Von Gewahrsam und Besitz. 323
8. 38. Kann hingegen der Eigenthümer die Sache selbst wegen des verjährten
redlichen Besitzes der Gemeine überhaupt, nicht zurückfordern, so kann er zwar, auch
wegen der bisherigen Nutzungen, nur an die unredlichen Mitglieder sich halten;
§. 39. Er tritt aber auch in Ansehung der künftigen Nutzungen an die Stelle
dieser unredlichen Mitglieder 12).
S. 40. Bei jedem Nachfolger im Besitz wird die Beschaffenheit seines Besitzes bloß r—
nach seiner eigenen Redlichkeit, nicht aber darnach beurtheilt: ob sein Vorfahr ein red= im S
licher oder unredlicher Besitzer gewesen sei "2)).
§. 41. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Nachfolger im Besitze zugleich
Erbe des Vorfahren ist, oder nicht.
§. 42. Doch muß der Erbe die Folgen des unredlichen Besitzes seines Erblassers
aus dessen Nachlasse vertreten 170).
§. 43. Niemand kann, ohne oder wider seinen Willen, wirklicher Besitzer einer #e# Erver-
Sache werden, wenn gleich dieselbe in seiner Gewahrsam sich befindet. ",
Man hat beabsichtigt, den Eigenthümer in Vortheil zu setzen bei der Absorderung seiner Sache mit
Früchten, und in dieser wohlwolleuden Absicht hat man ihm diese eine umsasseude und einsache Klage
verkümmert und dafür in hundert verschiedene und verwickelte Prozesse gestürzt. Uebrigens hat die hier
“*u die redlichen Mitbesitzer gegebene fubsidiarische actio in lactum wegen Bereicherung keine Beson-
iten.
19) Die Bestimmungen der §§. 38 u. 39 führen ein andetes abnormes Verhältuiß ein: die Sache
ist Eigenthum der juristischen Person geworden, der vorige Eigenthümer aber soll Mütbesitzer des Nn-
vungerechts an Stelle der unredlichen Einzelnen sein, also gewisermaßen Mitglied der Konumnune. Soll
dieses Verhältniß für alle Zeiten dauern, oder nur auf Lebenszeit der unredlichen Mitglieder? Man
scheint das Letztere beabsichtigt zu haben, wenn dabei Überhaupt an die Folgen gedacht worden ist. Wei-
ter fragt sich: Wie soll es werden, wenn die Korporation beschließt, ihre Sache zu veräußern, oder die
Benutzungsart zu äudern? Soll dann der frühere Eigenthümer sein Nutzungsrecht oder vielmehr den
Mitbesitz desselben behalten? Oder soll er wider seinen Willen durch den Beschluß der Korporation sei-
nes Mübesitzes entsetzt werden können, behuss des Verkaufs? Und soll er dabei die unredlich gewesenen
Mitglieder, an deren Stelle er Mitbesitzer geworden ist, auch bei Fassung des Gemeindeschlusses vertre-
ten dürfen? Auf alle diese Fragen läßt sich, bei den rein willkürlichen Satzungen, nach den Gesetzen
der juristischen Logik nicht antworten; die Antwort muß wieder willkürlich aussfallen.
198) (3. A.) Doch versteht sich, daß dem Nachfolger im Besitze der u uredliche Besitz des Vorfahrs
nicht zu gut gerechnet wird; die accessio possessionis fällt weg, wenn der Vorfahr ein unredlicher Be-
siter war. Zu vergl. unten, Anm. 52 zu 8. 614, Tit. 9.
195) (t. A.) Hat z. B. Jemand eine fremde Sache durch eine unerlaubte Handlung an sich ge-
nommen, welche nach seinem Tode der Erbe im Nachlasse findct und titulo pro herede Usukapirt (Tit. P,
§. 617, 614); so muß der Erbe aus der ererbten Euntschädigungeverbindlichkeit des Erblassers den ge-
wesenen Eigenthümer, der sein Eigenthum in Folge jener unerlaubten Handlung durch. Hinzutritt der
Verjährung unwiederbringlich verloren hat und daher seine Sache nicht mehr vindiziren kann, schadlos
dalten. Diesen Rechtssatz hat das Obertr. in seinem Erk. v. S. Jan. 1863 (Arch. s. Rechtsf. Bd. XLIX,
S. 19) verkannt. Dasselbe sagt S. 24: „Sie (die Bekl.) haben das im Nachlasse ihres Vaters vorge-
sundene Grundstück in Besitz genommen und dadurch ein Verhältmiß begründet, welches zu dem Erwerbe
desselben durch die Verjährung ex titulo pro herede führen konnte und mußte. Dieser Erwerb ist eine
lge der von dem Beklagten vorgenommenen Besitzergreifung und steht keinesweges mit dem unred-
lichen Besfitze ihres Erblasten in soicher Verbindung, daß er im Sinne des §. 42 als Solge jenes un-
redlichen Besitzes angesehen werden konnte.“ Diest Erwäsung. geht sehl. Die Erwerbung der Sache
durch die Usukapion neitens der Erben ist in Beziehung auf die Verbindlichkeit des Erblassers, den durch
seine unerlaubte That Beschädigten schadlos zu halten, eine gang gleichgiltige Begebenheit; die Entschä-
digungsverbindlichkeit ex delicto ist nicht durch die Besitzergreisung un Ihurapen seitens der Erben,
sondern durch die unerlaubte That des Erblassers entstanden und diese Schuld des Erblassers ist auf
die Erben übergegangen. Die fragliche Sache brauchte nicht mehr im Nachlasse vorhanden zu sein und
vorgefunden zu werden; sie konnute dem Erblasser wieder durch ein Delikt, etwa durch Gewalt, entzogen
worden sein und die Erben mußten doch bezahlen, was ihr Erblasser schuldig gewesen war. Wenn sie
nun zu ihrem Vortheile obenein jene Sache titulo pro herede usukapirt haben, so leuchtet doch wohl
ein, daß diese ihre Erwerbung keiue Art ist, die Schuld ihres Erblassers # delicto zu — Der
P. 42 ist mißverstanden; die „Folgen des unredlichen Besitzes“ sind eben die Vererbung der Schuld des
Erblassers.
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