Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Willenserklärungen. 165 
8. 140. Aufßer diesem Falle gibt bei Willenserklärungen, woraus gegenseitige 
Rechte und Verbindlichkeiten entstehen, ein Jrrthum un Bewegungsgrunde dem Irren- 
den niemals das Recht, von seiner Erklärung wieder abzugehen 7"7). 
8. 150. Hingegen sind Willenserklärungen, woraus nur der, zu dessen Gunsten 
sie geschehen, allein den Vortheil ziehen würde, unkräftig, sobald erhellet 18), daß 
der ausdrücklich angeführte irrige Bewegungsgrund die einzige Ursache der Willensäu- 
ßerung selbst gewesen sei 1“). 
§. 151. Was von falschen Bewegungsgründen verordnet ist, das gilt auch von 
falschen Beschreibungen 150). 
147) Auch wenn der Beweggrund ausgesprochen und unrichtig ist (falss causa), macht er das 
Rechrsgeschäft in der Regel nicht ungülrig, denn der Erklärende kann noch andere Beweggründe ge- 
dadt haben, die er nicht ausgesprochen hat. Aber der Dolus des Anderen macht davon eine Aus- 
nahme. Dies stimmt mit dem RN. N. überein, und darin, daß der Betrug eines Dritten keinen 
Einfluß auf die Gültigkeit der Erklärung hat (§. 148), wogegen der Betrüger mit der actio doll auf 
Entschädigung belangt werden kann. L. 18, §S. 3 D. de dolo (IV, 3). 
148) Es muß aus den Umständen sicher zu entehmen sein; anderer Beweis ist unzulössig. 
Bergl. s. 55 und L. 1 C. de falsa causa (VI, 44). 
149) Eine zweite allgemeine Ausnahme von der Regel (Anm. 147). Das R. R. hat den glei- 
chen Grundsatz bei Legaten, wenn aus den Umständen erhellet, daß ohne den Zrrthum im Beweg- 
grunde das Vermächtuiß unterblieben sein würde. L. 72, §. 6 D. de cond. (XXXV. 1); L. 1 i. 1. 
C. de falsa causn (VI. 44). Eine einzelne Anwendung davon ist das Vermächtniß einer Frig, für 
eine eigene gehaltenen fremden Sache. §. 4 J. de leg. (II, 20); L. 67, §S. 8 de leg. II; A. L.R. 1, 
12, §. 384. Dieser Grundsatz ist absichtlich hier ouf alle lukrativen Geschäste ausgedehnt. Zwei be- 
sondere Ausnahmen machen noch die condictio indebiti (1, 16, §§. 166, 178, 181) und die Fälle der 
addilitischen Klagen (I. 5, §F. 329 — 331), ebenfalls in Uebereinstimmung mit dem R. R. 
(A. A.) Bei bereits durch Uebergabe vollzogenen Willenserklärungen dieser Art kommt diese Vor- 
schrift nicht zur Anwendung. S. unten, Anm. 50, Abs. 3 zu §. 1090, Tit. 11. 
150) Falsche Beschreibung (demonstratio) ist Angabe bezeichneuder Eigenschaften oder Verhält- 
nisse der Person oder Sache, welche nicht vorhanden sind. Diese Unrichtigkeit, wenn sie auch auf 
einem Irrthume beruhet, schadet nicht, vorausgesetzt, daß der Erklärende das falsch beschriebene Indi- 
viduum wirklich gemeim hat. Vergl. 1, 12, §. 518. — Das Gleiche gilt von unrichtiger Benennung 
(nomen), wenn sonst das richtige Individuum gewiß ist, z. B. ein Testator beruft sein einziges Bruderkind, 
Namens Johann, zum Erden, welches nicht Johann, sondern Maria heißt. §. 29 J. de leg. (II, 20); 
I. 16, 5. 1 D. de lex. 1; L. 4 C. de test. (IV., 23). So bei legirten Sachen, bei Verträgen, bei 
Traditionen, bei Beschlagnahmen K. Daher hat z. B. die unrichtige Bezeichnung der für den Exe- 
kutionssucher mit Arrest belegten und hiernächst demselben überwiesenen Hypothekenforderung seines 
Schuldners die Unwirksamkeit des Arrestes und der lederweisung nicht zur Folge, insofern nur gegen 
die Identität der nach der Absicht des Exekutionssuchers urit Arrest zu belegenden und zu überwei- 
senden, sowie der mit Arrest belegten und überwiesenen mit der eingetragenen Post kein Zweifel ob- 
waltet. Erk. des Obemr. v. 11. Dez. 1855 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XX. S. 51). — Eben so gleichgül- 
tig ist die etwa aus Rechtsunkunde geschehene, unrichtige Benennung des Rechtsgeschäftes. — Anders 
verhalt es sich, nach R. R., mit der unrichtigen appellativen Beuennung einer Ganung. Wenn 
z. B. der Testator seine Betten, Wäsche und Mobilien vermachen will und in dem Glanben steht, daß 
unter dem vermachten „Hausrathe“ diese Sachen begriffen seien, so wird nach dem Pandektenrechte 
(vorher war darliber Meinungsverschiedenheit) angenommen, das Vermächtniß gelte nicht, denn das 
Ausgesprochene sei nicht gemeint, und das Gemeinte nicht ausgedrückt. I. 4 pr. D. de leg. 1; L. 7, 
S. 2 D. de suppell. (XXXIII, 10). Nach den Grundsätzen des v.N. ist das nicht anzunehmen. Wenn 
darüber kein Zweijel ist, was der Erklärende gemeint hat, so ist die irrige Beuennung unerheblich. 
Damit verwandt ist der Fall, wo eine Gattung, der Meinung entsprechend, richtig benannt, aber 
mit solcher Eigenschaft irrig versehen, also auf diese besondere Art beschränkt wird, welche gar nicht 
vorkommt. Z. B. der Fall der L. 7, §. 1 D. de trit. (XXXIII. 6): es werden 100 Scheifl. Weizen 
von der Art vermacht, von welchem jeder Scheffl. 200 Pfund schwer ist. Die Röm. Juristen sagen: 
es sei nichts legirt. Auch das entspricht uuseren heutigen Ansichten nicht; die Erklärung muß so aus- 
Frett werden, daß sie nicht ohne alle Wirkung ist 6# 74 d. T.), und deshalb ist anzunehmen, der 
estator habe die beste Sorte zuwenden wollen. Vergl. 1. 12, §. 518. (4. A.) Ein nach §. 151 
zu beurtheilender Fall ist auch der, wenn zwei Grundstücke zusammen für einen Preis gekauft sind 
und in der Kaufsurkunde nur das eine Grundstück genannt wird in der Meinung, daß damit auch 
das andere bezeichnet sei. Hier sehlt es nicht au dem schriftlichen Vertrage Üüber das andere mitge- 
meinte aber nicht spezifisch bezeichnete Grundstück. Vergl. Erk. des Obertr. vom 18. Febr. 1859 
(Arch. für Rechtsf. Bd. XXXII, S. 273). Ebenso wenn bei dem Abschlusse eines Kaufkontrakts über 
Belchrei. 
dung.
	        
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