Full text: Der Kanzler.

Unser Herrgott ist doch ein einsichtigerer Regent, als 
irdische Fürsten sein Frönnen, und es gibt unter uns viele Leute, 
die mit dem Regimente der Vorsehung innerlich, wenn sie 
frei reden sollen, auch nicht vollständig zufrieden sind. Ich 
bemühe mich, es zu sein, und das Gebet im „Dater unser“: 
„Dein Wille geschehe“ ist mir immer maßgebend. Ich gebe 
mir Mühe, ihn zu Herstehn, aber verstehn tue ich ihn nicht 
#ummer. Bismarck-Jahrbuch. 
Bismarck zu den alten Korpsstudenten. 
Friedrichsruh, 27. Hpril 1895. 
Es gibt einen alten italienischen Ders in Dante: „Kein 
größerer Schmerz ist, als in der Seit des Unglücks zurück- 
zublicken auf die glücklichere Seit“; nun, er klingt sehr poetisch 
und geistreich, aber ich halte ihn für unwahr, wenigstens 
bei mir trifft er nicht zu .. Ich betrachte mich heute als im 
Unglück, nicht weil ich außer GEeschäften bin, sondern weil ich 
krank und matt bin und kein Dergnügen an der Arbeit finde; 
aber gerade im Rückblick auf die glückliche Seit finde ich 
Frieden und Ruhe und in schlaflosen Nächten auch eine ge- 
wisse Freude und Beruhigung. Ich halte also den italienischen 
Spruch für einen Irrtum. Ich sehe gern rückwärts, wo ich 
glücklich, d. h. gesund war. Ich meine darunter nicht die 
Seit, wo ich eine hohe Stellung im Dienste einnahm — das 
macht nicht glücklich — im Gegenteil, es ist eine Seit der 
hetze, der Unruhe, der Besorgnis, wie eine Sache ausfallen 
wird, und sie bietet wenig Entschädigung dafür und viel 
ärger. Bismarck-Jahrbuch. 
Bismarck am 16. Mai 1896 in Friedrichsruh. 
Ich habe das Dertrauen, daß Gott dies Deutsche Reich, 
das mit so viel Hammerschlägen und Blutvergießen auf dem 
Schlachtfelde zusammengefügt und gegründet ist, doch nicht 
wieder zerreißen lassen, sondern auch für fernere Seit zu- 
sammenhalten werde. Kohl, Gedenkbuch. 
25 Otto von Bismarck. 385