Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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Deutschland 212 590 vermittelt. Von diesen 
stammten aus Deutschland nur 5058 = 2,38 v. H. 
(auf 42 erst 1 Deutscher). Nach den fremden- 
polizeilichen Erhebungen des Preußischen Mini- 
teriums des Innern wird allein in Preußen all- 
ährlich eine noch erheblich größere Zahl aus- 
ländischer Wanderarbeiter in der Landwirtschaft 
beschäftigt. Selbst wenn man berücksichtigt, daß 
sich unter den 207 532 Ausländern 2630 Deutsche 
aus. Rußland befinden, so überwiegt hiernach bei 
den ländlichen Wanderarbeitern das ausländische 
Element in erdrückendem Maße das inländische. 
Es herrscht somit in Deutschland bereits ein er- 
heblicher Mangel an Landarbeitern, der um so 
empfindlicher ist, als erfahrungsgemäß der Zuzug 
ausländischer Arbeiter durchaus kein gesicherter 
ist und aus den verschiedensten Gründen jederzeit 
sehr schnell zeitweise ins Stocken geraten oder 
dauernd aufhören kann. ’ 
Bäuerliche Siedler. 
Nach einer Rede des Landwirtschaftsministers 
im Abgeordnetenhause vom 26. Oktober 1912 
sind an Anfiedlungsstellen in Preußen geschaffe 
worden: - 
Seit dem Jahre 1891 unter Vermittlung der 
à) Generalkommissionen rd. 18 000, 
b) durch die Ansiedlungskom- 
mission für Westpreußen und 
Posen 
  
20 000 
zusammen. 38 000 
Stellen. . « 
Bon den 20 000 durch die Anfiedlungs- 
kommission angesetzten Siedlern (Inhabern von 
Siedlungsstellen) stammten laut der Denkschrift 
des Jahres 1911 — „Uber die Ausführung des 
Gesetzes, betreffend die Bevölkerung deutscher Sied- 
lungen in den Provinzen Westpreußen und Posen 
vom 26. April 1886, nebst Anderungs= und Er- 
gänzungsgesetz vom 20. April 1898, 1. Juli 1902 
und 20. März 1908“ — etwa 2000 aus nicht- 
preußischen Bundesstaaten. Etwa 5000, also der 
vierte Teil, waren deutsche Rückwanderer aus dem 
Auslande, von denen wiederum der größte Teil 
(4400) aus Rußland und Osterreich kamen. Die 
Zahl der jährlich angesetzten Siedler beläuft sich 
in den letzten Jahren für den Bereich der staat- 
lich unterstützten gemeinnützigen Siedlungsgesell- 
schaften und der Generalkommissionen auf etwa 
1300 bis 1400 Stellen, für den Bereich der An- 
siedlungskommission auf 1400 bis 1500 Stellen. 
Die von der Ansiedlungskommission für Weest- 
preußen und Posen in den leten Jahren zur 
Ansiedlung vergebene Fläche belief sich im Durch- 
schnitt der Jahre 1903 bis 1911 einschließlich auf 
20 773 ha jährlich oder jährlich etwa 40 bis 45 
  
Dörfer mit je ungefähr 400 ha Stellenland. Die 
gesamte deutsche Bevölkerung der Ansiedlungsgüter 
und Ansiedlungsgemeinden allein im Bereiche der 
Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posrn 
beläuft sich jetzt auf über 140 000 Personen; die 
auf den unter Vermittlung der Generalkommissionen 
gebildeten Stellen angesiedelte Bevölkerung dürfte 
sich zur Zeit auf 80 000 bis 100 000 Köpfe be- 
ufen. 
Nun hat der Herr Reichskanzler in seiner 
Rede im Hause der Abgeordneten vom 25. Ok- 
tober v. Is. erklärt, daß die staatlich unterstützten 
gemeinnützigen Siedlungsgesellschaften dahin 
kommen müßten, ihre Tätigkeit in jedem Jahre 
etwa zu verdreifachen. Außerdem ist beabsichtigt, 
noch in anderen Provinzen, in denen bisher 
gemeinnützige Siedlungsgesellschaften nicht bestehen, 
solche unter staatlicher Beteiligung ins Leben zu 
rufen und eine verstärkte Kolonisationstätigkeit zu 
entfalten. Auch hatte bereits im Jahre 1911 der 
Preußische Landwirtschaftsminister eine großzügige 
Urbarmachung von Odländereien und Mooren 
zwecks Gewinnung von weiterem Lande für bäuer- 
liche Siedler in Aussicht gestellt. Eine Reihe von 
Maßnahmen zur Ausführung dieses Planes ist 
getroffen oder in Vorbereitung. Es muß alo 
damit gerechnet werden, daß künftig eine wesent- 
lich vermehrte Schaffung von Anfiedlungsstellen 
und damit für eine längere Reihe von Jahren 
eine erheblich gesteigerte Nachfrage nach bäuer- 
lichen Siedlern in Deutschland eintreten wird. 
Es wird sich fragen, ob für das erhöhte An- 
gebot von bäuerlichen Siedlungsstellen in Zukunst 
die nötige Nachfrage vorhanden sein wird; denn 
wenn auch zur Zeit die Nachfrage nach Ansiedlungs- 
stellen der Anfiedlungskommission lebhaft und 
stärker als das Angebot ist, so kann im übrigen, 
insbesondere bei den Siedlungsgesellschaften, von 
einem Überangebot von Ansiedlern nicht 
wohl die Rede sein. 
Landarbeitersiedler. 
Die Besetzung von Anfiedlungsstellen mit Land- 
arbeitern, die eine Wohnstelle mit nur so viel 
Land erhalten, daß sie für ihren Leben 
in der Hauptsache auf die Verdingung ihrer 
Arbeitskrast angewiesen sind und die Bewirt- 
schaftung ihres Landbesitzes nur als Nebenerwerb 
betreiben, ist schon jetzt nur mit Schwierigkeiten 
möglich, namentlich weil es an geeigneten An- 
siedlungslustigen dieser Art fehlt. 
Zusammenfassung. · 
Aus dem vorstehenden ergibt sich für die 
Frage, ob ein Uberschuß der landwirt- 
schaftlichen Bevölkerung für die Besiede- 
lung unserer Kolonien zur Zeit vorhanden 
ist, folgendes:
	        
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