Von Gewahrsam und Besitz. 331
8. 74. Der, welchem eine Sache körperlich übergeben worden, hat, in Anse- * *
— — Mehrere den
S. 3ös, 365.) — (3. A.) In dem Erk. v. . Juni 1356 (Entsch. Bd. XXXIII, S. 34) bestreitet das esih wer#
Obertr. diese Voraussetzung, behauptend, daß durch einen Vertrag, vermöge dessen ein Kolon von sei-
nem ehemaligen Gutsherrn ein zu dem Kolonate gehöriges, und daher durch die neuere Agrargesetzge-
dung in das Eigenthum des Kolonen Übergegangenes Grundstück in Zeitpacht nimmt, der Verpäch-
ter den vollständigen Usukapionsbesis“ dieses Grundstückes durch ein constitutum posses#o-
rium erlange, nämlich den nichttuulirten, welcher zur Erwerbung des Eigenthums eine dreißigjährige
Dauer ersordert. Denn durch eine solche Zeitpachtung werde die Einräumung des vollständigen Be-
sitzes durch constitutum possessorium bewirkt und dadurch würden, wie schon in dem Obertribunals=
urtel v. 27. Juni 1854 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XIV. S. 96) auerkanut werde, Besitzrechte des Verpäch-
ters und namentlich in Bezug auf die Verjährung begründet. Dies ist eine rechtsirrthümliche Beweis-
führung. Durch den Pachtkontrakt wird zwar der juristische Besitz des Pachtstücks, mittelst eines con-
stitutl possessoril, auf den cerpäherr Übertragen; aber der Pachtkontrakt muß ein gültiiger sein. Der
Eigenthümer kann seine Sache so wenig pachten wie kaufen. Die Pachtung war daher in dem vorlie-
genden Falle nichtig und damit war auch kein rechtlich wirksames constltatum possessorium zu Stande
ekommen; der Kolon könnte sogar das gezahlte Pachtgeld kondiziren, soweit die Kondiktion nicht ver-
jährt ist. Ganz unzntreffend ist die Erwäung S. 38, daß, wollte man aus dem F. 527, Tit. 9 fol-
gern, daß neben dem Verjährungebesitze der längsten Zeit, die Vollendung der Verjährung erst durch
den Nachweis eines zum Eigemhumserwerbe gesdichen Titels zu erzielen sei, dadurch ein flagranter
Widerspruch wider die Bestimmungen der 88. 625—628, Tit. 9 hervortreten würde. Eine solche Fol-
gerung macht Niemand. Die Frage ist vielmehr: ob der Verpächter durch den Kontrakt, wodurch er
dem Kolon (der einfältige Landmann kannte wahrscheinlich die durch das Gesetz — ipso jure — ein-
getretene Eigenthumserwerbung nicht) dessen eigene Sache verpachtet hat, in den Besitz dieser Sache
nn ist. Und dies ist wegen Ungültigkeit des Lachtgeschamte zu bestreiten. Damit wird nicht be-
uptet, daß ein Verpächter allemal einen Eigenthumstidel nachweisen müsse, wenn er sich auf das im
achtkontrakte enthaltene constitutum possessorium berufen will. Die Sache ist umgekehrt: der Päch-
ter muß, wie es der Kolon im Fragefalle P# hatte, sein Eigenthum beweisen, wenn er das cousti-
tutum possessorium nicht gelten lahen will, und dann erst liegt dem Berpächter der Nachweis irgend
einer Beränderung als Gegenbeweis ob.
(. A.) Von diesem Satze ist das Obertr. später, nach seinem Erk. vom 4. Oktober 1860, gewis-
sermaßen wieder abgegangen. Dort wird die Anwendung des Sagzes abgelehnt, weil jener Entschei-
dung ein anderes Sachverhältniß zum Grunde gelegen habe, die Besitzfrage aber wesentlich auf that-
sächlichen Unterlagen ruhe und nach den mannigfaltigen Verschiedenheiten, welche bei derselben hervor-
treten könnten, für deren rechtliche Beurtheilung keine allgemein gültige Norm ausgustellen, dieses auch
— wird gesagt — durch jenes Präjudikat nicht geschehen sei. (Arch. ⅛ Rechtsf. Bd. XI, S. 27.) Die
Schlußversicherung widerlegt sich durch jenes Präjudikat selbst. Die Ausbiegung ist geschraudt. Man-
nigfache Verschiedenheiten in den Thatumständen können bei der bestrittenen Rechtsfrage gar nicht in
Betracht kommen. Die juristische Thatsache dabei ist immer nur Eine, nämlich die: ob der Pächter
Eigenthümer der gepachteten Sache sei. Ist er Eigenthümer, ohne sich dessen bewußt gewesen zu sein,
hat er also im Irrthume über sein Recht seine eigene Sache gepachtet, so ist es bloße Rechtsfrage: ob
dieses Rechtsgeschäft eine gültige Pachtung sei. Die Antwort falle aus wie sie wolle, so stellt gt eine
allgemein gültige Norm dar, die „nach den mannigfaltigen Verschiedenheiten in den thatsächlichen Un-
terlagen“ nicht gedreht werden kann. Lautet die Norm verneinend, so kann auch von einem constitu-
tum possessorium keine Rede sein. Denn diese Form des Besitzerwerbes besteht wesentlich in einer
wechselseitigen Willenserklärung; wenn daher die Erklärung des vermeintlichen Pächters nichtig ist, so
ist er ja nicht Detentor des vermeintlichen Verpächters, folglich kann dieser durch ihn den Besitz gar
nicht erworben haben. Die Erwägung also, daß die Besitzfrage wesentlich auf thatsächlichen Untrerlagen
ruhe, ist hier, bei der in Rede stehenden Besitzerwerbungsform, unzutreffend. — In dem besprochenen
Erk. vom 4. Oktober 1860 spricht das Obertr. ÜUbrigens den Satz aus, daß ein solches constitutom
possessorium durch den, während der Dauer der durch die K. O. v. 5. Mai 1815 angeordneten Sus-
pension der gutsherrlich = bäuerlichen Prozesse, in Form der früheren Leibgewinnverträge von dem Be-
sitzer eines Leibgewinngutes mit dem Gutsherrn abgeschlossenen Pachtvertrag nicht begründet werde.
42) Auch vertrim es die Stelle der Uebergabe, wenn der Verkäufer einer beweglichen Sache mit
dem Käusfer sich dahin einigt, daß Ersterer die verkauften Sachen leihweise in seiner Gewahrsam behalte.
Pr. des Obertr. 701, v. 17. Juni 1839. Diese Form der Uebergabe wird gewöhnlich angewendet bei
den Verträgen, welche Ueberschuldete in fraudem ereclitorum abschließen. (3. A.) Die Form des con-
Sstituti possessorik ist streitig geworden und hat den Pl.-Beschl. v. 20. Nov. 1854 (Pr. 2574) veranlaßt:
„Zur Gülltigkeit eines constituti possessori beim Kaufvertrage bedarf es, wenn der Gegenstand mehr
als 50 Thlr. werth ist, einer schriftlichen Erklärung der Konstituenten.“ (J.M.Bl. 1855, S. 23 und
Entsch. Bd. XXIX. S. 1.)
Man bat mit Vorbedacht die Frage auf den Fall des Kaufs und Verkaufs, bei dem sie streitig ge-
worden, beschränkt, da es allerdings Verträge gäbe, die ohne Rücksicht auf die Höhe ihret Gegenstandes,