Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

132 Erster Theil. Vierter Titel. 
thum besessenen Stellen, ist ohne Rücksicht auf früher darüber ergangene Judikate, lediglich nach den 
Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zu beurtheilen. 
7#. Dekl. des §. 97 des Gesetzes, betr. die Ablösung der Reallasten, v. 2. März 
1850. V. 24. Mai 1835 3. (G.S. S. 210.) 
§. 2. Willenserklärungen und Judikate, durch welche vor Verkündigung des Gesetzes, betreffend 
die Ablösung der Reallasten c. v. 2. März 1850, die Regulirungssähigkeit einer Stelle ausgeschlossen 
worden ist, sind durch die Vorschrift des §. 97 des gedachten Gesetzes nur in soweit außer Wirksam- 
keit gesetzt, als sie ausdricklich in Anerkennung des Mangels der gesetzlichen Erfordernisse zur Regu- 
lirungsfähigkeit abgegeben, beziehungsweise ergangen sind. 
§. 3. Bei den vor Erlaß des gegenwärtigen Gesetzes getroffenen rechtsgültigen Festsetzungen, 
welche den Bestimmungen desselben zuwiderlaufen, behält es sein Bewenden. Dagegen findet dieses 
Gesetz auf alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen streitigen Fälle Anwendung. 
§. 6. Zu Handlungen, welche die Gesetze verbieten 160), kann durch Willenser- 
klärungen Niemand verpflichtet oder berechtigt werden. 
§. 7. Auch nicht zu Handlungen, welche die Ehrbarkeit 17) beleidigen. 
  
16) Die Regel der L. 5 C. de leg. (I, 14), wonach jedes Rechtsgeschäft, durch welches verbotene 
Handlungen übernommen werden, ungültig sein soll, gilt für uns nicht. Es kommt auf den Inhalt 
jedes einzelnen Verbotgesetzes an. Vergl. z. B. H. 91 a. C. des Ges. v. 2. März 1850 (Zus. 7) und 
die Eheverbote I1, 1, §§. 968 ff., und die K.O. v. 19. April 18183 (Zus. 2). 
Zu den verbotenen Handlungen gehört die Entsagung der ordentlichen Rechtsmittel und Unterwer- 
fung unter den Ausspruch einer bestimmten richterlichen Person im Voraus nicht. Pr.-O. Tit. 2, 8. 137 
und Tit. 30, 8§. 48 ff. Pr. des Obertr. v. 1. Febr. 1845. (Emsch. Bd. XII, S. 473.) (3. A.) 
Wohl aber sind Verträge zwischen Gemeindemitgliedern, durch welche die Grundsätze des Armenpflege- 
gesetzes abgeändert werden, ungültig. Pr. des Oberm. v. 15. März 1854 (Entsch. Bd. XXVII, S. 304). 
(4. A.) Die Verabredung, daß ein Brennereibesitzer den Brannkwein an einem gewissen Orte und 
in einem gewissen Umkreise nicht verkaufen dürfe, lauft gegen die Gewerbefreiheit und ist daher nichtig. 
Erk. des Obertr. v. 3. Juni 1856 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXI, S. 251). 
(4. A.) Die testamentarische Bestimmung des Vaters: der bedachte Sohn solle während der mit 
seiner derzeitigen Ehefrau bestehenden Ehe nur die Nutzungen seiner Erbportion erhalten, die Sub- 
stanz dagegen auf die Kinder desselben übergehen; für den Fall aber, daß dieser Sohn von seiner 
Ehefrau durch richterlichen Ausspruch geschieden würde oder seine Ehefrau Überlebte, sollten die Wir- 
kungen der Substitution gänzlich aufhören und die väterliche Erbportion sein freies Eigenthum wer- 
den, — enthält weder eine Bedingung für den Sohn, ehelos zu sein oder seinen Wittwenstand nicht 
zu ändern (§§. 10, 11), noch verlangt sie von ihm eine Handlung, welche die Gesetze verbieten (S. 6), 
oder welche die Ehrbarkeit beleidigt. Erk. des Obertr. vom 30. November 1860 (Arch. f. Rechtef. 
Bd. XXXIX, S. 254). 
17) Vergl. L 26 D. de verb. obl. (XIIV, 1); s. 24 J. de inutil. atip. (III, 20). Ob etwas 
unehrbar, unsittlich (turpe) sei, ob nicht, ist eine thatsächliche Frage, welche in jedem einzelnen Falle 
besonders beurtheilt werden muß, und deren richterliche Eutscheidung nicht mit der Nichtigkeitsbeschwerde 
angegrifsen werden kann. Aeltere Fälle dienen dabei nicht zur Belehrung; es kommt auf die innere 
Ueberzeugung und das Sinlichleitsgefühl des Richters an. — Hierher gehören auch Pakta, wodurch 
sich Jemand verbindlich macht, keine strafbaren Handlungen zu begehen, z. B. nicht zu stehlen, 1. 7, 
S. 3 und L. 27. S. 4 D. de pact. (II, 14). Vergl. u. 1, 16, 98. 210, 211; oder Zusicherung von 
Vortheilen für die Erfüllung obliegender Pflichten. L. 2 D. de cond. ob turp. (XII, 5); A. L.N. 1, 
16, §. 210. In allen diesen Fällen ist die cond. ob turp. c. begründet. Ebd. 8§. 205 ff.; 1, 11, 
SS, 581, 714, 1070, 1071. — Ein anderer Fall der Nichtigkeit wegen Unsitte ist I, 11, . 446. 
(3. A.) Eben so ist ein Bergleich, die Ehe mit der Geschwächten unter der Bedingung zu vollziehen, 
daß sie gleich nachher ohne Weieeres wieder getrennt würde, wider die guten Sitten und deshalb nich- 
tig. R. v. 13. März 1797 (Rabe, 9d0. 1V, S. 40). (4. A.) Ein Vertrrag, wodurch Jemand seine 
Bemühungen für das Zustandebringen einer bestimmten Heirath gegen Belohnung verspricht, ist nicht 
als gegen die guten Sitten und deshalb als die Ehrbarkeit belcidigend angesehen worden. Erk. des 
Obertr. v. 22. Septbr. 1859 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXX, S. 92). Dagegen ist ein Vertrag, durch 
welchen während des Prozesses der unschuldige Theil auf die Ehescheidungsstrafe verzichtet, salls der 
Schuldige den Scheidungsgrund zugesteht und sich im Voraus verpflichtet, nicht zu appelliren, nichtig. 
Erk. des Obertr. vom 13. März 1857 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXIV. S. 123). — Verabredungen in 
einem Ehevertrage, durch welche für den Fall einer künftigen Ehescheidung Bestimmungen Über die 
Abfindung des unschuldigen Theils getroffen werden, belcidigen die Ehrbarkeit und sind deshalb un-
	        
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