Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

324 Erster Theil. Siebenter Titel. 
8. 44. Soweit also Jemand seinen Willen zu erklären unfähig ist, soweit kann 
er durch sich selbst keinen Besitz erlangen 20). · 
§.45.NurinsofemU)RechtedukchdieVetttägeemesAndemerlangtwet- 
20) Juristische Personen als solche sind physisch willensunsähig; denn sie sind nicht Menschen; 
sie können mithin in allen Fallen nur durch Vertreter einen Willen büten und äußern, folglich auch 
nur durch solche Besitz erwerben. Wer in dieser Hinsicht als Vertreter für die juristische Person han- 
deln könne, darüber s. o. die Anm. 17. Dort ist die Frage: ob einzelne Mitglieder ohne verfassungs- 
mäßigen Auftrag oder Beschluß der juristischen Person für dieselbe Besitz erwerben können?7 schon er- 
ledigt. Eine andere Frage ist die: Was für Beamten es sein müssen, welche, zum Zwecke der Besitz- 
erwerbung, für die juristische Person den erforderlichen animus fassen können. Nach allgemeinen Rechts- 
grundsätzen ist die Berechtigung dazu durch das Amt gegeben und durch dessen Umsang begrenzt. Wer 
also in der Eigenschaft als Beamter einer juristischen Person und in den ressortmäßigen Grenzen seines 
Amtes Besitzhandlungen unternimmt, der handelt für die juristische Person. Dies ist durch den Pl.= 
Beschl. des Obertr. v. 5. April 1852 (J.M. Bl. S. 183), in Beziehung auf die Erwerbung eines Hll- 
tungsrechts, für richtig erkannt worden, zwar zunächst ansdrücklich für das G. N., indem der Ausspruch 
lautet: „Nach G. R. bedarf es zur Erwerbung eines Hütungsrechts für eine Gemeinde durch Aus- 
Übung der Hütung von Seiten des Gemeindehirten weder des Nachweises eines besonderen Auftrages 
außer dem Gemeindehirtenamte, noch des Beweises, daß die Gemeinde von dieser Ausübung Wissen- 
schaft gehabt, oder ausdrücklich genehmigt habe.“ Unter Bezugnahme auf L. 2, 42, §. 1; L. 49, §F. 2 
D. de acquir. vel amitt. poss. (Xl.I, 2); L. 47 D. de usurpat. et usucap. (XLl, 3); L. 1 C. de sc- 
quir. et retin. poss. (VII, 32); A. L.R. I, 7, 85. 43 ff. Allein die Gründe dieses Präj. gelten auch 
für das L. N. Die Zweifelsgründe s. m. in der durch diesen Plenarbeschl. verworfenen Senatsentsch. 
vom 5. Oktober 1846 (Entsch. Bd. XIV, S. 199). 
Was die physischen Personen betrifft, so sind diese nur dann, wenn sie physisch willensunfähig 
sind, wie z. B. Kinder, Rasende und Wahnsinnige und andere in einem vernunftlosen Zustande be- 
sündche Personen, unfahig, durch sich selbst Besitz zu erwerben, nicht aber solche tharsächlich willens- 
ähige Personen, welche aus juristischen Gründen handlungsunfähig sind, wie Unmündige, Minder- 
jährige, Berschwender. Bei Blödsinnigen kommt ee auf den Geisteszustand an. Es ist bestritten, daß 
es bei der Besitzerwerbung bloß auf die physische Willensfähigkeit ankomme, und nach der Fassung des 
S. 44, welcher auf die Lehre von Verträgen hinweist, kann es wohl bezweifelt werden. Allein der 
simerilel verschwindet bei der Erwägung, daß der Besitz kein Rechtsverhältniß und auch keine Sache, 
ondern seinem Wesen nach ein faktisches Verhältniß ist (vergl. Entsch. des Obertr. Bd. XVIII, S. 8), 
die Besitzhandlungen also keine Rechtsgeschäfte sind; und daß der Besitz als solcher dem juristisch 
Handlungsunsähigen niemals Nachtheil bringen kann, weil er keine anderen Verpflichtungen für eine 
solche Person zur Folge hat, als die Gewahrsamkeit mit sich bringt. 
21) Nur insofern. Wo also eine Stellvertretung Überhaupt nicht zulässig ist, da kann auch Besitz 
nicht durch Stellvertreter erworben werden. Die hauptsächliche Bedeutung der Bestimmung besteht aber 
darin, daß eine wissentliche Beziehung zwischen dem Vertretenen und dem Verrereter stalrfinden muß, 
daß Beide die Vertretung wollen müssen. Wenn also der Vertreter für sich Besitz erwerden will, oder 
wenn er zwar für uns den Besitz ergreist, wir aber dazu keinen Anftrag gegeben haben und es auch 
nachher nicht genehmigen, so ist für uns kein Besitz erworben. (Vergl. Entsch. des Obertr. Bd. XVII, 
S. 23.) Deéshalb läßt sich auch nicht behaupten, daß ein Pächter stets nur als Stellvertreter des 
Verpächters handle, indem er die dem Pachtgute wirklich oder vermeintlich zustehenden Rechte ausllbt. 
Es muß ein Auftrag oder eine Genehmigung nachgewiesen werden. Erk. v. 22. Dez. 1847 (Arch. für 
Rechtsf. Bd. III. S. 251) und Erk. des Obertr. v. 17. Febrnar 1857 und vom 11. März 1858 (Arch. 
f. Rechtef. Bd. XXIV, S. 69 und Bd. XXIX, S. 213). Vergl. unten Anm. 76 zu 5. 124 d. T. 
(5. Aä.) Im Falle einer Besitzergreikung durch einen Drinen ohne vorausgegangenen Auftrag ist der Besitz 
nicht erft von dem Augenblicke der macsfolgeneen Genehmigung, sondern von dem Zeitpunktr an, wo 
der Drite für den Genehmigenden den Besitz ergriffen hat, erworben. Tit. 13 5. 239. Erk. des 
Obemr. vom 18. Juli 1863 (Entsch. Bd. I., S. 44). — (3. A.) Ist zwar Auftrag zur Besitzhandlung 
Errien , diese aber nicht als solche ausgeführte z. B. wenn Jemand neinen Leuten aufträgt, Über das 
rundstück eines Anderen zu fahren, diese aber solches nicht ohne Weiteres, sondern erst auf ange- 
brachte Bitte und erhaltene Erlaubniß ausführen; so hat der Auftraggeber keinen Besitz erworben, und 
dieser Einwand muß, bei Nichtigkeit des Urtheils, von dem Richter beachtet werden. Erk. des Obertr. 
v. 30. Mai 1852 (J. M. Bl. 1854, S. 107, Nr. 27). S. u. Amm. 70 zu §. 112. (1. A.) Der 
Grundsatz findet auch bei dem Verluste des Besitzes Anwendung. Wenn dader einem für seinen Dienst 
mietheten Hirten bei Ausübung einer Viehrriebsgerechtigkeit von dem Besitzer des dienenden Grund- 
ücks die Ausübung verboten und hierauf von dem Hirten die Untersagung beobachtet wird, so ist da- 
durch der Rechtsbesitz für den Herrn und Machtgeber des Hirten (Besitzers des herrschenden Grund- 
stücks) verloren, wenngleich der Hirte seinem Dienstherrn von dem ergangenen Verbote keine Anzei 
emacht hat. Erk. des Obertr. vom s. Februar 1859 (Archiv für Rechtef. Bd. XXXII. S. 101). 
ergl. S. 99 d. T. und §. 521, Tit. de (Archiv für Rechtef 
 
	        
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