Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Bon Gewahrsam und Besitz. 363 
§. 213. Bestehen dergleichen Ausgaben nicht in baarem Gelde, sondem in Na- 
turalien, so müssen letztere nach dem Werthe zur Zeit der Verwendung ersetzt werden. 
  
Obertr. den Redhibitionskläger auch in dem Falle, wo der Verkäufer mit der Zurücknahme der un- 
brauchbaren Pferde im Verzuge war, die Futterungekosten rund ab. Die Begründung dieses Spruchs 
ia gank neu. An die Spitze seiner Erwagungen stellt er den Rechtssatz, daß der Kläger, als red- 
icher Besitzer, die zur Erhaltung der Pferde nothwendig gewesenen Ansgaben nur insoweit von dem 
Bekl., als dem Eigenthümer und Verkäufer der Pferde, erstattet verlangen könne, als diese Kosten 
nicht aus den Nutzungen der Pferde haben entnommen werden können, und zugleich durch dieselben 
der Vortheil des Bekl. befördert worden. Diefer Say ist in den §§. 212 u. 215 d. T. wirklich ent- 
halten. Aber die Folgerung des Obertr., daß, weil der Kläger in dieser Weise seinen Anspruch 
nicht substantürt habe, er damit abgewiesen werden müsse (S. 171), ist nicht richtig. Der in Rede 
stehende Rechtssacz hat nur Geltung für das Berhältniß zwischen dem redlichen Besitzer und dem Ei- 
genthümer an sich, d. h. so lange in diesem Verhältnisse nichts verändert ist, also bis zum Eintrine 
einer Modifikation. Das Verhältniß wird aber modifizirt durch Mora. Der Auspruch des Klägers 
in diesem Falle war aber nicht auf jene Zeit, für welche der gedachte Rechtssatz gilt, üeta 
folglich brauchte er auch nicht demselben entsprechend substantiirt zu werden, sondern er war gegrün- 
det auf das veränderte Verhältniß seit Eintritt der Mora des Bekl. In dieser Beziehung fagt das 
Obertr.: Mit dem Fütterungs= r. Kostenanspruche des Klägers steht die mora necipiendi des Bekl. 
in keiner Beziehung. Das Fundament dieses Anspruches ist und bleibt, der auf Sei- 
ten des Beklagten eingetretenen mora accsplendi ungeachtet, lediglich die nützliche Verwen- 
dung, eine solche liege nicht vor, der Kl. habe, wenn er nach Eintritt der mora accipiendi den 
Besitz der Pferde oortgcset habe, durch die Unterhaltung der Pferde nur seine Verbindlichkeit erfüllt, 
dazu sei er verpflichtet gewesen und habe dadurch auch nur fein Interesse wahrgenommen, indem er 
sonst die Pferde nicht un dem früheren Zustande zurückgeben können; er hätde sich von dieser Ver- 
pflichtung durch lieserung der Pferde zur gerichtlichen Verwahrung befreien können, und da er die- 
ses nicht gethan, so sei er in der Lage geblieben, daß von ihm eine fremde Sache erhalten worden, 
woflr er nur nach den Grundsätzen der nützlichen Verwendung Ersatz fordern könne. (S. 172, 173.) 
Diese neue Theorie läßt sich als richtig nicht erkennen. Wahr davon ist nur die thatsächliche Schluß- 
behauptung, daß der Kläger in der Lage gewesen sei, eine fremde Sache, die Pferde des Bekl., zu 
erhalten (zu pflegen). Dieses Verhältniß neunen die Juristen und Gesetze nicht nützliche Ver- 
wendung (in rem versio). sondern Geschäftebesorgung ohne Auftrag (negotiorum gestio), der Kosten- 
anspruch des Pflegers muß daher nicht einzig und lediglich nach den Voraussetzungen der in rem 
versio fubstantiirt werden können, sondern er ist nach den Grundsätzen von der negotiorum geslio 
zu begründen, was einen ganz anderen Erfolg hat. Nach den letzteren muß der Geschäftsherr dem 
Besorger die nützlich ausgewendeten Kosten, nach Abzug des Vortheils, der dem Besorger felbst durch 
die Besorgung entstanden ist, erstatten. Tit. 13, §§. 235, 254. Mehr hatte der Kläger von dem 
Lustanzu ter nicht zugesprochen erhalten und dabei hatte er sich beruhigt. Da das Obertrib. sagt, 
der Kläger hätte die Geschäftsbesorgung einem Anderen (dem Gerichte) Übertragen können, und der 
renitente Bekl. doch die durch die gerichtliche Sequestration entstandenen Kosten schließlich hätte berah- 
len müssen, so widerspricht sich das Obertr., wenn es dem Kläger nicht einräumt, die Pflege ge- 
gn Erstattung der Kosten selbst fortzusetzen. Die Depofition als Befreiungemiittel ist ein Recht aber 
eine Pflicht des Schuldners. — Erwähnt maß hier noch werden, daß der preußische Gesetzgeber die 
nämliche Rechtsmeinung über die Futterungskosten = Erstattung bei der Wandlungsklage hat, welche 
hier geltend gemacht ist. In dem für die Hohenzollernsche Lande erlassenen G. vom 5. Juni 1863 
heißt es Art. 3: „Die Aufhebung des Vertrages verpflichtet den Verkäufer zur Erstattung des Kauf- 
preises, sowie der Kosten des Kaufs und der gerichtlichen Besichtigung und der von dem Ver- 
zuge in der Zurücknahme des Thiers an erwachsenen Kosten der Fütterung und 
Pflege. An diesen letztgenannten Kosten ist jedoch der vom Käufer aus dem Thiere von jenem 
Zeitpunkte an gesogene Nutzen in Abjug zu bringen.“" (G. S. S. 447.) Das stimmt mit dem 
§. 216 d. T. überein und ist logisch zwingend, wenn das Rechtsverhältniß rechtsverständig aufgefaßt 
wird. — (5. A.) Das Obertr. versteht sich nun auch zu dieser Rechtsauffassung, aber es will seine 
frÜlpere Meinung über die Substantirrung der Wandlungsklage nicht aufgeben, indem der Wandlungs- 
kläger seine Klage nach den Bestimmungen über die Auceinandersetzung zwischen dem Eigenthümer 
und dem redlichen Besitzer, außer dem Falle eines obligatorischen Verhältnisses (Tit. 7 S. 216), fub- 
stantiiren soll. „Danach“ — sagt dasselbe — „genügt, um den dem Eigenthümer (muß hier heißen: 
Verkäufer, es ist gar nicht nothwendig, daß dieser Eigenthümer sei, der Kläger klagt lediglich aus 
dem obligatorischen Kaufsverhältniß) beförderten Vortheil herauszustellen, die dem Eigenthümer (7) 
Überkommene rechtliche Verpflichtung zur Erhaltung der Sache allein nicht, vielmehr muß der red- 
liche Besitzer näher darlegen, inwieweit die Erhaltungskosten nicht aus den Nutzungen der Sache ha- 
ben genommen werden können, und in dieser Weiie den Anspruch auf Futterungskosten substantiiren.“ 
Erk. v. 31. Mai 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. I.VI. S. 37). Dieses Postulat hat gar keine juristische 
Berechtigung, es paßt nicht auf das Prinzip der Wandlungsklage, welche auch auf die omnis causa,
	        
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