Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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als Geschenk für gute Anlieserungen. Die Arbeiter 
auf den Faktoreien haben neben ihrer Ration 
6 Fr. monatlich. Sehr teuer kommt der Ge- 
sellschaft der Transport ihres Kautschuks zu 
stehen, wenigstens für den ganzen Südosten der 
Konzession. Hier hat sie die Beförderung der 
Missionsstation in Hemptinne St. Benoit über- 
tragen und vergütet dieser ihre Auslagen in so 
reichlicher Weise, daß dadurch in Wirklichkeit der 
Mission eine jährliche Unterstützung von mehreren 
Zehntausenden von Franken gewährt wird. 
Das ganze Kautschukkaufgeschäft leidet an 
einem Grundübel: der Kreditgewährung an die 
Eingeborenen. Der Capita kommt mit den 
Waren des Weißen in die Dörfer, zeigt seine 
Stoffe und sein Salz. Der Eingeborene, der die 
Menge des vom Capita dafür geforderten 
Kautschuks nicht übersieht und sich damit abfindet, 
daß er ja noch eine lange Frist vor sich hat, 
nimmt die Waren und geht ohne wirkliches Ver- 
ständnis die Verpflichtung ein, binnen 6 oder 
12 Monaten die erforderlichen Kilogramm 
Kautschuk zu liefern. Nach Ablauf dieser Frist 
kommt der Capita zurück und verlangt den ge- 
schuldeten Kautschuk. In den seltensten Fällen 
hat der Eingeborene die gesamte Menge bereit. 
Der Capita veranlaßt nun den Eingeborenen 
unter Drohung mit dem Staat — daß er die 
Kinder und Ziegen des Eingeborenen wegnimmt, 
bis die Schuld bezahlt ist, ist wohl jetzt nicht 
mehr möglich —, die Schuld zu begleichen. Sind 
seine Mahnungen vergebens — und die lang- 
wierigen richterlichen Untersuchungen in den Ge- 
bieten beweisen, daß die Eingeborenen recht 
häufig diese Mahnungen als zu weitgehend 
empfanden —, so ruft die Firma die Hilfe des 
Staates an. Dieser läßt den säumigen Schuldner 
verhaften. Ein solcher Fall gibt dann den An- 
gestellten der Firma ausreichenden Grund, unter 
HOinweis auf das Beispiel die schleunige Bezahlung 
der Schulden überall zu verlangen. Die Folge 
ist, daß, wenn man jene Gegenden passiert, man 
in den Dörfern nur die Frauen findet. Die 
Männer sind sort im Wald zum Kautschukmachen, 
oder sie sind bei Annäherung des Weißen sofort 
entflohen, und Furcht und Haß sind die Emp- 
findungen, die die Eingeborenen gegen den 
Weißen hegen. 
Die Höhe der ausstehenden Kredite läßt sich 
für den Kasaibezirk nach der Anzahl der vor- 
handenen Faktoreien schätzen. Rechnet man 
heute noch auf jede der 28 zur Zeit noch im 
Bezirk vorhandenen Faktoreien der C. K. im 
Durchschnitt eine Monatsproduktion von 3 t und 
nimmt nur die Ausbeute für 3 Monate als auf 
Außenstände eingehend an, so erhält man 
63 000 Fr. als Gesamtkredit, und das ist 
  
sicher noch sehr vorsichtig gerechnet. Die übrigen 
Firmen sind in einer ähnlichen Lage. Diese 
Geschäftsgebarung ist für die Kaufleute natürlich 
sehr riskant, zumal die Capitas nicht gerade besser 
geworden sind und die Neigung der Eingeborenen 
zur Kautschukbereitung mit den niedrigeren 
Preisen abgenommen hat. Sie ist für die Ein- 
geborenen ein Verderb und das Hindernis für 
irgendeinen geordneten Erwerbssinn. Es mag 
dabei ganz dahingestellt bleiben, ob die C. K. 
dies System bereits bei den Gesellschaften, aus 
denen sie hervorgegangen ist, vorgefunden hat 
und ob es gerade durch ihre Konkurrenten be- 
sonders begünstigt worden ist. Eine Gesundung 
der Verhältnisse wird jedenfalls erst dann ein- 
treten, wenn die Regierung sich entschließt, die 
ausstehenden Kautschukkredite als nicht beitreibbar 
zu erklären. Es ist möglich, daß eine derartige 
Verordnung zunächst noch einen weiteren Rück- 
gang der Produktion zur Folge hätte. Aber 
nur so ist für später eine Besserung zu erwarten. 
Einsichtige Angestellte der C. K. und der sonstigen 
Firmen sehen das selbst ein, halten aber ein 
Vorgehen einer einzelnen Firma für undurch- 
führbar, und darin mag ihnen beigepflichtet 
werden. Für die Regierung hätte eine Unter- 
bindung des Kreditsystems den Vorteil, daß sich 
alsdann der Bargeldumlauf viel leichter einführen 
und damit auch die Steuereinziehung in größerem 
Maße ermöglichen ließe. Wenn die Kaufleute 
angeblich bis heute aus der Steuerpolitik der 
Regierung keinen Vorteil hinsichtlich der an- 
gebrachten Menge Kautschuk gehabt haben, so 
liegt das eben daran, daß die Eingeborenen 
durch das Kreditsystem bereits vor der Ankunft 
des Steuereinnehmers engagiert waren. 
Die beiden andern hauptsächlich gegen die 
C. K. gerichteten Vorwürfe: sie bezahle statt in 
Geld noch immer in Waren und habe keine 
andern Kulturen bei den Eingeborenen eingeführt, 
trifft mehr, wie bereits dargelegt, die jetzige 
Steuerpolitik der Regierung und deren früheres 
Verwaltungssystem. Sache der Regierung, nicht 
einer einzelnen Firma wäre es gewesen, Kultur- 
versuche anzustellen. 
Verkehrswege und Verkehrsmittel des 
Bezirks. 
Der Bezirk ist mit dem Weltverkehrsnetz durch 
die Wasserstraße des Kasai mit seinem Nebenfluß 
Lulua verbunden. Ein= und Ausfuhr des Bezirks 
nehmen, wenn man von dem Grenzverkehr mit 
Angola absieht, ihren Weg über Matadi— Kin- 
shasa—Basongo —Luebo oder Djoko-Punda und 
sind demgemäß mit den hohen Tarifen der Kongo-
	        
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