138 Erster Theil. Vierter Titel.
8. 26. Von Willenserklärungen der Blödsinnigen, die unter Vormundschaft ge-
nommen worden, gilt das, was von Unmündigen verordnet ist. (§8§. 21, 22.)
§. 27. Wenn auch der Blödsinnige noch nicht unter Vormundschaft gesetzt ist,
so gilt doch die Vermuthung s"), daß derjenige betrügerisch gehandelt babe, welcher
durch die Willenserklärung, mit dem Schaden desselben, sich zu bereichern sucht.
§. 28. Personen, welche durch den Trunk 37") des Gebrauchs ihrer Vernunft be-
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kensien Ineiruter bleibt auch nach eingetretener Genesung bis zur Aufhebung des Interdikts hand-
ungsunfähig.
In der Jnteldillion also, welche nach A. L.K. in For## der Bevormundung geschieht, liegt die
juristische Handlungsunsähigkeit. Daraus folgt, daß dilselte nicht schon mit der Bestellung des Ku-
rators ad lites über die Geunuthskrankheit, welche Kuratel auch nicht von der Vormundschaftsbehörde
ausgeht, aufangen kann. Hiergegen ist gesagt worden, die Präsumtion des §. 24 könne nach Einfüh-
rung dieser Kuratel nicht mehr gelten, denn sie werde durch die Verität verdräugt, weil die Wahn-
sinnigkeitserklärung durch Urtel nur dann geschehe, wenn der Wahnsinn festgestellt worden sei. Das
aber detrifft die faktische Handlungsunsähigkeit und deren Beweis. Wahrscheinlich wird der Richter
den Beweis des Daseins der Krankheit zu einer gewissen Zeit nach Einleitung des Prozesses leichter
für geführt annehmen, wenn derselbe mit der Wahnsinnigkeitserklärung endet. Aber juriftisch unfähig
wird der Provokat sicherlich nicht durch die Einbringung der Provokation und Einleitung der Unter-
suchung. Vergl. 1, 12, SS. 21, 22.
38) Der Sinn ist dunkel. Nach einer Auslegung sollen hiermit unur solche Personen gemeint
sein, welche bereits richterlich für blödsimiug erklärt, aber noch nicht bevormundet sind. Darnach wür-
den solche Gemüthskranke, vor der Blödsinnigkeitserklärung, für handlungefähig gelten, wenngleich der
tgatsachuich- Blödsim# zur Zeit der lensaufernng vollstandig erwiesen würde. Das stände mit dem
Prinzipe des §. 3 d. T. in geradem Widerspruche und kann unmöglich gemeint sein. Man muß hier,
wie vorhin (Anm. 36 u. 37), zwischen dem Zustande der faktischen Willensunsähigkeit, welche aus
dem Blödsinne als Thatsache wie aus Trunk u. s. w. entsteht, und dem Zustande der durch die Be-
vormundung (Interdiktion) entstehenden juristischen Handlungsunfähigkeit unterscheiden. Der §. 27
wad von dem faknschen Zustande. Wird erwiesen, daß derjenige, dessen Willenserklärung ange-
ochten wird, zur Zeit der Willensäußerung in der That au Blödsinne litt, so ist die scheinbar vor-
handene Willenserklärung, zufolge des §. 3 d. T., wegen Mangels der Vernunst und Ueberlegung,
nichtig, ohne daß es noch erst auf einen Betrug ankommt. Kaun aber die Gemüthsbeschaffenheu zu
jener, vielleicht schon zu lange vergangenen, Zeit nicht mehr festgestellt werden und ist die betroffene
Person in der Folge für blödsinmig erklärt worden, so soll, n dem Falle der Bereicherung des Ande-
ren durch die angesochtene Willenterklärung, eine betrügerische Veranlassung derselben vermuthet wer-
den. So hat auch der III. S. des Obertr. am 23. März 1849, in der Sache Pape w. Troschke,
560/2280, III, 48, dieses Gesetz ausgelegt. Außer dem Falle der Bereicherung minuß sicts bewiesen
werden, daß der Erklärende zur Zeit der Willensäußerung blödsinnig war. (1. A.) Das Obertr. sagt
in einem Urtel vom 10. Mai 1859: die Anwendbarkeit des §. 27 sei dadurch bediugt, daß die Person,
welche sich über dasjenige gräußert hat, was nach der ausgedrückten Absicht geschehen, oder nicht ge-
schehen soll (§. 1), zu eben dieser Zeit erwiesenermaßen thatsächlich blödsinuig gewesen ist. (Archiv f.
Rechtsf. Bd. XXXV. S. 17.) Das ist ungenau. Der 5. 27 setzt einen thatsächlich Blödsinnigen
voraus, der noch nicht unter Vormundschaft gestellt, d. h. dem noch nicht die Haudlungefähigkelt (durch
Imerdiktion) genommen worden ist. Wenn ein solcher eine Rechtshaudlung vollzogen hat, so ist die
Frage: ob er thatsächlich dazu fähig war zu der Zeit der Vollziehung. Nun sagt der §. 27: Es wird
vermuthet, der Andere habe betrügerisch gehandelt und dadurch sich mit dem Schaden des Erkläreuden
zu berelchern gesucht. a#Andere muß deshalb beweisen, daß er nicht betrogen und auch sich nicht
zu bereichern grluckt habe. Dann ist dieser Anfechtungsgrund beseitigt. Dann bleibt aber der selbst-
ständige Ungü 1 rund der thatsächlichen Willensunsähigkeit in jenem Zenpunkte noch stehen, und
dieser muß von dem Anfechter bewiesen werden, insofern nicht aus der Natur der Geisteskrankheit und
deren Entstehung in dem konkreten Falle das Vorhandensein der Kraulkheit von Kindheit an erhellet.
Bergl. Anm. 36 zu §. 24. Diese drei scharf zu scheidenden Ungülngleusgründe laufen in jenem Erk.
und in dem jüngeren v. 19. Dez. 1859 (Arch. Bd. XXXVI. S. 105) durcheinander. In einem älte-
ren Rechtsfalle sagt auch das Obertr. ganz richtig: gegen einen gerichtlichen Vertrag sei der Einwand
der Ungültigkeit desselben wegen stattgehabten Blödsinnes eines nicht bevornmndet #Prossenen und von
dem Gerichtsdepututen für dispositionsfahig crachteten Kontrahenten zulässig. Erk. v. 7. Mai 1857
(Arch. f. Rechtsf. Bd. XXIV. S. 280). Vergl. auch das Erk. dess. vom 20. Sept. 1864 (Archiv f.
Rechtsf. Bd. LVI, S. 173).
39) Oder durch Genuß von Opium und anderen berauschenden Mitteln.
((. A.) Welche Gedanken des Gesetzgebers den s§. 28 u. 91 zum Grunde liegen, erhellet aus
folgender Bemerkung Suare z'. Er sagt: „Trunkenheit und heftige Leidenschaften schließen eurweder
den Gebrauch der Vernunft ganz aus, oder sie hindern nur die richtige Anwendung derselben, und