Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

G 85 
schien auch zu wirlen. Einige Minuten vor 7 Uhr 
stellte unsere Batterie dann das Feuer ein. Myburgs 
Kolonnen waren in diesem Angenblick noch etwa 
5 km von Tsumeb entfernt. Der Ort war vor Be- 
ginn der Waffenruhe nicht besetzt worden! Man 
glaubte in Tsumeb, es sei alles in bester Ordnung. 
Statt dessen aber preschten plötzlich gegen 9 Uhr 
Myburgs Reiter in den Ort. Des Waffenstillstands 
wegen fiel bei uns kein Schuß; Gewehr bei Fuß, 
das blanke Bajonett aufgepflanzt standen unsere 
Posten rund um das Lager der 800 britischen Ge- 
fangenen, die mit Gebrüll ihre Kameraden begrüßten. 
Drohend war der Augenblick. Der Feind war un- 
gehenerlich in der Uberzahl. Daun begannen Ver- 
handlungen in Tsumeb mit General Myburg. Das 
Ende? Herr Botha — wer die Macht hat, hat das 
Recht — entscheidet, Myburg habe Tisumeb zu Recht, 
trotz des Waffenstillstandes besetzt, weil Major Wehle 
habe schießen lassen, während sein Parlamentär 
unterwegs war, um zu verhandeln. Man machte 
sogar erst den Versuch, uns auns der: Zeitdifferenz 
zwischen deutschen und britischen Uhren einen Strick 
zu drehen. Nach britischen Zeit, die etwa 
50 Minnten der unseren astronomisch richtigen Zeit 
voraus war, hatte Major Wehle allerdings nach 
7 Uhr das Feuer begonnen, Myburg aber nicht etwa 
um 7 Uhr seine Bedrohung Tsumebs eingestellt. 
Da aber nicht abgemacht worden war, daß britische 
Zeit für den Beginn der Waffenruhe maßgebend sei, 
war mit dieser zuerst vorgebrachten faulen Ausrede 
für die Besetzung Tsumebs nicht zu operieren, und 
man suchte und fand den andern Grund. 
Sehr übler Natur aber waren für nus die 
Folgen dieser Nichtbeachtung des Waffenstillstandes 
durch den Gegner. Zwar hatte man unserseits vor- 
sichtig die Bestände des Artilleriedepots an allerlei 
älteren Geschützen und auch die bei Sandfontein er- 
beuteten britischen Kanonen in den Otsikoto-See 
versenkt, da, wo er am tiessten ist, und die erbentete 
Munition in tagelanger Arbeit vernichtet. Das 
Bekleidungsdepot aber, das Proviantmagagin und 
andere Bestände des Artilleriedepoto fielen dem 
Feinde in die Hände, die Gesangenen waren befreit 
und auch in Namutoni, wo Brit sich ebenfalls nicht 
im geringsten an den Waffenstillstand kehrte, war 
roviant und Munition verloren gegangen. Das 
Schlimmste war natürlich, daß so der Truppe in 
Khorab nicht nur der Weg zum Entkommen verlegt, 
sndern auch der Proviant, bis auf den erwähnten 
Rest für 14 Tage, entrissen war. 
Zunächst tat Botha so, als ob er eine gerechte 
Untersuchung der Vorgänge in Tsumeb billige — 
worin an sich schon eine klare Anerkennung der Tat- 
sache liegt, daß der Waffenstillstand für Tsumeb und 
Namntoni ebensogut galt wie für Khorab! Auf 
den vom Kommando eingelegten Protest hin forderte 
er., daß der bei den Verhandlungen bisher beteiligte 
Generalstabsoffizier, Hauptmann Trainer, mit zwei 
der britischen Offiziere zur Untersuchung nach Tsumeb 
gehe. Doch in Tsumeb wurde Hauptmann Trainer 
mit allerlei Ausreden festgeh lien, so daß er dem 
Kommandeur nicht einmal für den Abschluß der Tra- 
ödie zur Verfügung stand. Am 7. erklärte nun 
Botha plötzlich, Pretoria sei mit den vereinbarten 
Bedingungen nicht einverstanden. Er forderte zu 
neuen Vorschlägen auf. Die ersten Verhandlungen 
hatten ihren Zweck erreicht. Er hatte Zeit gewonnen, 
um Tiumeb und Namutoni zu besetzen. und zwar 
ohne Verluste zu besetzen, und er hatte gesehen, daß 
die Truppe nicht 6000 Mann stark sei, wie er bisher 
angenommen hatte, sondern nur insgesamt 3400. 
  
Die militärische Lage war für die Schutztruppe jetzt 
natürlich ganz hoffnungslos. Man wußte. mummehr 
einfach annehmen, was zu erreichen war, und 
kam es denn nach ernenkem s ichlzedlich 
zu nachstehenden Abmachungen 
1. Dic aktive Truppe und die Polizeibeamten 
sollten an einem noch zu bestimmenden Platz unter 
drei Offizieren konzentriert werden. ie Truppe 
behielt ihre Gewehre, mußte aber Mitlon und die 
Geschünze abgeben 
. Die Neservisten, Landwehr= und Landsturm- 
leute sollten sämtlich nach Hause entlassen werden 
und ihrem bürgerlichen Beruf nachgehen können. 
3. Alle O Offiziere sollten „auf Parole' entlassen 
werden; soweit sie die Abgabe der Parole aus 
irgendeinem Grunde verweigerten, sollten sie in 
Okanjande interniert werden. 
4. Alle Offiziere behielten Waffen und Munition. 
die auf Parole entlassenen ihre Pferde und ein 
Manltier. 
Wenn auch eine ehrenvolle Anerkennung darin 
liegt, daß die aktive Truppe die Gewehre behielt, 
Obfigiere sogar Gewehre, Munition und Pferde, nahe 
ging allen besonders der Verlust der Geschütze. Über 
dieses Gefühl konnte den aktiven Truppen, was auch 
der Gonverneur selbst anerkannte, nur das Bewußt- 
sein hinweghelfen, daß die Kapitulation ein Opfer 
im Interesse der Erhaltung des Deutschtums sei, 
dem ihr soldatisches Empfinden und Ideal nachagu- 
stehen habe. Nur dieses Bewußtsein hat letzten Endes 
die Bedingungen der Ubergabe annehmbar gemacht. 
Was die blutigen Verluste auf unserer Seite 
angeht, so betrugen sie etwa 10 Prozent der Front- 
truppc. Sie sind verhältnismäßig gering, weil Botha, 
wic schon sein Grundsaß: „Überflügelung, Hinaus- 
marschieren des Feindes durch überlegene Kräfte" 
bewies, seinen Buren (aus politischen Gründen) 
schwere Verluste nicht zumuten wollte: dann aber 
auch, weil die durch die Verhälmisse uns ausgezwun- 
gene Taktik emscheidende Kämpfe nicht zuließ. Auch 
in Khorab wäre es wohl kaum zu einem blutigen 
Kampfe gekommen. JFedenfalls hätte uns Botha 
niemals dort angegriffen, sondern hätte abgewartel, 
bis und der Hunger zur Ubergabe zwang. Der 
Feind hatte ganz ohne Zweisel sowohl mehr blurige 
Verluste, wie auch unblutige an Gefangenen. Er 
veröffeutlichte zwar Zahlen, die nur wenig höher 
als unsere sind. Es wird sich aber nachweisen lassen, 
daß diese: zahlen falsch sind, anscheinend absichtlich 
falsch, um eine Beunruhigung der bothafeindlichen 
Buren zu vermeiden. Daß die Verluste des Feindes 
bei Gibeon über viermal so hoch waren, als er 
angab, wurde schon erwähnt. Ein anderes Beispiel: 
Botha behauptet, durch unsere Minen überhaupt 
keinen Mann verloren zu haben. Dabei befanden 
sich festgestelltermaßen in der Nähe der unter dem 
Feinde erplodierten deutschen Minen allein 38 Gräber, 
sicherlich nicht alles Einzelgräber. Man vermutet 
daß Botha die Namen solcher Gefallenen verschwieg. 
die in Südafrika keine Angehörigen besitzen, welche 
nach ihnen zu forschen vermöchten. 
Ein Offiziergefangenenlager wurde in Okan- 
jande, einem in der Nähe der Otavibahn westlich 
des Waterberges gelegenen Platz, eingerichtet. 
Die aktiven Mannschaften der Schutztruppe und 
der Landespolizei, insgesamt 1400 Mann, wurden 
nach Aus, an der Bahn Lüderitzbucht— Keetmans- 
hoop, im Süden des Schutzgebiets überführt und 
in einem dort errichteten Lager untergebracht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.