Von Gewahrsam und Besitz. 317
§. 2. Auch der ist ein bloßer Inhaber, der eine Sache nur in der Absicht, darü-
ber für einen Andern oder in dessen Namen zu verfügen:), in seiner Gewahrsam hat.
5. 3. Wer aber eine Sache in der Absicht, daruber für sich selbst s) zu verfügen,
ise oder durch Andere, in seine Gewahrsam nimmt, der wird Besitzer der
Sache #).
§. 4. Wer ein Recht ausübt, ist Inhaber des Rechts 5).
500 Wer aber ein Recht für sich selbst ausübt, wird Besitzer des Rechts ge-
naunto).
fundene Rechtsstand sestgestellt werden. Als Erkenntnißquelle wird das R. R. bezeichnet: die ein-
heimische Gesetzgebung datte sich mit dem Besitze auch nicht befaßt. Das R.N. wurde nach der Dar-
kellungsweis der Schriftsteller aufgesaßt, die gerade in dieser Lehre mehr als in jeder auderen in ihren
Vorstellungen von einander abwicken. Die Verf. selbst stimmten in ihren Ausdrücken und Begriffen
nicht überein. Wahre Quelle des L.R. sind somit die Meinungen und Ansihten der einzelnen Verfasser
dieses Titels und die Schriften der von ihnen benutzten Schriststeller, als welche Berger, Leyser,
Voet, Strube und Wernher genannt werden. Darüber s. m. die merkwürdigen Materialien
des A. L.NR. zu den Lehren vom Gewahrsam und Besitz, von Simon und v. Strampff, auch als
III. Band der Zeitschrift für wissenschaftliche Bearbeitung des Preuß. Rechis. Berlin, 1836.
1) Das heißt, wer thatsächlich in der Lage ist, mit einer Sache willkürlich und ausschließlich zu
verfahren, damit zu machen was ihm gutdünkt. Eine Berechtigung dazu wird hierbei nicht vorausge-
setzt, auch wird eine Willenserklärung (Rechtshandlung) unter der Verfü ung nicht gemeim, obgleich
nicht ausgeschlossen. In der Erscheinung äußert dieser thatsächliche Zustand sich als die Ausillung
des Eigenthums. — (5. A.) Vergl. unten, Anm. 76 # zu §. 122 d. T.
2) Damit ist nicht etwa eine besondere Art von Inhabern bezeichnet. Nach der Absicht, welche
eine Person, die sich in dem im §. 1 bezeichneten thatsächlichen Verhältnisse zu einer Sache befindet,
damit verbindet, ist sie ein bloßer Inhaber oder ein Besitzer. Die Absicht des Inhabers muß negativ
dahin ansgedrückt werden, daß er nicht für sich die Sache haben will. Das ist auch der Fall mit
dem Inhaber, von welchem der §. 2 spricht. Den Gegensatz drückt der §. 3 aus. Das N. R. unter-
scheidet die verschiedenen Inhaber in dieser Weise nicht. Die Verfasser mußten dies thun, weil sie in
einem Falle, wo der Inhaber allerdings die Absicht für sich zu haben hat, doch nicht Besitz anneh-
men, nämlich wenn die Besitzergreifung fehlerhaft ist. 88. 98, 108 d. T.
3) Diese Absicht macht den Inhaber zum Besitzer, mit Ausnahme des in der vor. Anm. 2 ge-
dachten Falles. r animus possidendi muß jedoch nicht nothwendig auf das Eigenthum *5 (ani-
mus domini), er muß aber jedenfalls ein auimus sibi habendi sein, d. h. darauf gerichtet sein, die
Sache zu irgend einem eigennützigen Zwecke zu haben. Vergl. S#. 6 u. 7.
4) Dieser Begriff des Besitzes stimmt mit dem Begriffe der röm. possessio überein. Ueber die
rechtliche Natur des Besitzes find die Verfasser nicht im Klaren gewesen. Die Auffassung jener Zeit
nahm den Besitz für Thatsache nud Recht zugleich, aber in einem anderen Sinne als das N. R.;
denn mauche zählten den Besitz zu den dingüichen Rechten. Soweit sind die Verfasser des L.N. nicht
egangen; denn die Klagen zum Schutze des Besitzes werden als persönliche Klagen aus einer uner-
Mobten Haudlung beseichuer (6. 148 d. T.), weshalb sie auch dem bloßen Inhaber, nur nicht dem
Besitzer gegenüber, zugeschrieben werden (88. 141, 144, 146), Doch giebt es auch eine Meinung unter
dl Kreumitshen Praktikern, welche diese Natur der Besitzklagen leugnet. Entsch. des Obertr. Bd. XVlll,
. 16.
(. A.) Der Nachbar, welcher die Luftsäule über der zwischen seinem und dem gegenüber liegenden
Gebäude befindlichen Gasse aus eigenem Rechte benutzt, ist Mitbesitzer der Gasse. Erk. des Obertr.
vom 22. Dez. 1851 (Arch. f. Rechtsf. Bd. V. S. 225).
5) Gewahrsam aber wird ihm nicht zugeschrieben, diese ist auf körperliche Sachen eingeschräukt.
Simon, Material., S. 604.
6) Die beiden §§. 4 u. 5 definiren die juris quasi possessio, und zwar in derselben Allgemein-
heit wie das Eigenthum an Rechten. Der Rechtssatz geht parallel mit dem Eigentbume an Rechten,
denn er besteht nach dieser Definition, in der Ausüdung eines Rechts. In dieser Allgemeinheit hat
aber der Rechtsbesitz keine Realität; die possessorischen Rechtsmittel lassen sich nicht auf den Besitz eines
jeden Rechts anwenden. Gegenstand des Rechtsbesitzes können eigentlich nur solche Rechte sein, bei
welchen eine gewaltsame, heimliche, oder bittweise Störung denkbar ist. Ob sie dingliche oder nur per-
sönliche sind, ist dabei nicht entscheidend. Gegen Störungen im Besitze negativer Rechte, wenn diese
auch persönliche, nicht dingliche find, sich aber auf den Besitz von Sachen beziehen, findet das posses-
sorische Rechtsmittel statt. Pr. 1358, vom 6. Nov. 1843. S. jedoch unten die Anm. 50 zu §F. 81.
Dagegen kann der Schutz im Besitze eines affirmativen Rechts, — gleichviel, ob solches dinglich oder
persönlich, sortdauernd oder nur unter gewissen Verhältnissen wiederkehrend ausgellbt sein möge, —