Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Vertrãgen. 193 
8. 113. Ist aber der Vertrag unter Abwesenden bloß durch Briefwechsel, ohne 
Errichtung eines formlichen Instrüments, geschlossen worden, und waltet in den 
Wohnörtern der Kontrahenten eine Verschiedenheit der gesetzlichen Formen ob, so ist 
die Gültigkeit der Form nach den Gesetzen desjenigen Orts zu beurtheilen, nach welchen 
das Geschäft am besten bestehen kann?). 
S. 114. Eben dieses findet statt, wenn der Vertrag von mehreren Orten, welche 
in Ansehung der Form verschiedene Rechte haben, datirt ist. 
§. 115. In allen Fällen, wo unbewegliche Sachen, deren Eigenthum, Besitz 
oder Nußung der Gegenstand eines Vertrages sind, müssen wegen der Form die Ge- 
sete des Ortes, wo die Sache liegt, beobachtet werden?0). 
S. 116. Verträge, welche vermöge des Gesetzes, oder einer Abrede der Par- 
teien, schriftlich geschlossen werden sollen, erhalten ihre Gültigkeit erst durch die Un- 
terschrift? ). 
95) Zu Stande gekommen ist ein solcher Vertrag an demjenigen Orte, wo der antragende Brief 
empfangen und zustimmend beantwortet worden ist, os so, als wenn der Anfragende dorthin gereist 
  
wäre und mündlich angefragt hätte. Die Gesetze dieses Ortes sollen hier aber nicht emtscheiden, viel- 
mehr die des Wohnsitzes der Parteien. In der Sa liegt kein Grund, warum es in diesem Falle 
anders sein soll als in dem des vorhergehenden 8. 112. Indeß ist es einmal bestimmt, es ist mithin 
das Recht des Wohnsitzes der Parteien das anwendbare. Für den Fall eincs verschiedenen Rechts am 
Wohnsitze beider Parteien ist hier eine aushelsende Regel gegeben in der wohlwollenden Absicht, das 
Rechtegeschäft aufrecht zu erhalten. Diese kann jedoch nur auf die Form angewendet werden, wic 
deun hier auch anedrücklich nur von der öußeren Form Rede ist. Allein der F. 113 spricht doch aus, 
daß hauptsächlich das Recht des Wo#nsien der Parteien für die aus einem Rechtsgeschäfte entstehen- 
den Rechtsfragen bestimmend sei; und es liegt gewiß im Sinne dieser Vorschrift, dan dieser Grundsatz 
auch in anderen Beziehungen, wo es auf die Art der Wirkung des Vertrages ankommt, anzuwenden 
sei. Daraus folgt, daß bei zweiseitigen Verträgen die Verbindlichkeiten cmes jeden Theiles nach dem 
an dessen Wohnsitze geltenden Rechte zu beurtheilen, wenn nicht cin anderes örtliches Recht der Obli- 
gation in der Absicht der Parteien gelegen hat. S. oben Anm. 44, §. 33 der Einleitung. 
96) Ausnahme von der Regel §S. 111. Ueber unbewegliche Sachen entscheiden also immer die 
statuta realia auch in Ansehung der Form, mag der Vertrag geschlossen worden sein wo er will. Ent- 
bält die besondere örtliche lex rei sitae darüber keine Bestimmung, so ist die schriftliche Abfassung er- 
forderlich, denn das L. R. sordert für alle Verträge über Grundstücke und Grundgerechtigkeiten — sol- 
geweise also auch über Gerechtigkeiten, welche zu den unbeweglichen Sachen gerechnet werden — un- 
bedingt die schriftliche Form. §. 135 d. T.; 1, 10, §§. 15 — 17; 1, 21, §. 233. Pr. des Obertr. 
v. 12. August 1836. (Entsch. Bd. I. S. 263.) Vergl. Bd. XVII, S. 132. (4. A.) Damit ist je- 
doch nicht gesagt, daß dergleichen Verträge von Ausländern über ein im Inlaude belegenes Grund- 
süück nur vor einem diesseitigen Gerichte gültig abgeschlossen werden könnten. Man hat mit der vor- 
geschriebenen Form die Erfüllung derselben verwechselt und ist dadurch zu der Behanptung gekommen, 
daß ein gerichtlicher Vertrag, welcher in einem Lande des Gemeinen Rechts nach der daselbst geltenden 
Geschäftsordnung, also ohne Mitunterschrift der Parteien, vorschriftsmäßig ausgenommen und vollzo- 
gen worden ist, in Preußen im Bereiche des A. V.R. nicht gelte. Gegen diesen falschen Rechtssag ist 
das Erk. des Obertr. vom 22. Juni 1857 gerichtet. (Archiv, Bd. XXV, S. 234.) Schon vorher 
hat das Obertr. den Rechtssatz sestgestellt, daß die Frage, wie die Form zu erfüllen, weiter nach den 
Gesetzen des Ortes, wo gehandelt wird, zu entscheiden ist. In den Fällen, wo das A. L. R. einen 
erichtlichen Vertrag vorschreibt, bedars es bei einem von Ausländern im Auslande, nach den dort 
Ur die Aufnahme gerichtlicher Verträge geltenden Vorschriften gerichmich geschlossenen Vertrage, zur 
Gültigkeit der darin enthallenen Eigenthumsübertragung eines im preußischen Gebiete belegenen Grund- 
stückes, der Mitumerschrift der Kontrahenten nicht. Pr. v. 4. Juli 1856 (Entsch. Bd. XXXIII, S. 1). 
97) Unterschrift. 1. Die Unterschrift muß eigenhändig von der Partei oder ihrem legitimirten 
Bertreier geschehen. Daß die Namensnnterschrift von einem Anderen, mit Wissen und Willen einer 
Partei, geichrieben worden, und der darauf bezügliche Inhalt des Diffessionseides, ist darüber, ob ein 
sormell gültiger schriftlicher Vertrag vorhanden, noch nicht entscheidend. Pr. 2077, v. 14. Dezbr. 1848. 
(Emsch. Bd. XVII, S. 457.) Tenn die in der Norm des Diffessionseides enthaltene Bestimmung, 
wonach der Produkt zugleich schwören soll: „daß die Namensunterschrift unter dem ihm vorgelegten 
Instrumente auch nicht an seiner Statt von einem Anderen mit seinem Wissen und Willen geschrieben 
worden sei“, schließt die Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit dieser von einem Anderen erfolgten 
Unterschrist nicht aus. War daher nach den Vorschriften des materiellen Rechts eine schriftliche 
Bollmacht erforderlich, so musß eine solche auch zur Leistung der Unterschrift ertheilt worden sein. Pr. 
1602, vom 23. Angust 1845 (Emsch. Bd. XII, S. 477). Das spätere Pr. v. 30. März 1849 sagt 
Koch, Allgemeines Landrecht I. 5. Aufl. 13 
2. Bon 
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Vertragen.
	        
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