend schwarzen Händlern befindet, und wo
naturgemäß sich am ersten Zündstoff aufhäuft.
Wenn dann auch noch die bereits vorhandenen
Befestigungen vollendet und die noch geplanten
ausgebaut sind, kann man nach menschlichem Er-
messen allen Eventualitäten auch für die Zeit bis
zur Vollendung der Mittellandbahn, die ja in
politischer Beziehung einen wesentlichen Macht-
zuwachs bedeutet, ruhig entgegensehen.
In wirtschaftlicher Beziehung habe ich von
den Entwicklungsmöglichkeiten des Südens
einen durchaus günstigen Eindruck gewonnen.
In klimatischer Hinsicht und durch seine starke
und intelligente Bevölkerung ist das Innere den
tiefer gelegenen Küstenregionen zweifellos über-
legen. Der größte Teil des Landes hat eine
durchschnittliche Meereshöhe von 600 bis 700 m,
einen erheblichen Unterschied in der Tages- und
Nachttemperatur und eine weit geringere Regen-
menge als die Küstenzone. Weiße, die eine ver-
nünftige Lebensweise führen, werden daher hier
jahrelang ohne schwere Schädigung ihrer Ge-
sundheit aushalten und ihren verschiedenen Be-
rufen nachgehen können.
Es wird hierdurch der an der Küste für
Unternehmungen aller Art empfindliche ständige
Wechsel des Personals sich bedeutend weniger
fühlbar machen, und es wird damit auch eher
für kleine Unternehmungen die Lebensfähigkeit
gegeben sein.
Den günstigeren klimatischen Verhältnissen ist
wohl auch zuzuschreiben, daß sich eine Reihe der
Innendistrikte einer größeren und geweckteren
Eingeborenenbevölkerung zu erfreuen hat als die
Küstenzone. Die Jaunde-, Akonolinga= und
Ebolowa-Gebiete gehören wohl zu den am stärksten
bevölkerten Gegenden der ganzen Kolonie, und
die Intelligenz und Räührigkeit ihrer Ein-
geborenen wird durch die ständige Nachfrage nach
Arbeitern, Trägern, Händlern usw. aus diesen
Gebieten allgemein anerkannt. Auch der Dume-
Bezirk hat in den Makkas einen, wenn auch jetzt