36 IH. Turnen, Spiel und Sport im Dienste der Erziehung und der Wehrkraft.
geistigen Erholung beim Rudern, die fast als eine totale be-
zeichnet werden kann. Die Ruderarbeit löst abstrakte Denk-
prozesse nicht aus; die Entlastung des Zentralorgans reicht
noch weiter als beim Turnen und Spielen, da der fortwährende
Wechsel der Bewegungsart und der dazu erforderlichen Er-
innerungs-, Assoziations-, Reflexions- und Aufmerksamkeits-
akte fortfällt. Nur die Phantasie, die das stetig wechselnde
Panorama an und auf dem Wasser lebendig begleitet, ist in
unterhaltender Weise betätigt.
Zu der gesundheitlichen Umgebung, in der sich das Dasein
eines Ruderers abspielt, treten die sportmäßigen Übungen als
spezifische hygienisch durchdachte und gesundheitfördernde
Bewegungen. Sie beanspruchen denselben Wert wie Turn-
übungen in bezug auf ihre Qualität, übertreffen sie aber an
Quantität. Die Muskulatur ist fast in ihrer Gesamtheit stun-
denlang beteiligt; während Arme, Beine, Hände und Füße
sich beugen, strecken oder drehen, schwingt der Rumpf nach
vorn und hinten. Die Muskeln der Gliedmaßen, des Rückens,
des Bauches betätigen sich dabei in ruhiger Arbeit, ihre Kraft
wird unglaublich gesteigert.
Man hat eingewendet, das Rudern sei gegenüber dem
Turnen eine einseitige und monotone Bewegungsart. Das ist
zweifellos richtig, indessen wird der Ruderer sich dieser Ein-
förmigkeit nicht bewußt. Man möge jedoch nicht übersehen,
daß das Rudern Veranlassung gibt, Baden und Schwimmen als
Nebenbeschäftigungen zu betreiben. Das jedesmalige Heraus-
und Hineintragen der Boote, die Reinigung derselben, das
Brausebad nach Vollendung einer jeden Fahrt beschäftigen
den Ruderer vielseitig genug. Die Ruderübungen vollziehen
sich, wie schon aus der auftretenden Spiellust beim Rasten
geschlossen werden kann, in so richtiger Proportion zur vor-
handenen Leistungsfähigkeit des Individuums, daß die auf-
gespeicherte Energie nur allmählich verbraucht wird und beim
ausgebildeten Ruderer eine Ermüdung erst nach Stunden ein-
tritt, sich überdies schnell wieder ausgleicht.
Mit der Erstarkung der Muskulatur schreitet die Erstar-
kung des Knochenskeletts fort. Schwächliche Schüler, die
beim Eintritt in die Ruderriege zu Bedenken Anlaß gaben,
ob sie der Ruderarbeit gewachsen sein würden, ob nicht etwa
eine Verkrümmung der Wirbelsäule, die man bekanntlich dem