Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Bauwerk schon gar nicht zu passieren; das jen- 
seitige Steilufer mußte man von einem Felsblock 
aus mittels angelehnter Stangen, an denen man 
emporkletterte, gewinnen. Das Hinüberbefördern 
der Lasten machte erhebliche Schwierigkeiten. 
Von jetzt ab wurde die Sache für uns inso- 
fern schwieriger, als die Kaisprache hier zu Ende 
war. Die Leute auch diesseits des Sopa sprechen 
zwar schon einen anderen Dialekt, aber es sind 
doch immer einige darunter, die Kai verstehen. 
Wir mußten also einen Dolmetscher anwerben, 
und gegen ein Buschmesser erklärte sich auch ein 
junger Mann bereit, uns zu begleiten, obschon 
jenseits des Flusses nach seiner Versicherung seine 
Feinde wohnten. Aber einerseits setzte er in bezug 
auf seine Sicherheit wohl einige Hoffnung in uns 
und unsere Gewehre, anderseits ist in jener Gegend 
ein Buschmesser ein sehr verlockender Artikel, der 
hoch im Werte steht. So zogen wir denn weiter 
los und erreichten auch gegen Abend das Dorf 
Gulu Masuang auf 680 m Höhe. Alle Bewohner 
waren ausgerissen bis auf eine junge Frau mit 
einem kleinen Kind, die uns, anscheinend gar nicht 
schüchtern, mit lebhafter Rede empfing. Die andern 
Bewohner steckten, für uns unsichtbar, wie sich 
nachher herausstellte, gar nicht weit davon im 
Busch; sie wollten zusehen, was wir mit der Frau 
anfingen und danach ihr Verhalten einrichten. 
Das ist zwar mehr vorsichtig als ritterlich, ist 
aber, wie ich selber mehrfach schon früher erfahren 
habe, hier verschiedentlich Brauch. Geschmeichelt 
konnten wir uns insofern fühlen, als sie dazu, 
wie wir hernach feststellen konnten, wirklich das 
schönste Exemplar einer Frau ausgesucht hatten, 
über das sie verfügten, und wenn man von der 
gut 5 mm dicken Schmutzkruste auf ihren Wangen 
und sonstwo absah, mochte sie auch nach euro- 
päischem Geschmack für passabel gelten. Als unser 
Dolmetscher ihr den Zweck unseres Kommens er- 
klärt hatte und wir unsere Tauschartikel sowie 
die hohlen Bäuche unserer Jungen zeigten, rief 
sie die übrigen Bewohner herbei, und ein gutes 
Einvernehmen war bald hergestellt. Wir fingen 
nun auch an, die Temperaturen zu messen und 
hatten früh um ½9 Uhr beim Abmarsch 26 Grad 
Celsius. Die Temperatur sank nun, je weiter wir 
anstiegen; wir hatten um ½10 Uhr auf 800 m 
26,5 Grad und ½11 Uhr auf 1000 m Höhe 
26 Grad. Nachmittags ¾5 Uhr erreichten wir 
auf gutem Wege 1466 m und hatten hier 25 Grad. 
Von hier kamen wir dann auf 1230 m in das 
Dorf Helianqueque, wo wir übernachteten. Tem- 
peratur früh 8 Uhr 25 Grad Celsius. 
Wir mußten nun in das tiefe Kuatal auf 
sehr steilen Pfaden hinunter, und stellenweise war 
die Gefahr groß, daß man durch sich in Bewegung 
setzendes Gestein verletzt wurde. Der Fluß liegt 
  
auf 540 m und war ganz ungeheuer reißend. 
Er befördert an der Uüberschreitungsstelle mindestens 
10 chm Wasser pro Sekunde. Wir überschritten 
den Fluß auf einer primitiven Hängebrücke, die 
aber sehr geschickt angebracht war. Beim über- 
gang mußten Hände und Füße gebraucht werden, 
und ein Blick auf das unten vorbeischießende 
Wasser genügte, um sofort starken Schwindel her- 
vorzurufen. Nachdem wir mit Gepäck und allem 
glücklich hinüber waren, blieb nichts anderes übrig, 
als von neuem zu klettern anzufangen, denn Ge- 
birgszug erhebt sich hier hinter Gebirgszug. Den 
Tag vorher hatten wir auf 1400 m Höhe die 
ersten Fichten angetroffen. Die Nadeln derselben 
mochten etwas kürzer und dünner als die bei den 
europäischen sein, der Astbau und die Benadelung 
an und für sich war aber den deutschen Fichten 
vollkommen gleich. Die Berge, die wir zwischen 
dem Kua und dem Bulong passierten, waren zum 
weitaus größten Teil mit Gras bestanden. Um 
¾¾10 Uhr erreichten wir wieder eine Höhe von 
1570 m und hatten eine Temperatur von 23,5 
Grad Celsius. Der Berg war bewaldet, und 
Nadelhölzer kamen hier schon ziemlich häufig vor. 
Wir konnten drei Arten feststellen. Unsere Leistungs- 
fähigkeit im Bergsteigen hatte, trotz der oft sehr 
schwierigen Wege, ganz bedeutend zugenommen, 
was teils auf die Übung, teils auf die günstigere 
Temperatur zurückzuführen war. Mit dem weiteren 
Vordringen ins Gebirge nahm auch unser Appetit 
zu, und wir konnten in bezug auf Essen ganz 
Ungeheuerliches leisten, so daß ich mich geniere, 
die Quantitäten zu verraten, die wir jeweils ver- 
schlangen. Eingeborene können nach dieser Rich- 
tung hin auch etwas zuwege bringen, aber wir 
gaben ihnen nichts mehr nach. 
Dieser Zustand war aber nicht vorübergehend, 
sondern hielt an, so daß wir schließlich unsere 
Reise, trotz der damit verbundenen körperlichen 
Anstrengungen, als sehr gute Erholung betrachten 
konnten. Moskitos bemerkten wir nicht, aber da- 
für machte sich bald eine andere Plage geltend, 
und das waren die Flöhe. Diesen Tierchen sagt 
das Höhenklima auch entschieden besser zu als die 
heiße Küste, denn die Hunderte, die wir schließlich 
mit herausbrachten, verschwanden in zwei Tagen, 
als wir wieder im heißen Küstengebiet waren. 
Ich werde nicht verfehlen, mich bei künftigen, 
ähnlichen Touren reichlich mit Insektenpulver zu 
versehen. Mit spätem Abend erreichten wir das 
Dorf Simisaum auf 1060 m Höhe, wo wir auch 
übernachteten. Es ist bei derartigen Expeditionen 
immer zu beachten, daß man möglichst Dörfer 
zum Lagern zu gewinnen sucht. Erstens bekommt 
man für seine Leute zu essen, und das Handels- 
geschäft ist sehr geeignet, das Vertrauen der Leute 
zu gewinnen; zweitens kommt man leichter dazu,
	        
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