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verhältnismäßig schwäch er vertreten sein müssen; aber
das so hohe Alter der Uberlebenden spricht dafür, daß
sie aus einer noch widerstandsfähigeren Zeit ihres
Volkes stammen. Diese starke Beteiligung hoher Alters-
klassen kann für den gesamten Organismus einer Be-
völkerung nicht ohne tiefe Folgen bleiben, denn wir
müssen bedenken, daß damit gleichzeitig die Zahl der
unproduktiven Individuen, unproduktiv sowohl für den
Nahrungsmittelerwerb als die Ergeugung von Nach-
kommenschast= im Verhältnis zu den produktiven stark
wächst. Daraus ergibt sich eine nicht zu unter-
#ende Mehrbelastung der Jüngeren mit Feld-,
Haus- und sonstiger Arbeit im Vergleich zu früheren
Zeiten. Da aber die Feldarbeit zum größten Teil
auf den Schultern der Frau- *W drückt auch diese
Mehrbelastung vornehmlich a
4. Ebenso brdenkungsvon wie die Verhältnis-
zahl der Kinder und Erwachsenen ist für die Beur-
teilung der Entwicklung eines Volkes die Zahl der
Geburten im Vergleich zu den Todesfällen,
als Ausdruck seiner Zu= oder Abnahme. Das rrü
bisber zahlenmäßig genau abgeschlossene Jahr ergab
8 Geburten bei 389 Todesfällen. Soweit sich über-
14%% läßt, ist bis Ende 1913 keine wesentliche Ver-
schiebung zum Bessern eingetreten. Bei diesen beiden
Zahlen ist sowohl die der Sterbefälle außergewöhnlich
hoch als die der Geburten abnorm tief. Berechnen
wir beide auf 1000 der Gesamtbevölkerung, so würden
darauf im Jahre 62 Todesfälle gekommen sein gegen
durchschnittlich 25 in Deutschland, und 25 Geburten
gegenüber 30 bis 45 in den verschiedenen europäischen
Ländern. In ganz überraschendem Gegensatz zu dieser
hohen allgemeinen Sterblichkeit und niedrigen Geburten-
ziffer steht eine so tiefe Kindersterblichkeit im ersten
Lebensjahr, wie sie selbst unter Kulturvöllern bisher
nur ausnahmsweise erreicht worden ist. Sie beträgt
v. H. der Geborenen, gegenüber 19 v. H. vergleichs-
weise in Preußen. Nun hat sich zwar überall das
Gesetz ergeben, daß durchschnittlich die geringsie Kinder-
sterblichkeit dort zu finden ist, wo die niedrigsten
Geburtenzissern sind, indem die wenigen Kinder und
die geringe Beanspruchung der weiblichen Gebärkraft
eine sorgfältigere Pflege ermöglichen, während ander-
seits starke Kindersterblichkeit zu erhöhter Produktion
führt; aber wir werden noch sehen, daß auch der Jap-
mutter ein gut Teil persönliches Verdienst an diesem
günftigen Ergebnis zugeschrieben werden muß.
5. Wollen wir den Ausdruck der natürlichen
Fruchtbarkeit eines Volkes haben, so müssen wir
die Kinderzahlen ins Verhältnis zur Zahl der Frauen
1en. Die von mir befragten 631 Frauen hatten im
ganzen 996 Kinder geboren, also jede im Durchschnitt
1,6. Nehmen wir nur die an der Gebärgrenze An-
gelangten, so hatten 306 von ihnen 591 Kinder zur
Welt gebracht: ihre durchschnittliche Fruchtbarkeit betrug
demnach 1,9 Kinder. Diese niedrige Zahl kann auf
zwei Rerschiedene Arten zusiande kommen; erstens
dadurch, daß ein verhältnismäßig großer Teil der
Frauen überhaupt kinderlos bleibt, also steril ist, und
zweitens so, daß sich die geringe Geburtenzahl auf
alle Frauen ungefähr gleichmäßig verteilt. Welche von
beiden Arten liegt für Jap vor' Auch hier kam bei
meinen Nachforschungen ein überraschendes Ergebnis
an den Tag. Ich hatte aus mehrfachen Schilderungen
von anderer Seite den Berdacht geschöpft, daß viele
Japfrauen steril seien; hat doch sogar ein Beobachter
der Insel die Behauptung ausgesprochen, daß drei
Viertel aller Ehen kinderlos seien. Ich nahm nun
zwar nicht die einzelnen Ehen zum Ausgangspunkt
der Erkundigungen, sondern die einzelnen Franen.
Aber dabei ergab sich, daß von 498, die über 30 Jahre
—
—
alt waren, so daß man mit einiger Berechtigung an-
nehmen darf, sie werden auch weiterhin kinderlos
bleiben, nur 55 — . H. nicht geboren hatten.
Unter den 133 jüngeren Frauen wwarenl freilich weitere
eburtenlos: namentlich gehörte bis zum Alter von
3 Jahren ein Kind trotz mehrjähriger Ehe zu den
Ausnahmen. Aber diese Altersklassen können wir in
ihrer Gesamtheit nicht als steril bezeichnen, denn viele
von ihnen werden später sicher noch gebären, da die
Japfrau den Eintritt der Mutterschaft durch Frucht-
abtreibung während der Jugendjahre hinauszuschieben
pflegt. Also die Zahl steriler Franen ist gering. Be-
denklich hoch aber ist die Zahl derer, die nur ein
einziges Kind zur Welt brachten, d. h. der nach dem
ersten Kinde steril werdenden Frauer Von
den jenseits des hmatterihne, stehenden zoe Frauen
hatten, abgesehen von den völlig geburtenlosen, noch
weitere 102 nur ein eingiges Kind geboren, sei es, daß
sie aus Schen vor den Beschwerden einer neuen
Schwangerschaft diese freiwillig unterbrachen, sei es.
daß sie unfreiwillig vor ihr bewahrt blieben, wobei
wir als Ursache vor allem an die Gonorrhoe mit ihren
Konplikalinner zu denken haben.
6. Bevölkerung nach dem Familienstand.
Berücksichtigen wir hierbei die Beziehungen der Er-
wachsenen zur Ehe, so ergeben sich die Möglichkeiten
des Ledig-. it und Geschiedenseins:
für die Kinder neben der Zugehörigkeit zu ihren Eltern
das Verwaistsein und die Adoption.
Auf Jav besteht nur ganz ausnahmsweise Poln-
gamie; aber die Ehe hat die Form der temporären
Monogamie angenommen, womit ausgedrückt sein soll.
daß zwar immer nur eine F
Frau auf einmal in ehe-
licher Gemeinschaft mit dem Manne lebt, daß diese
aber oft und leicht gelöst wird, um einer neuen Plat
zu machen. Unter allen von mir befragten Frauen
waren wohl einige, die gerade nicht verheiratei waren,
aber nur eine einzige, die überhaupt noch keinen Mann
bekommen hatte. Die Gründe dieses Unverheirater=
gebliebenseins konnte ich nicht herausfragen. Sie
schienen mir aber mit irgendwelchen sorgfältig geheim
gehaltenen, religiösen Vorstellungen verknüpft. Jeden-
falls war die Ehelosigkeit bei ihr nicht gleichbedeutend
mit Verzicht auf Geschlechtsverkehr; denn sie hatte
zwei Kinder. Männer habe ich vier gefunden, die nie
verheiratet gewesen waren; aber es war ihnen stets
peinlich, mir dieses Geständnis abzulegen, und ce
wurde stets von einem schadenfrohen Lächeln der übrigen
begleitet. Körperliche Unansehnlichkeit schien mir hier
genügend die umfreiwillige Ehelosigkeit zu erklären.
Die Zahl der unverheiratet bleibenden Männer ist
Lrößer als es zunächst scheint. Diese ziehen es, da
Junggesellentum nicht für ehrenvoll gilt, vor, sich als
Arbeiter zum Dienste außer Landes anwerben zu lassen.
wobei der Wunsch und dic Vorstellung mitsprechen mag,
sich dadurch so viel materielle Schäte und Ansehen zu
erwerben, daß sie nach ihrer Rückkehr mehr Glück bei
der Weiblichkeit haben. Witwentum wird sowohl bei
Frauen wie Männern möglichst bald durch eine neue
Ehe beseitigt, solange sie noch im geschlechtsfähigen
Alter stehen. Infolge der übergroßen Leichtigkeit der
Ebescheidung gibt es nur wenig ältere Männer und
Frauen, die nicht mehrmals in ihrem Leben verheiratet
gewesen wären, und es war oft seltsam anzusehen.
wenn der nach der Zahl seiner Ehen Befragte aufing.
sie an den Fingern zu zählen und bisweilen nicht recht
wußte, ob er eine kurge Gemeinschaft vergangener
Zeiten als Ehe gelten lassen sollte oder nicht. Mehrere
hatten es bis auf zehn gebracht. Zweifellos ist aber
diese Erscheinung der kurzfristigen Ehen unter den
jüngeren Generationen in der Zunahme begriffen. Die