Bon Willenserklärungen. 149
§. 77. Auch Irrthum in ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaften der Person2)
oder Sache "“) vereitelt die Willenserklärung.
§. 78. In allen diesen Fällen (§§. 75, 76, 77) bleibt 55) die Willenserklärung
ungültig, auch wenn der Erklärende den Irrthum hätte vermeiden können 2°0).
83) Der hier vorausgesetzte Fall ist von dem vorhergebenden (Anm. 82) darin verschieden, daß
die richtige Person vor uns steht, daß sie aber, nach der Verabredung, gewisse Eigenschaften haben
soll, die ihr in der That sehlen.
84) Error in substantia (L. 9, S. 2 D. de contr. emt. XVIII, 1) oder in materia (L. 9, S. 2;
L 11 pr.; L. 14 D. eod.). Dieser Ausdruck ist nicht erschöpfend, denn der Stoff ist nicht der allei-
nige Gegenstand, auf welchen sich der Irrthum beziehen muß, um die Wirkung eines error in cor-
pore zu haben. Der §. 77 verweiset durchaus sachgemäß auf die „ausdrücklich vorausgesetzten Eigen-
schaften“ der Sache und läßt nur den Jrrthum, aber diesen auch ohne weitere Unter-
scheidung, für wesentlich gelten, welcher sich auf eine solche bezieht. Dadurch werden eine große
Anzahl von Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten beseitigt, * das O.R. über diesen Irrihum
aufzuweisen hat. Es ist an fich willkürlich, welche Folgen man dem Irrthume in Eigenschaften bei-
legen will, aus juristischen Gründen folgt die Nichtigkeit an sich nicht. Deshalb ist dem A. L. N.
Beifall zu geben. Es kommt nicht auf die Verschiedenheit des Stoffes an sich, auch nicht darauf:
ob die Sache, nach den im gemeinen Verkehre herrschenden Begriffen, zu einer anderen Art gerechnet
wird; sondern lediglich darauf an: ob eine Sache von einem bestimmten Stofse oder von einer ge-
wissen Eigenschaft gesorden worden ist. Z. B. man will ausdrücklich männliche Perlhühner feu#en
und der Handier berliefert, selbst im Irrrhume Über das (für Nichtkenner unkennbare) Geschlecht,
lauter weibliche. Dieses Geschäft ist, wie bei dem Irrihume in corpore, nichtig.
85) Bleibt ungültig, mithin muß sie von Anfang ungültig sein. Daraus könnte man entneh-
men wollen, daß eine absolute Nichtigkeit gemeint werde. Dieser Punkt ist unklar, ebenso wie die Auf-
fassung und Darstellung mancher Rechtslehrer vor dem A. L.R., welche die verschiedenen Gestalten und
Besiehungen des Irrthums nicht scharf oder nicht richtig unterschieden. Der error in corpore hat ent-
schieden Nullität zur Folge; der Irrihum in der Person auch. Hinsichtlich des letzteren trifst man schon
auf widersprechende Meinungen, dadurch verursacht, daß dem Irrenden in vielen Fällen die Person
Lchgültig ise mithin gar nichts daran liegt, die Ungüligkeit zu rügen und in ihren Folgen durchzu-
1•h ia Irrthum in Eigenschaften (in substamia) hat nur aus einer positiven Gleichstellung mit
dem error In corpore nach Nichtigkeit zur Folge; diese Folge verschwindet aber oft, weil hier,
wie bei der Person des Anderen, der Irrende in manchen Fällen kein Interesse dabei hat. Deshalb
den auch in Beziehung auf diesen Irrihum die Meinungen durcheinander. Die Fassung des L. R.
bar darin niches gebessert. Nach der Natur der Sache muß in den Fällen der §§. 75 u. 76 Nichtigkeit
einmeten, wegen Mangels des Konsenses. Dessen waren sich die Verf. wohlbewußt: Suarez äußerte
mit Bezug auf diesen F. 78, daß doch immer ein delectus in consensu da sei, der error möge vinci-
bilis oder invincibilis sein, und daß deshalb der Kontrakt, wozu Jemand durch einen solchen Irrthum
verleitet worden, nicht gültig sei. Bei der Verleitung durch Irrthum denkt er zwar an den Beweggrund,
während bei dem error in corpore und in persons das Sachverhäliniß ganz ein anderes ist; indeß
sagt er doch den in diesen Fällen wirkenden richtigen Grund, der es unmoglich macht, einen Kontrakt
als existen ansunchmen. Die Folge des unbestimmten Ausdruckes im Gesetze ist eine schwankende
Praxis. Das Obertr. meint, nach einer Emscheidung gegen die Natur der Sache, daß ein Irrthum
Über die Natur des Geschäftes oder in dem Hauptgegenstande die Willenserklärung nur ungültig (an-
greisbdar von Seiten des Irrenden durch eine Reseissionsklage), aber keinesweges absolut nichtig
oder ipso jure nicht existent mache; der HF. 75 solle nur die persönlichen Nechte des Irrenden wahren;
ob aber der Irrende davon Gebrauch machen wolle, siehe nur bei ihm. (Central--Bl. 1843, Col. 359.)
Das läßt sich sehr wohl von dem error in substantia (F. 77) sagen, denn hierbei ist die wirklich ge-
meinte Spezies der nstand einer bewußten Willenserklärung, mithin ist der Konsens in der That
vorhanden; in jenen Fällen (55. 75 und 76) aber sehlt der Konsens thatsächlich ganz und gar.
86) Die Verf. glanbten, hierin etwas ganz Neues einzuführen. Suarez äußert über die 98. 78
bis 80: „Diese Sätze sind neu; ich halte sie aber für nothwendig. Die DD. sagen: error, qui evitari
potult et debuit, erranti nocet. Dieser Satz ist richtig; es folgt aber nicht daraus, daß der Kontrakt
selbst, wozu Jemand durch einen solchen Irrthum verleitet worden, gültig sei. Dies kann niemals an-
genommen werden, weil immer ein defectus in cronsensu da ist, der orror mag vincibilis oder invin-
cibilis sein. Aber das folgt daraus, daß ein solcher Irrender den anderen Theil indemnisiren muß, der
den Irrihum nicht gewußt, auf seine Willenserklärung sich verlassen und seine Maßregeln darnach ge-
nommen hat.“ (Bornemann, I. 347, Anm. ").) Jenes sagen nicht allein die DD., sondern eine
große Anzahl von Stellen des R. R., z. B. L. 9, §. 2 D. de juris et factl ignorantia (XXII, 6):
Beod sacti ignorantia ita demum cuilqgue non nocet, si non ei summa negligentis obliciatur.“ Allein
dieser Grundsatz bezieht sich gar nicht auf den sog. wesentlichen Irrthum: die Willensrrinbrungen:
bei welchen ein solcher vorsällt, sind nicht aus dem Grunde des Irrthums, sondern weil der Wille