Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Wengen erlit- 
hleuer Berun- 
Ktaltung. 
314 Erster Theil. Sechster Titel. 
§. 117. Ist ein mäßiges Versehen begangen worden, so darf der Beschädiger 
die Vergütung nur nach derjenigen Lage leisten, in welcher der Beschädigte zur Zeit der 
Verletzung sich wirklich befunden hat. 
8. 118. Ist nur ein geringes Versehen vorhanden, so findet bloß die §. 111 be- 
stimmte Schadloshaltung statt. 
S. 119. Sobald der Beschädigte, der Verletzung ungeachtet, durch Anwendung 
seiner körperlichen oder Geisteskräfte zu einem wirklichen Erwerbe 55) gelangt, so muß 
derselbe auf die nach S§. 115, 116, 117 zu leistende Entschädigung abgerechnet werden. 
§. 120. Ist der Beschädigte durch die zugefügte Verletzung nur eine Zeitlang 
zum Betriebe seines Gewerbes außer Stand gesetzt worden, so kann er nur Versäum- 
nißkosten fordern 5). 
8. 121. Diese Kosten müssen nach den S. 115 Ssoq. bestimmten Grundsätzen, je- 
doch nur im Verhältniß der Zeit, während welcher die erlittene Verletzung den Beschä- 
digten an dem Betriebe seiner Geschäfte verhindert, festgesetzt werden. 
§. 122. Nach eben diesen Grundsätzen und mitt blliger Rücksicht auf den nach- 
theiligen Einfluß, welchen eine erlittene Verletzung auf die Glücksumstände 77) des Be- 
schädigten hat, muß der Richter die Vergütung bestimmen, wenn der Deschädite zum 
Betriebe seines Amtes oder Gewerbes zwar nicht gänzlich unfähig, wohl aber ihm die- 
ser Betrieb dadurch schwerer oder kostbarer gemacht worden. 
§5. 123. Wird eine unverheirathete Frauensperson 5#8) durch körperliche Verletzung 
verunstaltet, und ihr dadurch ?) die Gelegenheit sich zu verheirathen erschwert: so kann 
sie von dem Beschädiger Ausstattung fordem. 
§. 124. Diese Ausstattung muß, wenn die Verunstaltung aus Vorsatz oder gro- 
bem Versehen erfolgt ist, nach richterlichem Emrmessen so bestimmt werden, daß die Be- 
schädigte Hoffnung erhalte, eine ihrem Stande gemäße Heirath zu finden, und unter- 
dessen aus den Einkünften derselben ihren Unterhalt 70) nehmen könne. 
Ein Schieserdecker behauptete, in Folge ihm zugefügter Schläge auf den Kopf einen leständigen 
Schwindel erhalten zu haben, wodurch er zum Schieferdecken auf gogen Gebänden unfähig geworden. 
Die Unfähigkeit eines mit Schwindel behafteten Menschen zu solchem Dienste wurde durch Gutachten 
Sachverstünd er nachgewiesen; der Schwindel aber war nicht nachweisbar, der Arzt bekumdee die Mög- 
lichkeit und Wahrscheinlichkeit. Der Beweis wurde für geführt angenommen, und das Gricht sprach 
dem Schieferdecker so viel zu, wie er mit seinem Gewerbe würde haben verdienen könner, monatlich 
(oder wöchentlich) postmumerando auf so lange, bis er vom Schwindel wieder würde geheil: sein. Da- 
bei ist der Beschädiger sicher sehr zu kurz gekommen. 
Eine andere Anwendung findet sich in dem Rechtsfalle, welcher in der Themis von 1827 S. 9051 ff. 
u. S. 971 ff. mugetheilt ist. Jemand, der sich der Feldmeßkunst gewidmet hatte, war durch Beschä- 
digung an der Fortsetzung dieses Studiums verhindert worden, und befleißigte sich darau der Rechts- 
wsssensschak. Die Gerichte (und auch das Obertr.) sprachen ihm den Ersatz dessen zu, wae er in Folge 
dieses Wechsels bis zum juristischen wweiten Examen mehr ausgeben mußte, als ihm die Berndigung 
seines ersten Studimms bis zum Kondukteurexamen gekostet haben würde, indem man amnahm, daß 
er als Feldmesser, hinsichtlich seines Einkommens, einem Unterrichter gleichgestanden haben würde. 
Billig möchte in solcheim Falle dem Beschödiger in der Folge anch das größere Einkomnen eincs be- 
günstigten Rechtsverständigen, in Vergleich mit dem Einkommen eines Feldmessers, zu Gute kommen. 
zsd beiter er in Folge von Glücksanfällen sein Gewerbe ganz auf, so hat der Beschädiger nichts 
mehr zu leisten. 
66) Bei langdauernden Verhinderungen bestehen die Versänmnißkosten eben in dem Einkommen, 
welches der Beschadigte würde haben erwerben können. Agl. Anm. 64, Alinca 2 u. den plg. §. 121. 
67) Darunter werden schlechtweg die Vermögensumstände und das gewerbliche Einkomnen gemeint. 
68) Ohne Unterschied des Alters. Der Vorschlag, die Anwcndung auf Frauensperpnen unter 
40 Jahren zu beschränken, fand zwar Suarez.“ Beisall, ist aber dann nicht weiter beachet worden. 
69) Die Person muß mithin nicht schon vorher, durch zu hohes Alter. Gebrechlichkeit oder Häaß- 
lichkeit in einer hoffunngelosen Lage gewesen sein. Ist die verunstaltete Person reich, so kanr ihre Lage 
durch eine hinzutretende Ausstattung nicht verbessert werden. Ist sie noch nicht mannbar, so braucht 
die Ausstattung erst mit dem Eintritte des hewathsfähigen Alters erlegt zu werden; die Schrid ist bis 
dahin eine bedingte. " # 
70) Dabei ist ihr eigenes Vermögen und ihre Erwerbssähigkeit zu berücksichtigen, weil Beides in 
Anschlag kommt, wenn die Person auch nicht verunstaltet worden wäre. 
 
	        
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