Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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Mit Recht erwarten unsere moralisch und 
physisch mißhandelten Landsleute in 
Afrika für dieses Verhalten der Feinde 
eine besondere Sühnel 
Nach den bisherigen Nachrichten sind folgende 
Beamte gefangen weggeführt worden: Zoll- 
direktor Bötefür, Assessor Dr. Dir, Sekretär 
Mülling, Sekretär Eckelt, Zollassistent Alt- 
mann, Bureauassistent Siegert, Materialien- 
verwalter Fuchs, Werkmeister Weber (Gou- 
vernement), sämtlich mit ihren Ehefrauen; weiter 
Assessor Dr. Böttcher, Hafenmeister Klein, Re- 
gierungsbaumeister Pick, die Post= und Tele- 
graphenbeamten Notnagel, Beetz, Blaeser. 
Die Gefangenen wurden zum Teil auf den 
Dampfer „Locodja“ gebracht und auf diesem nach 
Lagos weitergeführt, wo sie am 1. Oktober aus- 
geschifft wurden. Hier wurden zunächst die Ver- 
heirateten in kaum fertige, noch feuchte Gelb- 
fieberbaracken, die Junggesellen auf ein altes 
Schiff gebracht. Auf energische Vorstellungen 
wegen der ungesunden Unterkunft wurde dann 
aber den verheirateten und einigen anderen Ge- 
fangenen gestattet, in Häuser deutscher Firmen 
in der Stadt überzusiedeln. 
Die Mehrzahl wurde indessen nach Jbadan 
in Südnigerien gebracht. UÜber Unterkunft, Ver- 
pflegung und Behandlung daselbst wird von in- 
zwischen Freigelassenen lebhaft geklagt; so wurden 
z. B. zur Beschaffung und Zubereitung der Ver- 
pflegung für die Deutschen schwarze Straf- 
gefangene (in Sträflingskleidung) herangezogen! 
Immerhin sollen die Verhältnisse in Jbadan im 
ganzen weit erträglicher gewesen sein als später 
auf dem Transportschiff „Obnasi“. 
Am 20. Oktober nachmittags erfolgte in 
Lagos die Einschiffung der Gefangenen auf die 
„Obuasi“. Die über die Verhältnisse auf dem 
Schiff hier vernommenen Frauen erzählten, 
daß die Behandlung der Männer unangemessen, 
zum Teil empörend gewesen sei, die Verpflegung 
ungenügend, oft unreinlich und minderwertig. 
Im besonderen aber sei die Unterbringung der 
Männer im hchsten Grade gesundheitsschädlich 
gewesen. Die Männer hätten in den Laderäumen 
des Schiffes auf Holzgestellen, immer vier Per- 
sonen übereinander, die Nacht zubringen müssen. 
Wenn das Zusammenlegen von Hunderten von 
Weißen in solche Räume — wobei die Abort- 
verhältnisse die denkbar primitivsten und schlech- 
testen gewesen sein sollen — unter Bewachung 
schwarzer Soldaten dem Rassegefühl, aber auch 
der Stellung und Lebenshaltung vieler, die dort 
hätten hausen müssen, gerade zu ins Gesicht ge- 
schlagen habe, so sei auch eine Fahrt unter solchen 
Verhältussen, zuerst durch die Tropenhitze und 
  
nachher durch den kalten Norden, vor allem für die 
Gesundheit höchst gefährlich gewesen. So hätten 
denn auch die Männer, von denen unterwegs 
einer am Hitzschlag gestorben, ein anderer am 
Typhus krank geworden sei, unter diesen Ver- 
hältnissen ganz besonders gelitten. Denn sie seien 
schon durch die Strapazen, die sie bei ihrem 
längeren Aufenthalt in dem Kameruner Tropen- 
klima und nachher in der Gefangenschaft in Ni- 
gerien durchgemacht hätten, in ihrer Gesundheit 
heruntergekommen gewesen. Dazu seien bei 
weitem nicht alle mit den für die Witterungs- 
wechsel erforderlichen Bekleidungsstücken, zum Teil 
sogar nur mit Tropenkleidern ausgerüstet, auch 
nicht mit Chinin versehen gewesen. In einem 
geschwächten und zum Teil kranken Zustand seien 
die Männer in die Konzentrationslager nach Eng- 
land gebracht worden — ohne Geldmittel, die 
wie ihnen auch den Frauen bis auf geringe 
Beträge ohne Quittung weggenommen worden sind. 
Über Trinkwasser= und Reinlichkeitsverhältnisse 
wurde seitens der Betroffenen besonders geklagt. 
Die Angaben sämtlicher Frauen stimmen darin 
überein, daß bei einem großen Teil der Männer 
die Art und Gleichmäßigkeit der Nahrung, die 
auch zeitweise mangelhaft und ungenügend gewesen 
sei, auf die Dauer von zwei Monaten Gefangen- 
schaft zur Unterernährung führte und die Ver- 
dauungsorgane in einen krankhaften Zustand 
versetzte. 
Soweit Kranke mit dem Transport ankamen, 
sind sie in England in Krankenhäuser gebracht 
worden. 
Ein jetzt in England in Gefangenschaft lebender 
Missionar von der Baptistenmission in Duala 
gibt in seiner Schilderung der Erlebnisse u. a. 
folgendes an: 
„Duala bietet ein Bild des Schreckens. Alle 
Geschäfte, auch die der Baseler, sind geplün- 
dert und ausgeraubt, auch unsere Gebäude am 
Strande, der Schaden ist groß. Alles mußten 
wir zurücklassen. Alle Angehörigen der Mission 
deutscher Staatsangehörigkeit wurden gefangen 
nach England gebracht. Es fehlt an allem. Wir 
haben keine Unterkleidung, nur Tropenanzug und 
Helm; kein Geld, um etwas kaufen zu können, 
auch dies nahmen sie uns ab. Vor allem aber 
die niedrige Behandlung durch schwarzes 
Militär und das unzulängliche Essen! So 
machen es die missionsfreundlichen Eng- 
länder.“" 
Die Reichsregierung hat sofort auf Grund 
des vorliegenden umfangreichen Materials die 
erforderlichen Schritte getan, um den nach Eng- 
land übergeführten Deutschen die nötige Fürsorge 
zu verschaffen.
	        
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