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Mit Recht erwarten unsere moralisch und
physisch mißhandelten Landsleute in
Afrika für dieses Verhalten der Feinde
eine besondere Sühnel
Nach den bisherigen Nachrichten sind folgende
Beamte gefangen weggeführt worden: Zoll-
direktor Bötefür, Assessor Dr. Dir, Sekretär
Mülling, Sekretär Eckelt, Zollassistent Alt-
mann, Bureauassistent Siegert, Materialien-
verwalter Fuchs, Werkmeister Weber (Gou-
vernement), sämtlich mit ihren Ehefrauen; weiter
Assessor Dr. Böttcher, Hafenmeister Klein, Re-
gierungsbaumeister Pick, die Post= und Tele-
graphenbeamten Notnagel, Beetz, Blaeser.
Die Gefangenen wurden zum Teil auf den
Dampfer „Locodja“ gebracht und auf diesem nach
Lagos weitergeführt, wo sie am 1. Oktober aus-
geschifft wurden. Hier wurden zunächst die Ver-
heirateten in kaum fertige, noch feuchte Gelb-
fieberbaracken, die Junggesellen auf ein altes
Schiff gebracht. Auf energische Vorstellungen
wegen der ungesunden Unterkunft wurde dann
aber den verheirateten und einigen anderen Ge-
fangenen gestattet, in Häuser deutscher Firmen
in der Stadt überzusiedeln.
Die Mehrzahl wurde indessen nach Jbadan
in Südnigerien gebracht. UÜber Unterkunft, Ver-
pflegung und Behandlung daselbst wird von in-
zwischen Freigelassenen lebhaft geklagt; so wurden
z. B. zur Beschaffung und Zubereitung der Ver-
pflegung für die Deutschen schwarze Straf-
gefangene (in Sträflingskleidung) herangezogen!
Immerhin sollen die Verhältnisse in Jbadan im
ganzen weit erträglicher gewesen sein als später
auf dem Transportschiff „Obnasi“.
Am 20. Oktober nachmittags erfolgte in
Lagos die Einschiffung der Gefangenen auf die
„Obuasi“. Die über die Verhältnisse auf dem
Schiff hier vernommenen Frauen erzählten,
daß die Behandlung der Männer unangemessen,
zum Teil empörend gewesen sei, die Verpflegung
ungenügend, oft unreinlich und minderwertig.
Im besonderen aber sei die Unterbringung der
Männer im hchsten Grade gesundheitsschädlich
gewesen. Die Männer hätten in den Laderäumen
des Schiffes auf Holzgestellen, immer vier Per-
sonen übereinander, die Nacht zubringen müssen.
Wenn das Zusammenlegen von Hunderten von
Weißen in solche Räume — wobei die Abort-
verhältnisse die denkbar primitivsten und schlech-
testen gewesen sein sollen — unter Bewachung
schwarzer Soldaten dem Rassegefühl, aber auch
der Stellung und Lebenshaltung vieler, die dort
hätten hausen müssen, gerade zu ins Gesicht ge-
schlagen habe, so sei auch eine Fahrt unter solchen
Verhältussen, zuerst durch die Tropenhitze und
nachher durch den kalten Norden, vor allem für die
Gesundheit höchst gefährlich gewesen. So hätten
denn auch die Männer, von denen unterwegs
einer am Hitzschlag gestorben, ein anderer am
Typhus krank geworden sei, unter diesen Ver-
hältnissen ganz besonders gelitten. Denn sie seien
schon durch die Strapazen, die sie bei ihrem
längeren Aufenthalt in dem Kameruner Tropen-
klima und nachher in der Gefangenschaft in Ni-
gerien durchgemacht hätten, in ihrer Gesundheit
heruntergekommen gewesen. Dazu seien bei
weitem nicht alle mit den für die Witterungs-
wechsel erforderlichen Bekleidungsstücken, zum Teil
sogar nur mit Tropenkleidern ausgerüstet, auch
nicht mit Chinin versehen gewesen. In einem
geschwächten und zum Teil kranken Zustand seien
die Männer in die Konzentrationslager nach Eng-
land gebracht worden — ohne Geldmittel, die
wie ihnen auch den Frauen bis auf geringe
Beträge ohne Quittung weggenommen worden sind.
Über Trinkwasser= und Reinlichkeitsverhältnisse
wurde seitens der Betroffenen besonders geklagt.
Die Angaben sämtlicher Frauen stimmen darin
überein, daß bei einem großen Teil der Männer
die Art und Gleichmäßigkeit der Nahrung, die
auch zeitweise mangelhaft und ungenügend gewesen
sei, auf die Dauer von zwei Monaten Gefangen-
schaft zur Unterernährung führte und die Ver-
dauungsorgane in einen krankhaften Zustand
versetzte.
Soweit Kranke mit dem Transport ankamen,
sind sie in England in Krankenhäuser gebracht
worden.
Ein jetzt in England in Gefangenschaft lebender
Missionar von der Baptistenmission in Duala
gibt in seiner Schilderung der Erlebnisse u. a.
folgendes an:
„Duala bietet ein Bild des Schreckens. Alle
Geschäfte, auch die der Baseler, sind geplün-
dert und ausgeraubt, auch unsere Gebäude am
Strande, der Schaden ist groß. Alles mußten
wir zurücklassen. Alle Angehörigen der Mission
deutscher Staatsangehörigkeit wurden gefangen
nach England gebracht. Es fehlt an allem. Wir
haben keine Unterkleidung, nur Tropenanzug und
Helm; kein Geld, um etwas kaufen zu können,
auch dies nahmen sie uns ab. Vor allem aber
die niedrige Behandlung durch schwarzes
Militär und das unzulängliche Essen! So
machen es die missionsfreundlichen Eng-
länder.“"
Die Reichsregierung hat sofort auf Grund
des vorliegenden umfangreichen Materials die
erforderlichen Schritte getan, um den nach Eng-
land übergeführten Deutschen die nötige Fürsorge
zu verschaffen.