Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

216 Erster Theil. Fünster Titel. 
machen, ob sie lesen oder schreiben können, gleich vor dem Ansang der Verhandlung bekannt machen, 
und auf deren Befolgung dringen. Ist diese Vorschrift nicht befolgt, so ist die Verhandlung für die 
Partei, welche nicht schreiben und Geschriebenes lesen kann, unverbindlich #7). 
3. K.O. v. 20. Juni 1816 (G. S. S. 203). 
Der Zuziehung eines glaubhaften Mannes zu gerichtlichen Verhandlungen mit solchen Personen, 
welche des Schreibens und Leseus unerfahren sind, bedarf es nicht, sobald die Berhandlung von dem 
Nichter unter Zuziehung 7°0) eines Aktuars, vereideten Protokollführers oder zweier Gerichtsschöppen 
aufgenommen wird. 
4. K.O. v. 8. Oktober 1837 (G.S. S. 154). 
Ein zugezogener, gehörig vercideter Dolmetscher gehört zu den vereideten Protokollführern und ist 
deshalb zugleich die zweite Gerichtsperson. 
§. 179. Wer der Sprache, worin das Instrument abgefaßt werden soll, unkun- 
dig ist 7°%8), wird Einem, der nicht schreiben kann, gleich geachtet. (S. 172)77). 
§. 180. Ist der Richter oder Notarius der Eprachs eines solchen Kontrahen- 
ten nicht kundig, so muß ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden. 
§. 181. Vereinigen sich die Parteien über einen unvereideten Dolmetscher 72), so 
muß dieses im Protokolle ausdrücklich bemerkt werden 7). 
§. 182. Mit dem Hauptinstrumente zugleich muß der Richter oder Notarius 
dem der Sprache unkundigen Kontrahenten eine Uebersetzung desselben zur Unterschrift 
vorlegen). (G. 178.) 
— 
69) S. o. die Anm. 64 zu §. 174. 
70) S. Pr. I, v. 8. Jannar 1848 o. in der Anm. 67, Nr. 1. 
70 %) (t. A.) Gänzlich unkundig. Auf den Fall einer unvollständigen Kenntniß der fremden 
Sprache findet die Bestimmung keine Anwendung. Erk. des Obertr. vom 4. Febr. 1858 (Arch. f. 
Rechtsf. Bd. XXVII, S. 266). 
71) Deshalb ist es unerheblich, wenn ein Solcher seine Unterschrift rekognoscirt, oder den Dif- 
fessionseid (Pr.-O. 10, §. 134) nicht leistet. Dem Leugnenden muß der Beweis seiner Sprachkunde 
geführt werden. — (5. A.) Schristliche Berträge eines der Sprache, worin die Schrift abgesaßt wor- 
den, Unkundigen können auch nicht als mündliche bestehen bleiben, es sei denn, daß das Zustande- 
kommen eines dem Schriftstücke entsprechenden mündlichen Vertrages bewiesen wird. Erk. des Obertr. 
vom 2. März 1868 (Arch. f. Rechtsf. Bd. I.XIX, S. 354). 
72) Davon muß der instrumentirende Beamte, unabhängig von der Angabe des Dolmetschers, 
sich Ueberzcugung verschaffen. 
73) Auch wenn die Verhandlung nur cine einseitige Erklärung enthält. R. v. 16. April 1840 
(J. M. Bl. S. 130). 
74) Hierauf kann der Sprachkundige gültig verzichten. Anh. zur A. G. O. (I, 10, §. 19) 8. 75. 
Vergl. R. v. 16. April 1840 (J. M. Bl. S. 153). (3. A.) Zur gehörigen Berzichtleistung ist erforder- 
lich, daß der Vermerk über die Verdolmetschung und Berzichtcistung in der dem Erklärenden verständ- 
lichen Sprache aufgenommen worden. Erk. des Obertr. v. 10. Oktbr. 1856 (Entsch. Bd. XXXIVv, 
S. 54). (4. A.) Der Verzicht ist daher nicht bloß in der deutschen, sondern auch in der Sprache je- 
ner Partei in die Verhandlung aufzunchmen; durch Nichtbeobachtung dieser Vorschrist wird jedoch dem 
Übrigen Inhalte der Verhandlung die Beweiskraft nicht entzogen, wenn anderweit nachsewiesen wer- 
den kann, daß der Verzicht der der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei in der nur in deutscher 
Sprache aufgenommenen Verhandlung richti niedergeschrieben ist. Ges. v. 26. Jan. 1857 (G. S. S. 64). 
Der Vermerk in einer öffeutlichen Urkunde: daß dem der Sprache, in welcher dieselbe verfaßt 
ist, unkundigen Kontrahenten deren Indalt verdolmerscht worden, ist nicht hinreichend, und derselbe 
kann die Vorlegung einer Uebersetzung des Hauptinstrumems und deren Unterschrift von Seiten des 
unkundigen Kontrabenten oder eines Nebenprotokolls nicht ersetzen. Vielmehr trin, im Mangel eciner 
gehorigen Verzichtleistung, die gesetzliche Folge ein, daß die Verhandlung gegen den der Sprache un- 
undigen Kontrahenten nicht beweisend ist und der Vertrag nur gültig bleibt, wenn dessen Richtigkeit 
sonst nachgewiesen werden kann (S. 184). Pr. des Obertr. 2316, v. 9. Onbr. 1851 (Entsch. Bd. XXI. 
S. 184). (4. A.) Dieser Rechtesatz bezieht sich nur auf Berträge und auf das Beweisverfahren durch 
Urkunden in fremder Sprache, nicht auf Audienzprotokolle über die mündlichen Verhandlungen in Pro- 
zessen. Erk. des Obertr. v. 24. November 1859 (Arch. f. Rechtef. Bd. XXXVI, S. 4).