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Kus den Krchiven des belgischen Kolonialministeriums.
Dorwort.
Die im nachstehenden zum Abdruck gelangende Denkschrift entstammt den politischen Akten
des belgischen Kolonialministeriums, wo sie unter France-Divers 62, 2—1, registriert ist. Sie beleuchtet
mit aller wünschenswerten Deutlichkeit das oft mehr als gespannte Verhältnis, das zwischen Frankreich
und dem Kongostaat von den ersten Stunden seiner Entstehung bis zum Jahre 1892 herrschte. Sie
führt in allen Einzelheiten die Vergewaltigungen, die Vertragsbrüche und die Verleugnungen früher
eingegangener feierlicher Verpflichtungen auf, mit denen die Regierung der französischen Republik gegen
den Kongostaat in diesen acht Jahren vorgegangen ist. Die in ihr enthaltene lange Liste berechtigter
Klagen hätte noch vervollständigt werden können, wenn diese Aufzeichnung bis zum Jahre 1894
gediehen wäre. Damals war es wiederum Frankreich, das unter dem Vorgeben, es müsse die zum
Schutz der Integrität Agyptens und der Türkei geschlossenen Verträge hüten, den am 12. Mai 1894
zwischen England und dem Kongostaat vereinbarten Pachtvertrag über die Bahr el Ghazal-Provinzen
am Nil im August 1894 zu Falle brachte, nachdem England den König im Stich gelassen hatte.
Wenige Jahre später, 1898, existierten für die französische Diplomatie diese internationalen Verträge
freilich nicht mehr, als sie den allerdings ergebnislos gebliebenen Versuch machte, durch die bekannte
Marchand-Expedition nach Faschoda die Nilprovinzen für Frankreich zu erwerben!
Diese Denkschrift liefert somit auf der einen Seite einen bemerkenswerten Beleg dafür, wie
das von der französischen und von der von Paris abhängigen belgischen Presse vor und nach dem
Ausbruch des Weltkrieges so viel gefeierte freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden benachbarten,
angeblich so eng verwandten Nationen in Wahrheit gestaltet war. Anderseits bietet sie ein vorzüg-
liches Gegenstück zu der seit dem Kriegsbeginn so oft aufgestellten und verbreiteten gegnerischen
Behauptung, daß Deutschland eine beständige Bedrohung für die Kolonien der kleinen Staaten
gebildet habe.
Zwischen Deutschland und dem Kongostaat sind von 1885 bis 1914 politische Differenzen
sast ausschließlich nur aus dem Grunde entstanden, daß der Kongostaat in fortgesetzter Verletzung
der Bestimmungen der Berliner Kongoakte alles tat, um seine Ostgrenze in bezug auf die Ausfuhr
von Elfenbein und Kautschuk hermetisch zu sperren, die Händler aus Deutsch-Ostafrika auch bei der
legitimsten Ausübung ihres Gewerbes hinderte, sie berauben, mißhandeln und sogar töten ließ.
Die Akten des belgischen Kolonialministeriums haben jetzt sogar ergeben, daß Fälle von schwersten,
mit dem Tode der Betreffenden endenden Mißhandlungen oder der gewaltsamen Zurückhaltung
farbiger deutscher Untertanen aus Ostafrika im Kongostaat vorgekommen sind, von denen das
deutsche Gouvernement in Daressalam überhaupt gar nichts erfahren hat.
Wie wenig es dem Kongostaat trotz aller oft wiederholten Versprechungen, diesen berechtigten
deutschen Beschwerden abzuhelfen, darum zu tun war, wirklich eine Remedur zu schaffen, ergibt sich
aus einem Brüsseler Dossier (5—21) über die Beschwerden des deutschen Kaufmanns Hoffmann:
No. 63/236. M’Towa, le 13 avril 1897.
Monsieur le Commissaire de district
.......... JeckoisdevojrajouterqueMr.Hokkmannactuellementau
Kivu, se propose de faire un voyage à M'Pueto et d'exploiter ensuite le eaoutehoue dans
la zône. Ce Mr. est très remuant, mais je verrai à le géner dans ses entreprises,
sans qu'il trouve le droit de se plaindre.
Le Commandant de la zöne
(s.) Debergh.
Der einzige Grenzstreit, den Deutschland mit dem Kongostaat gehabt hat, betraf das Gebiet
in der Nachbarschaft des Kiwn-Sees. Über die letzten Ursachen dieser Differenz, die im vollen
Einvernehmen mit England geregelt wurde, wird eine demnächst zu gebende aktenmäßige Darstellung
das noch erforderliche Licht verbreiten.
Die nachstehenden wie die später folgenden Veröffentlichungen aus den belgischen Archiven
werden dartun, daß man im gegnerischen Lager allen Grund und allen Anlaß hätte, mit Anwürfen
gegen Deutschland wegen seiner angeblichen Raubpläne in Afrika etwas vorsichtiger zu sein.
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