Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

198 Erster Theil. Fünster Titel. 
S. 128. Auf vorgeschützte mündliche Nebenabreden wird, ohne Unterschied des 
Gegenstandes 2), keine Rücksicht genommen?). 
spruch steht mit dem, was die Kontrahenten in Wirklichkeit verabredet haben, ohne daß auch der Nach- 
weis geführt werden müßte, warum der Vertrag anders niedergeschrieben als verabredet worden. 
(Archiv f. Rechtef. Bd. LIII. S. 130.) In dieser Allgemeinheit ist der Sat keine Wahrheit, er stößt 
auch solche Verträge um, welche in Neobenbestimmungen und Modalitäten Abweichungen von der ur- 
sprünglichen Verabredung enthalten, was unnachweisbar ist. Es giebt absolut keinen vernunftmä- 
bigen Grund, warum im letzten Angenblick nicht eine Abweichung von der ursprünglichen Verabre- 
dung sollte genehmigt und diese Genehmigung durch die Umerschrift verlautbart oder ansgedrückt werden 
konnen. Der später abfallende Romtrahent kann daher auf die frühere mündliche Verabredung anders 
nicht zurückgehen, als daß er die spätere schriftliche Vereinbarung beseitigt, d. h. seine ihm entgegenste- 
hende Genchmigung und Vollziehung des schriftlich verlautbarten Vertrages entkräftet. Dies ist nur 
möglich, wenn er thatsächliche Momente nachweiset, aus welchen zu 3 daß es dieser formalen 
Genehmigung der Schrift an seinem Kousense fehle; sonst ist et eben durch die schriftliche Urkunde 
gucherwielen „was die Kontrahenten in Wirklichkeit verabredet haben“. Vergl. auch die folg. Anm. 9, 
i. A. 
8) Bezieht sich nicht auf die rechtliche Natur des Gegenstandes, sondern auf dessen Werth, um 
das Bedenken zu befeitigen: ob nicht mündliche Abreden, neben einem schriftlichen Vertrage, wirksam 
sein möchten, wenn der Gegenstand nicht über 50 Thlr. werth ist. §. 131. 
9) Der §. 128 ist nicht auf solche mündliche Abreden zu beziehen, welche eine Anfechtung des 
schriftlichen Vertrages als rechtsmigültig begründen. Pl. Beschl. (Pr. 1523) des Obertr. v. 31. Ja- 
unar 1845 (Emsch. Bd. X. S. 259). Dadurch foll die unjuristische Meinung, daß die „Nebenabrede“ 
sich auf das äußere Verhäliuiß der Mündlichkeit neben der Schrift beziehe, abgethan und die entgegen- 
gesetzte Meinung, wonach der Gegenstand und dessen rechtliches Verhalmiß zu den Essentialien des Ge- 
schäfts in Betracht kommen, unterstützt werden. Die negative Fassung erledigt aber nicht die Zweisel: 
in wiesern mündliche Verabredungen, welche in der That nur Naturalien und Aceidentalieu betrefsen, 
neben der Schrift in Betracht kommen, nämlich wenn die Schrift die wahre Verabredung der Par- 
teien gegen deren Willen nicht ausgenommen hat, oder wann mündliche Abrede eine Nebenabrede 
im Sinne des §. 128 sei. In cinem Erk. v. 17. Juni 1852 (Arch. f. Rechesf. Bd. IX, S. 284) 
drückt das Obertr. sich positiv dahin aus: Die §§. 127 — 129 beziehen sich lediglich auf Bestimmun- 
gen ÜUber nicht wesentliche Bestandtheile des Vertrages, hinsichtlich deren in Ermangelung einer aus- 
drücklichen Einigung der Kontrahenten der schriftliche Vertrag aus den Vorschriften der Eiete zu er- 
gänzen ist. — Das würden die Naturalien des Geschäfts sein. Aber auch dadurch wird jener Zwei- 
lei nicht erledigt. Als Grundsatz ist anzunchmen, daß auch die mündlichen Verabredungen über Ab- 
änderung der Naturalien erheblich sind, wenn sie einen Bestandtheil des vereinbarten Vertrages aus- 
machen und demnächst in der darüber errichteten Urkunde ohne Willen auch nur einer Partei über- 
gangen worden sind. Folgende Anwendungen sind bekannt geworden: 
a) Wenn neben einem schriftlichen Vertrage ein Gegenstand, der zu den wesentlichen Erforder- 
nissen des Eeschäfts gehört, mündlich abweichend von dem schriftlichen Vertrage vereinbart wird, so 
begründet eine folche Vereinbarung die Ausechtung eines schriftlichen Bertrages. Auf dieselbe lann 
also der §. 128 nicht bezogen werden. Pr. des Obertr. 1533, vom 15. Febr. 1845. Der juristische 
Grund ist, daß der Vertrag andero niedergeschrieben als verabredet worden. Zum Erweise des An- 
sechtungsgrundes genügt aber nicht die Behauptung, daß die Vereinbarung über gewisse Punkte spä- 
ter in die Urkunde nicht ausgenommen worden sei, denn man kann noch bei der Niederschreibung an- 
deren Sinnes geworden sein; vielmehr muß behauptet werden, daß die Weglassung wider den Willen 
der Parteien und warum geichehen sei, z. B. weil die Parteien den Punkt aus Irrthum dem Ber- 
sasser nicht kundgegeben, während sie doch übereinstimmend deabsichtigt bären, die Berabredung zum 
Bestandtheile des schriftlichen Vertrages zu machen; oder weil der Versasser den ihm wirklich verlaut- 
barten Punkt aus Versehen weggelassen und die Parteien den Fehler bei der Vorlesung nicht bemerkt 
bätten. Pr. des Obertr. vom 6. März 1849 in Sachen Rossow wider Müller, 805.3184, III, 48. 
(5. A.) Das Obertr. schwankt auch in dieser Beriehung in seinen Ansichten und Auslassungen. S. 
Anm. 7#, Abs. 2. Es will sich auch nicht schlechthin zu dem Inhalte des angeführten Erk. vom 
6. März 1849 bekennen. In dem in der Anm. 7#, Abs. 2 vorgefübrten Erk. d. 9. Februar 1864 
sagt dasselbe: „um den schriftlichen Revers unwirksam zu machen, genügt der Nachweis, daß derselbe 
im Widerspruch sicht mit dem, was die Kontrahenten in Wirklichkeit verabredet baben. Nur dahin 
gehen auch die Eutscheidungen des Obertribunals. Nirgends aber hat dasselbe 
ausgesprochen, daß auch der Nachweis geführt werden müsse, warum der Ver- 
trag anders niedergeschrieden als verabredet worden, namentlich nicht in dem 
i#tirten Urtheil vom 6. Marz 1849, es ist vielmehr auch in diesem Urtheil für 
allein entscheidend erachtet worden die Behanptung, der Vertrag sei anders nie- 
dergeschrieben, als verabredet worden.“ Das ist eine Ausweichung. Denn davon ist 
kleine Rede, duß die Behanpiung, der Vertrag sei anders niedergeschrieben als verabredet worden,
	        
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