42 III. Das hygienische Gleichgewicht in der Erziehung.
gemacht hat, seitdem man der experimentellen Hygiene und
empirischen Psychologie auch den Eingang in die Schul-
häuser und in den Unterrichtsbetrieb gewährte. Eine wahre
Neubefruchtung der Pädagogik hat sich vor unseren Augen
vollzogen; nicht nur, daß ihre Methoden und Forschungs-
ergebnisse in die Praxis übergeleitet wurden, sondern es er-
gab sich vielfach ein geordnetes Zusammenarbeiten jener
Wissenschaften mit der praktischen Erziehung. Darüber wird
unten mehr zu sagen sein.
Die Schicksalsstunde des deutschen Vaterlandes wird die
Schicksalsstunde der deutschen Jugenderziehung sein, wir
fühlen es. Mehr als je erscheint es darum nötig, die physischen
und psychischen Leistungen der Schuljugend daraufhin zu
prüfen, ob sie sich noch im richtigen Verhältnis zueinander
behufs Erreichung sämtlicher Erziehungsziele befinden, ob die
Belastung durch geistige Arbeiten der Entlastung durch die
körperlichen Veranstaltungen das Gleichgewicht hält, so daß
es dem Wachstum nach beiden Seiten förderlich wird; ob nur
nach der letzteren Seite eine Zugabe erfolgen soll oder ob
auch die geistige Anstrengung (wohlverstanden nicht die
Wissensbürde) zu vermehren ist.
Die Frage nach dem hygienischen Gleichgewicht in der
Erziehung besteht in verschiedener Formulierung seit einem
Jahrhundert, wurde im Laufe desselben wiederholt erörtert und
führte zu wichtigen Reformen, ohne ganz aus dem Gesichts-
kreise zu entschwinden. Man wird den Unterrichtsbehörden die
Anerkennung nicht versagen können, daß sie sich stets für
verpflichtet gehalten haben, Vorwürfe und Anklagen, die sich
hinsichtlich der Überbürdungsfrage an ihre Adresse richteten,
gewissenhaft zu prüfen und über die von ihnen eingeschlagenen
Wege Öffentlich Rechenschaft abzulegen. Das ging besonders
hervor aus der Denkschrift vom Jahre 1882/83, das ging ferner
hervor aus den statistischen: Erhebungen, die der Kultusminister
von Zeit zu Zeit über die häusliche Arbeitszeit der Schüler hat
anstellen lassen. Seine Maßnahmen und Anregungen haben
die ihm unterstellten Instanzen beschäftigt, Provinzialschul-
kollegien, Direktorenversammlungen und Lehrerkollegien haben
sich wiederholt und eingehend mit dieser Angelegenheit be-
faßt, um die Ursachen der Schülerüberbürdung zu ergründen
und zu beseitigen.