Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

Lebenssicherung des deutschen Volkes, weitgehende 
Vorbereitungen getroffen hatten, um auf dem 
Wege friedlicher Verständigung und Vereinbarung 
eine unseren dringendsten kolonialen Bedürfnissen 
entsprechende Ausgestaltung unseres überseeischen 
Besitzes zu erlangen. Das erklärte Ziel der eng- 
lischen Regierung ist heute, dem deutschen Volke 
sein Recht auf friedliche Entwicklung zu ver- 
kümmern. England beabsichtigt, Deutschlands 
Kolonien zu annektieren. Bisher hatte England 
gezögert, sich auf diesem Punkte festzulegen. Viel- 
leicht mit Rücksicht auf Amerika, wo man es für 
nötig hielt, zur Erleichterung der englischen Pro- 
paganda die absolute Uneigennützigkeit der eng- 
lischen Kriegsziele zu betonen. Jetzt scheinen 
diese Bedenken geschwunden zu sein. Wir haben 
nunmehr die nötige Klarheit über die Ziele der 
englischen Regierung erhalten. Ich wende mich 
zunächst zu der Rede von Lord Robert Ceril, 
die er am 16. im Unterhause gehalten hat, als 
er dazu aufgefordert wurde, sich zum Programm 
der russischen Regierung „Friede ohne Annexion“ 
zu äußern: Ich muß Ihre Nachsicht anrufen, 
wenn ich Sie, meine Herren, mit Zitaten auf- 
halte, aber die englischen Absichten auf unsere 
Kolonien treten mit einer so seltsamen Begründung 
auf, enthalten so viele Schmähungen gegen die 
Kolonialpolitik des Deutschen Reiches und gegen 
unsere tapferen Kolonialtruppen, daß ich es für 
meine Pflicht halte, hier die Antwort darauf zu 
geben. Lord Nobert Cecil sagte wörtlich: 
„Wir haben fortdauernd erklärt, daß wir in 
diesen Krieg eingetreten sind ohne einen Plaun „im- 
perialistischer Eroberung und Vergrößerung“. Ein 
solcher Plan bestand im Geiste keines britischen 
Bürgers (Beifall) — und ich glaube nicht, daß im 
letzten Stadium des Krieges irgendwer etwas Der- 
artiges wünscht . . . .“ 
Meine sehr verehrten Herren, die Botschaft 
höre ich wohl, aber, glauben Sie, daß es einen 
englischen Imperialisten gibt, der nicht z. B. die 
Lostrennung Arabiens, Syriens und Palästinas 
vom türkischen Reiche wünschte? Das weiß Lord 
Robert Cecil ganz genau, und da er Imperialist 
und Engländer ist, wünscht er es auch! Wie soll 
dieser Wunsch aber in Einklang gebracht werden 
mit der Erklärung, daß England in diesen Krieg 
eingetreten ist ohne den Plan imperialistischer 
  
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Eroberung und Vergrößerung? Wie soll und 
kann der Wunsch nach Annexion dieser großen 
türkischen Provinzen und nach Annexionen über- 
haupt erfüllt werden angesichts der Proklamation 
des verbündeten Rußlands „Keine Annexion“? 
Nichts leichter als dies! Hören Sie Lord Robert 
Cecil selbst: 
R. „Nehmen Sie Arabien. 
Unabhängigkeit von der Türkei erklärt. Ich weiß 
nicht, ob das auf eine Gebietsannexion heraus- 
kommen würde. (Zuruf: Das ist Unabhängigkeit.) 
Kein Mensch würde vorschlagen, daß wir unsere 
Macht des Einflusses anwenden sollten, um Arabien 
wieder unter die türkische Herrschaft zu bringen. 
Nehmen Sie Armenien. Ich weiß nicht, ob man 
sich schon klar macht, was Armenien wirklich be- 
deutet und was für Verbrechen an Armenien be- 
gangen worden sind # Die imperialistische An- 
nexion würde ein Segen für ein Volk sein, das 
solche Verbrechen erduldet hat! (Beifall.) Nehmen 
Sie die Fälle von Syrien und Palästina. Ob- 
wohl in Syrien die Zahlen nicht so hoch sind, hat 
dort dem Wesen nach das gleiche stattgefunden. 
Ich gestehe, daß ich zögere, gegen Annexionen zu 
sprechen, wenn damit gesagt sein soll, daß kein Ge- 
biet, das während dieses Krieges mit Gewalt ge- 
nommen worden ist, seinen ursprünglichen Besitzern 
nicht zurückgegeben werden soll. Soll das die 
Meinung sein, dann bin ich sicherlich außerstande. 
die Politik „Keine Annexionen“ anzunehmen.“ 
Auf diese Art und Weise wird plausibel ge- 
macht, warum die Annexion der Landstriche, die 
England als strategische Bollwerke haben will, 
keine Annexion ist, sondern ein gottgefälliges 
Werk! Die Errichtung englischer Bollwerke ist 
immer Gott wohlgefällig! Die Liste der zu be- 
freienden und zu annektierenden Länder ist aber 
mit den drei türkischen Provinzen nicht erschöpft. 
Lord Robert Cecil will auch beweisen, daß die 
Annexion der deutschen Kolonien ebenfalls 
eine Tat selbstloser Weltbeglückung ist. Es wird 
Sie interessieren, wie er diesen Beweis zu führen 
sucht, und zwar gelingt ihm dies — aus dem 
Beifalle seiner Hörer zu schließen — nach eng- 
lischer Auffassung in überzeugender Weise: 
„Ich sage nicht, daß wir die deutschen afrila- 
nischen Kolonien angegriffen haben, um die Ein“ 
geborenen von deutscher Mißregierung zu erretten. 
Wir haben es als Teil des Krieges gegen Deutsch' 
land getau. Ich sage nicht, daß es unter irgend 
welchen Umständen richtig gewesen wäre, Krieg m 
machen, um die afrikanische Bevöllerung von der 
Arabien hat seine
	        
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