Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

332 Erster Theil. Siebenter Titel. 
hung der aus dem Besitze entspringenden Rechte, den Vorzug vor dem, welchem die 
Uebergabe bloß *:) durch Anweisung oder durch Zeichen geschehen ist. 
§. 75. Streiten mehrere, welche die Uebergabe bloß durch Zeichen oder Anwei- 
sung erhalten haben, über die Rechte des Besitzes, so kann sich keiner dieser Rechte ge- 
gen den Andem anmaßen. 
§. 76. Vielmehr muß die Sache so lange in gerichtlichen Beschlag genommen 
werden, bis das Recht zum Besitze entschieden ist. (Tit. 10, §§. 18— 25) 42). 
  
auch wenn sie mündlich errichtet worden, gültig seien, z. B. das Depositum, und für welche daher, auch 
in der Gestalt des constituti possessoril, Schriftlichkeit nicht verlangt werden könne. Desdalb hat man 
die Uumernücung der Meinung, nach welcher die Frage entschieden worden ist, durch den §. 133, Tit. 5 
fallen lassen. Bei dieser Lage des Meinungsstreiks erschöpft der Pl.--Beschl. die Froge nicht. Die Fas- 
sung macht es, mit Rücksicht auf die Schlußerwägung, zweifelhaft: ob die Uebergabe einer erkauften 
Sache für gehörig vollzogen anzusehen sei, wenn die Kontrahenten nach Abschließung des Kaufs münd- 
lich übereinkommen, daß der Berkläufer die gekaufte Sache für den Käuser verwahren solle (Depo- 
situm). Muß dies zugegeben werden, so hat die Verabredung eines Leihvertrages gleiche Wirkung, 
und auf diesen Fall der leihweisen Belassung bezieht sich das Pr. 701, zu welchem der Pl.-Beschl. 
vom 20. Nov. 1854 eingetragen worden ist; das Pr. 701 wäre also unverändert stehen geblieben. Die 
Hassung des Pl.-Beschl. macht jedoch die Sache unklar. (5. A.) In den Gründen ist jedoch S. 12 ge- 
agt: es sei festzuhalten, daß nur davon gehandelt werde, wie die Willenserklärung, von welcher §. 71 
spreche, beschaffen sein müsse, und daß der Einfluß anderer Umstände durch den festgesetzten Grundsatz 
nicht ausgeschlossen werde. Beispielsweise ist auf eine vom Verkäufer mündlich übernommene und wirk- 
lich geführte Berwaltung hingewiesen und allgemein bemerkt worden: die darauf gerichtete Willenser= 
klärung, daß vermöge des mit dem Kaufe verbundenen Nebengeschäftes der Eine die Sache für den 
Anderen in Händen habe, müsse in der für dieses Nebengeschäft selbst gesetzlichen Form abgegeben 
werden. Hieran anknüpsend stellt das Obertr. in dem Erk. vom 4. Juni 1866 den Rechtssatz fest: 
daß, wenn der Verkäufer das berkaufte Grundstück vom Käufer pachtet oder miethet, der Pacht= oder 
Miethsvertrag das coustitutum possessorium enthält, und daß es auch für die Gültigkeit des letzteren 
nur darauf ankommt, daß der Pacht= oder Miethsvertrag in der für ihn selbst erforderlichen ges 
lichen Form abgeschlossen sei. Denn der §. 73 erfordert zu dieser rechtlichen Wirkung nicht für alle 
Fälle einen schriftlichen, sondern nur für jeden besonderen Fall einen rechtsgültigen Vacht= oder Mieths- 
vertrag, felgich genügt auch die mündliche Abrede, daß der Verkäufer für eine Miethe von nur 50 
Thlrn. im Besitze bleite, zur rechtsgültigen Konstituirung eines die Naturalllbergabe ersetzenden con- 
stitutum possessorium. (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXIII. S. 201.) Die Konscquenz hiervon ist, daß ein 
jeder mündlicher Mieths= oder Pachtkomtrakt ein gültiges constitutum possessorium enthält, der Mieths- 
oder Pachtzins sei so hoch wie immer und die Dauer so lange wie man will verabredet. Denn der 
Vertrag ist durch die Uebergabe vollzogen, weil der Verkäufer im Besitze bicibt, mithin gilt der Ver- 
trag, wenn auch nur auf Em Jahr. Th. 1. Tit. 21, 8. 269. 
42 50) (4. A.) Das Obertr. hat angenommen, daß der Gesetzgeber im 8. 74 in der Bezeichnung 
derjenigen Besitzübertragungen, welche hinter die durch körperliche Uebergabe zurücktreten sollen, sämmt- 
liche in den ös. 62—73 erwähnten Besitzübertragungen hat zusammenfassen wollen und also auch das 
constitutum possessorium mit genleint habe. Erk. v. 13. Okt. 1862 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XIVIII, 
S. 23). (5. A.) Dieser Auffassung ist nicht beizustimmen. Besser trifft das Obertr. den gesetzgeberi- 
schen Gedanken des §s. 74 in dem Erk. vom 29. Mai 1865, wo die Frage gestellt wird, was das Ge- 
setz unter einer Uebergabe durch bloße Anweisung verstehe. Darüber beneet es die Auskunft in den 
88. 66—68; diese erklären, sagt Dasselbe, mit Zuverlässigkeit, wie sich der Gesetzgeber den regelmäßi- 
* Fall der Anweisung gedacht habe. Es sei unverkennbar eine schriftliche Anweisung an den Inha- 
z der Sache vorausgesetzt, welche der bisherige Besitzer ausstelle und dem neuen Besitzer aushändige. 
Mit der Annahure derselben seitens des Letzteren fange dessen Besitz an und sei die Uebergabe vollzo- 
gen. Es sei dann dem neuen Besitzer Überlassen, die Anweisung dem Inhaber vorzulegen und die 
ache von ihm zu übernehmen, oder ihn auch mit deren sernerer Gewahrsaim zu beauftragen. Die- 
ponire der neue Besitzer in solcher Weise über die Sache, so sei klar, daß sich die Uebergabe nicht mehr 
in den Grenzen einer bloßen Anweisung des Besitzes befinde, daß sie vielmehr zu einer körperlichen 
geworden. (Emsch. Bd. LIV, S. 62.) ach dieser richtig scheinenden Aufsassung ist der im 8. 74 
vorausgesetzte Fall der, daß in der Zwischenzeit von der Aushändigung der Anweisung an den Assig- 
natar bis zur Vorlegung derselben bei dem Inhaber einem Dritten die Sache körperlich Übergeben 
worden ist. Vergl. §. 66. Daum bleibt die Uebergabe an den Assignatar in den Grenzen einer blo- 
ßen Auweisung. Vergl. unten, Tit. 10, §. 23 und die Anm. 26 dazu. 
43) Mehrere können nicht gleichzeitig eine Sache in sollckum besitzen. Deshalb sind die Vorschrif- 
ten S§. 74— 78 nothwendig.
	        
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