Ill. Das hygienische Gleichgewicht in der Erziehung. 59
gleichwertig erklärt worden. Andere europäische Länder weisen
bei weitem niedrigere Wochenstundenzahlen an ihren höheren
Schulen auf, die englischen Schulen ersten Ranges zählen in
den oberen Klassen meist 27, nie mehr als 30 Stunden, die
französischen 28, die österreichischen 25. Im Jahre 1812 hatte
Preußen in allen Klassen 32 Stunden.
GRIESBACH hat sich der Mühe unterzogen, die Lehrpläne
kritisch zusammenzustellen. Wir entnehmen seiner Abhand-
lung!) die folgenden Zahlen. Für 9—10 jährige Schüler schwankt
die Pflichtstundenzahl der Schulen zwischen 25 und 34 (Johan-
neum, Lübeck), für 18—19jährige Jünglinge zwischen 29—38
(Oberrealschule, Braunschweig) Wochenstunden. Die wöchent-
liche Stundenzahl aller Klassen gleichartiger Schulen differiert
zwischen 246 und 323, d. h. um 31,700. Sogar die gleichen
Klassen gleicher Schulen weisen eine verschiedene Zahl auf;
der fremdsprachliche Unterricht beginnt bald früher, bald
später, bald mit mehr, bald mit weniger Stunden; in den
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern schwanken die
Wochenstunden zwischen 28 und 34.
Eine sehr auffallende Erscheinung ist, daß die Zahl der
Wochenstunden in den einzelnen Klassen und in der ganzen
Schule bei den humanistischen Anstalten vielfach ganz erheb-
lich kleiner ist als in den Realanstalten. TREUTLEIN wirft die
berechtigte Frage auf, wie diese großen, in bezug auf das End-
ziel unserer Schulen jedenfalls durchaus ungerechtfertigten
Unterschiede zustande kommen und warum sie in Geltung
bleiben. Vom hygienischen Standpunkte würde es mit Freude
begrüßt werden, wenn die hohen Pflichtstundenzahlen herab-
gemindert würden. Denn sie bringen die schwere Belastung
der Schüler und Lehrer mit sich und sind die eigentliche Ur-
sache der gelegentlichen Überbürdungen, sie schaffen auch
die großen Schwierigkeiten für den Stundenplan in hygienischer
Beziehung. Von der deutschen Naturforscherversammlung wur-
den 24 wissenschaftliche Pflichtstunden als Maximum erachtet.
Es bleibt eine Aufgabe der Hygieniker, immer wieder auf diese
Forderung hinzuweisen und alle ihr entgegenstehenden Be-
denken zu beseitigen.
!) Verhandlungen der IX. Jahresversammlung des allgemeinen deut-
schen Vereins für Schulgesundheitspflege. 1908. Leipzig, Teubner.