II. Turnen, Spiel und Sport im Dienste der Erziehung und der Wehrkraft. 35
außerordentliche Märsche können 45—60 km lang sein. Auf
3 Tage rechnet man 1 Ruhetag. Bei der Jugendkompagnie
wird es sich in der Regel nur um 1 Marschtag in der Woche
handeln. Die Pfadpfinder und Jungstürmer legen auf ihren
Tagesmärschen ebenfalls 30—40 km zurück.
Bei Verringerung des Gepäcks vermehrt sich die Marsch-
geschwindigkeit. Nach langen Märschen schneiden die Riemen
des Tornisters in die Achselhöhlen ein. Jugendwehr, Pfad-
finder, Jungsturm tragen den Rucksack. Der Soldat gibt dem
Tornister den Vorzug, weil der vollgepackte Rucksack schwerer
im Kreuz lastet. Der Rucksack ist in der Regel wasserdicht,
besitzt einige Taschen, breite Tragriemen, und muß richtig
gepackt werden, zweckmäßig nach einem Verzeichnis, das
sämtliche mitzunehmende Gegenstände umfaßt.
Es gibt heute mehrere hundert höhere Lehranstalten und
einige Volksschulen, die dem Rudersport!) eine Pflegestätte
bereitet haben. Das Rudern dient der Kräftigung der Ge-
sundheit, der Entwicklung der körperlichen Organsysteme, der
Heranführung an die Natur in schöngeistigem Genießen, der
Bereicherung der Anschauungs- und Begriffswelt, der Erziehung
zur männlich-sittlichen Persönlichkeit. Der Jugendliche, der
sechs Tage, unter Umständen sieben Tage in der Woche ge-
zwungen ist, in der staub- und raucherfüllten Atmosphäre
einer Fabrik- oder Großstadt zu verweilen, soll hinaus in die
reine, ozonreiche Luft der wald- und wiesenumsäumten Wasser-
flächen; sein Antlitz und seine Gliedmaßen sollen sich bräunen,
seine Lungen richtig atmen, sein Gehirn die natürliche Frische
wiedergewinnen.
Turnen und Turnspiele können sich nach dieser Richtung
mit dem Rudern nicht messen. Hier ein stundenlanger Aufent-
halt mit nackten Gliedmaßen in freier, lichtdurchfluteter Luft
unmittelbar über der Wasserfläche, dort im hermetisch ab-
geschlossenen, nicht immer staubfreien Turnsaal, allenfalls auf
dem Turn- oder Spielplatz. Die körperliche Gesundheit wird
beim Rudern gefestigt wie nirgend anders; denn es gewöhnt
den Jugendlichen, Wärme und Kälte, Sonnenschein, Regen
und Schneetreiben mit Gleichmut und ohne nachteilige Folgen
zu ertragen. Besonders hervorheben muß man die Form der
I) WICKENHAGEN und KUHSE. Kaiser Wilhelm II. und das Rudern an
den höheren Schulen Deutschlands. Berlin 1913, Weidmannsche Buchhandlung.
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