Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Gewahrsam und Besitz. 367 
§. 231. Die an die Stelle der Früchte tretende Geldsumme muß der unredliche 
Besitzer von dem Tage an, wo die Festsetzung derselben rechtskräftig geworden ist?), 
landüblich verzinsen. 
§. 232. JIst die herauszugebende Sache ein Kapital, so muß der unredliche 19) 
Besitzer davon Zinsen nach dem pochsten gesetzmäßig erlaubten; der bloße unrechtfertige 
Veszer aber nach dem landüblichen Satze, durch die ganze Zeit seines Besitzes, statt 
der Nutzung entrichten. 
§. 233. Die Gewinnungskosten der Früchte kann der unredliche, sowie der un- 
rechtfertige Besitzer von den Früchten nur in so fem abziehen, als dieselben nach der in 
weder Provinz und Gegend gewöhnlichen Art des Betriebes wirthschaftlich verwendet 
worden. 
§. 234. Kann er über diese Gewinnungskosten keine zur Zeit der Verwendung 
ordentlich geführte Rechnung vorlegen, so kann er nicht mehr fordern, als nach dem 
Gutachten der Sachverständigen zur Nothdurft erforderlich gewesen. 
§. 235. Die von der Gache entrichteten Lasten und Abgaben, die der Eigenthü- 
mer selbst hätte erlegen müssen, muß sich dieser auf die zu erstattenden Früchte in Abzug 
bringen lassen 20). 
§. 236. Die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Substanz nothwendig ge- 
wesenen Kosten müssen dem unredlichen Besitzer, so wie dem redlichen vergütet werden. 
§. 237. Doch kann er auf den Ersatz solcher Kosten in so femm keinen Auspruch 
machen, als der Verfall der Sache, oder die ihr bevorstehende Gefahr, durch sein eige- 
nes, auch nur Lernn es Versehen veranlaßt worden. 
§. 238. Offenbare Verbesserungen kann er unter der 8. 211 enthaltenen Bestim- 
mung, bloß wegnehmen, wenn der Eigenthümer ihm keine billige Vergütung dafür 
will angedeihen lassen. 
§. 239. Wer nicht unredlicher, sondem nur unrechtfertiger Besitzer ist (S. 14), 
dem müssen die Kosten einer solchen Verbesserung, die nicht weggenommen werden kann, 
soweit ersetzt werden, als sonst der Eigenthümer sich offenbar init seinem Schaden be- 
reichern würde. 
182) (4. A.) Vergl. unten Tit. 16, §. 66 und die Anm. dazu. 
19) Unter den uuredlichen Besitzern wird hier zwar nicht weiter unterschieden, vielmehr dem un- 
redlichen Besitzer überhaupt nur der unrechtfertige Besitzer entgegeugesetzt. Da aber doch der Letztere, 
dem doch immer ein sehlerhaftes Bewußtsein vorgeworfen werden kann, milder bebhandelt werden soll, 
so ist solches von einem bloß fingirten unredlichen Besitzer (s. 222), der in der Wirklichkeit durchaus 
redlich sein kann, nach den von Snuareg geltend gemachten Unterscheidungen (Anm. 17), um so viel 
mehr zu behaupten, und es ist anzunehmen, daß diese Bestimmung ebenso wie die der §§. 240 u. 241 
nur den eigentlich unredlichen Besitzer (S. 229) meint. 
20) Fordert der Besitzer von dem Eigeuthümer die Erstattung solcher nothwendigen Kosten, so 
muß er zuvor über die Nutzungen und Früchte Rechnung legen, da er nur den ungedeckien Betrag er- 
statet zu verlangen berechtigt ist. · 
(4. A.) Der unredliche Besitzer ist überhaupt verpflichtet, dem Eigenthümer Über die gezogeuen 
Nutzungen Rechnung zu legen. Erk. des Obertr. dom 14. Febr. 1853 (Arch. f. Rechtsf. Bd. VIII, 
S. 307). In einem jüngeren Erk. vom 2. Mai 1867 sprach das Obertr. (III. Senat) die entgegen- 
gesetzte Ansicht dahin aus, daß zu einer Rechnungslegung das Gesetz weder den unrechtfertigen, noch 
den unredlichen Besitzer verbunden erkläre. In Folge dessen wurde bei einem späteren Nchhissalle 
die Frage an das Plenum gebracht und dieses stellte per majora durch den Plenarbeschluß v. 4. Mai 
1863 den Satz sest: Ein Beklagter, welcher zur Herausgabe einer Sache mit den Früchten rechts- 
kräftig verurtheilt ist, ist schuldig, für die Zeu seit Insinunation der Klage über die erhobe- 
nen Früchte Rechnung zu legen. (J.M.Bl. S. 143; Entsch. Bd. XIX, S. 21.) Die Rechtsmei- 
nung der Minorität ist hier die richtige. (5. A.) Der Majoritätsbeschluß ist von dem Obertr. auch 
auf den unrechtfertigen Besitzer für anwendbar erklärt worden, welcher auf den Grund eines münd- 
lichen Vertra ein Grundstück besitzt, zu dessen Herausgabe er wegen erklärten Rücktritts von dem 
mündlichen Vertrage, gegen Zahlung des Kaufgeldes, verurtheilt ist; er soll demnach über sämmt- 
liche während der Dauer seines unrechtfertige sitzes gezogenen Nutzungen Rechuung legen. Erk. 
vom 11. Juli 1864 (Entsch. Bd. LII, S. 9). 
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