Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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unwillkommen war. Vielleicht haben auch Beziehungen 
von Duisburg nach Solingen hinübergespielt, dessen 
Kammer das Zentrum der Bewegung gegen den 
Vertrag bildete. Im ganzen wird aber diese Agitation 
in Deutschland doch wohl eine ganz spontane, weil 
natürliche und vollberechtigte gewesen sein, da in der 
Tat vitale Interessen der deutschen Industric und des 
Handels durch den Vertrag bedroht wurden. In 
Hamburg die Schiffahrtsinteressen und die der dortigen 
Pulver= und Spiitindustrie, in Harburg und Mann- 
heim die der mächtig aufblühenden Ol= und Fett- 
industrie, die schon damals in Harburg allein jährlich 
50000 t Palmöl und Kopra verarbeitete; im Bereich 
der Stolberger Kammer fühlte sich die Messingindustrie 
bedroht wegen des Exportes der als beliebte Tausch- 
ware für Schmuckzwecke am Kongo stark begebrten. 
dünnen Messingstäbe, der sogenannten mitakos, 
Solingen die damals noch blühende Fabrikation oon 
Steinschloßgewehren, im Bezirk Verden die Pulver- 
und Faßfabrik Walsrode, die mit 300 Arbeitern 
allein 1500000 kg Pulver in 30000 Fäßchen über 
Hamburg nach den Kongogebieten jährlich ausführte, 
während der Hamburger Gesamtexport an Pulver 
dorthin 2500000 kg brutto in 50000 Fässern aus- 
machte. 
Jedenfalls war man aber in Brüssel über den Fort- 
gang der englisch-portugiesischen Unterhandlungen gut 
unterrichtet, und es ist, wie auch aus dem englischen 
Weißbuch über den Vertrag (Afrika Nr. 2, 1884, 
Noten Nr. 24 bis 20) hervorgeht, dem Einfluß Leopolds 
bei der englischen Regierung zuzuschreiben, wenn im 
letzten Augenblick vor dem Abschluß des Vertrages 
diese dem Anspruch Portugals auf Anerkennung seines 
Besitzstandes am Kongo bis nach Vivi hinauf ein Veto 
entgegensetzte und denselben auf Noki unterhalb Vivi 
beschränkte. 
In den Berliner amtlichen Kreisen war man über 
dic Verhältnisse der Asscciation Internationale 
du Congo um diese Zeit noch sehr wenig unterrichtet. 
Die deutsche Gesandtschaft in Brüssel hatte sie bisher 
nicht zum Gegenstand besonderer Berichterstattung 
gemacht. Am 25. April 1884 erging daher auf direkte 
Anweisung des Reichskanzlers die telegraphische An- 
ordnung an den Gesandten, Grafen Brandenburg, 
über „Zusammenzetzung, Zicl und Attribution sowie 
die Flagge“ der Internctionalen Afrikanischen Gesell- 
schast zu berichten, sowie neuere Verträge derselben 
und daß es ferner für wünschenswert zu erachten sei, 
daß die Vereinigte-Staaten-Regierung die Flagge 
der Association anerkenne. 
Der Leiter der Versammlung stellte ihr den Vor- 
tragenden, Herrn Richter Daly, als einen Teilnehmer 
an dem Geographenkongreß von 1876 im Königsschloß 
in Brüssel vor. Das war etwas amerikanischer Humbug, 
den keiner der mit den europäischen Verhältnissen 
gänzlich unvertrauten Anwesenden bemerkte. An 
jenem Kongroß hatte tatsächlich kein amerikanischer 
Gcograph teilgenommen. 
  
mit den eingeborenen Häuptlingen einzureichen. Man 
war damals an leitender Stelle wohl nicht informiert, 
daß in Deutschland frisch vom Kongo zurückgekehrte 
Reisende vorhanden waren, die über diese Punkte 
leicht Auskunft hätten geben können. Insbesondere 
wäre hierzu der Afrikareisende Dr. Pechuel-Loesche, 
der im Jahr 1882 das Kongounternehmen des Königs 
an Stelle von Stanley geleitet hatte, leicht imstande 
gewesen. 
Graf Brandenburg setzte sich mit dem Kabinettschef 
Jules Devaux in direkte Verbindung, der ihm über 
verschiedene Punkte Auskunft erteilte. Devaux gab 
zu, daß der König allerdings einige Bestimmungen 
des englisch-portugiesischen Veitrages „im Interesse 
der englischen Regierung“ hinsichtlich der Grenzen und 
einiger Verbindungsstraßen, Punkte, welche ursprling- 
lich englischerseits ziemlich oberflächlich behandelt 
worden seien, durch seinen Rat modifiziert habe. Der 
Gesandte hatte den Eindruck, daß nach der Art, wie 
sich Devaux darüber ausdrückte, der König der Frage, 
ob der Vertrag bestehen bleiben und die Anerkennung 
seitens anderer Mächte finden werde, persönlich keinen 
großen Wert beilege, eine Ansicht, die freilich irrig 
war, wenn auch der König es streng vermied, nach 
außen hin zu dem Vertrag irgendwie Stellung zu 
nehmen. Im ganzen befriedigten die auf diesem Weg 
gewonnenen und auch die von den Beotschaften in 
London und Paris in dieser Angelegenheit einge- 
sandten Informationen Fürst Bismarck noch nicht. 
Verdächtig erschien besonders der Widerspruch, der 
zwischen den Versicherungen der Gesellschaft, daß sie 
entschlossen sei, dem internationalen Handel völlige 
Freiheit zu gewähren und ihn nie mit Zöllen zu be- 
lasten einerseits und dem Wortlaut einiger von ihr 
mit Kongo-Häuptlingen abgeschlossenen Verträge 
anderseits hervortrat. Denn nach diesen Verträgen 
verpflichteten sich diese Häuptlinge, mit niemand 
anderem als mit den Agenten der Gesellschaft Handel 
zu treiben und jedem ihr Fremden diese Tätigkeit 
innerhalb ihrer Gebiete zu verbieten. Auf diesen 
Widerspruch wurden auch die Regierungen in Paris 
und London bei passender Gelcgenheit aufmerksam 
gemacht. 
Selbst die Anerkennung der Flagge der Gesellschaft 
seitens der Vereinigten Staaten schien für Bismarck 
die Zweifel nicht zu beseitigen, welche er an ihrer Be- 
fähigung hegte, aus cigener Kraft ihre Selbständigkeit 
zu wahren. Für diese Anerkennung verzichtete sie 
den amerikanischen Bürgern gegenüber auf die exklu- 
siven Rechte, die sie durch ihre Verträge mit den 
Häuptlingen erworben hatte. Die Ausdrücke, in denen 
dies geschah, schienen Bismarck nicht ganz präzis und 
von zweifelhafter Tragweite, sie könnten auch lediglich 
als Zusage der Meistbegünstigung gedeutet werden. 
Das Zugeständnis sei an die Bedingung geknüpft, 
daß die Bürger der Vereinigten Staaten sich den 
Gesetzen fügen. Diese Klausel erscheine sehr bedenklich
	        
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