Full text: Die vaterländische und militärische Erziehung der Jugend

56 III. Das hygienische Gleichgewicht in der Erziehung. 
2. In den Großstädten sucht man den Unterricht auf den 
Vormittag zusammenzudrängen und von der Einrichtung eines 
Nachmittagsunterrichts abzusehen; denn die weiten Schulwege 
der Kinder lassen sonst für die häuslichen Arbeiten, erlaubte 
Unterhaltungen, Erholung und Schlaf zu wenig Zeit übrig. In 
Kleinstädten und auf dem Lande sind die Verhältnisse anders, 
hier ist gegen die Nachmittagsschule an zwei bis vier Wochen- 
tagen hygienisch nichts einzuwenden. In Hamburg liegt der 
Unterricht im Sommer und Winter von S—2 Uhr oder von 
9—5 Uhr. Daß die Mittagsstunden, namentlich in der heißen 
Jahreszeit für den Unterricht ganz und gar nicht zu empfehlen 
sind, braucht nicht erst begründet zu werden; die Hamburger 
ungeteilte Unterrichtszeit kann nicht als Vorbild gelten. Wo 
in den Großstädten 5—6 Stunden hintereinander liegen, er- 
langen die drei hygienischen Probleme, wie die Pausen und 
Fächer anzuordnen sind, und welche Dauer die einzelne Lektion 
haben soll, eine ausschlaggebende Bedeutung für den Stunden- 
plan‘); man kann nicht sechs Unterrichtseinheiten in mecha- 
nischer Weise aneinanderfügen, die Forderung der Kurzstunde 
von 40—45 Minuten Dauer läßt sich da nicht umgehen. HiINT7- 
MANN, HELLPACH, KELLER sind, teilweise gestützt auf praktische 
Versuche, schon seit Jahren für die Kurzstunde eingetreten, 
und die Unterrichtsbehörden haben diese Zeitnorm jetzt all- 
gemein genehmigt. Die Länge der Pausen spricht dabei 
hygienisch insofern mit, als Pausen unter 10 Minuten zu ge- 
ringen Erholungswert haben und wenigstens eine lange Früh- 
stückspause von 15 Minuten wünschenswert erscheint ?). 
3. Turnunterricht und technische Fächer gehören in die 
letzte Zeitlage des Vormittags oder auf den Nachmittag; in die 
Zwischenzeiten die übrigen Disziplinen mit Pausen von längerer 
Dauer. Geräteturnen und anstrengende Laufübungen können 
jedenfalls nicht, wie man früher annahm, der unmittelbaren 
Erholung nach der wissenschaftlichen Arbeit dienen und zwi- 
schen Fächer von hohem Ermüdungswert gestellt werden; nur 
teichtere Marsch- und Freiübungen bereiten den Geist für neue 
Arbeiten vor. „Während des Türnens ist auch das Gehirn nicht 
1) MEUMANN, Vorlesungen zur Einführung in die experimentelle Päda- 
gogik. Leipzig, Engelmann 1910. 
2) ERISMANN, Die hygienischen Anforderungen an den Stundenplan 
I. Jahresvers. d. Schweiz. Gesellschaft f. Schulgesundheitspflege.
	        
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