36 Einleitung.
daß er, ohne Vernachlässigung seiner Pflichten, vor der vollbrachten That, von
dem Verbote nicht unterrichtet gewesen,
annoch gehört werden 27).
Anwendung 8. 14. Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Handlungen und Bege-
der Eeset benheiten nicht angewendet werden 32).
§. 15. Die von Seiten des Gesetzgebers nöthig befundene und gehörig publi-
cirte Erklärung eines älteren Gesetzes aber giebt, in allen noch zu entscheidenden Rechts-
fällen, den Ausschlag 25). .
h. 16. Soll nur die äußere Form einer Handlung geändert und diese Vorschrift
bei allen noch abzuändern möglichen Handlungen beobachtet werden, so muß das
Gesetz hiezu eine hinlängliche Frist bestimmt haben “).
S. 17. Frühere Handlungen, welche, wegen eines Mangels der Förmlichkeit,
nach den alten Gesetzen ungültig sein würden, sind gültig, in 6 fern nur die nach
den neuern Gesetzen erforderlichen Förmlichkeiten, zur Zeit des darüber entstandenen
Streits, dabei angetroffen werden 7).
21) In Anwendung auf Delikte finden sich im R. R. eine Reihe von Aussprüchen, welche von
einer Unterscheidung zwischen Delikten, die schon abgesehen von posttiven Strafgesetzen für strafbar gel-
ten, und solchen Handlungen, deren Strafbarkeit ein bestimmtes Verbot erfordert, ausgehen. Bei den
Delikten der zweiten Klasse wird zwar auch nicht die Unkenntniß des Strasgesetzes nachgesehen, indem
man von Jedem fordert, das Dasein des Gesetzes zu wissen. Aber man nimunt in vielen Fallen Rück-
sicht darauf, wenn der Handelnde zwar das Gesetz kennt, doch über die strafbare Beschaffenheit sciner
Handlung irrt. In diesem Falle wird bei Strafgesetzen von ganz positiver Natur gewissen Klassen
von Personen (Frauen, Landleuten, Soldaten, Minderjährigen) Nachsicht gewährt. Eine ähnliche Aus-
W von der Regel des §. 12 macht hier der §. 13 bei unerlaubten Handlungen, und zwar ohne
Beschränkung auf gewisse Klassen von oncn. — Manche gemeinrechtliche Juristen dachten bei An-
wendung dieser Ausnahme an das Erforderniß der Neuheit des Gesetzes und suchten nach einer Be-
renzung in der Zeit. (Onistorp, peinl. R. Th. 1, §. 48; Glück, Kommentar I1, S. 294 u. A.)
on dcer Auffassung waren auch die Verf. des G. B. anfangs ausgegangen: der umgearbeitete Ent-
wurf bestimmte 4 Wochen nach der Publikation. Im G.V. aber erschen der §. 13 in seiner jetzigen
#oossunge und es ist nicht ersichtlich: wie er in dieser Kuffung in das zum Drucke bestimmte Manu-
kript gekommen ist. (Gesetzrevis. Mot. zum 8. 7 des Eutw. S. 103.) Augenscheinlich entspricht die
Vorschrift, wie sie jetzt ist, dem Sinne ihres Vorbildes besser. (1. A.) Das Obertr. hat angenommen,
daß der §. 13 nach der neueren Gesetzgebung Über die Publikation der Gesetze und Verordnungen für
aufgehoben erachtet werden müsse. Niemand könne sich mit der Unbekanntschaft der gehörig verkünde-
ten Gesetze und Verordnungen entschuldigen. Erk. v. 4. Sept. 1863 (J. M. Bl. S. 254).
22) Diese Vorschrift ist nur auf Gesetze des materiellen Rechts, die nach §. 1 der Einleitung
Gegenstand des Landrechts sind, zu beziehen. K. O. vom 11. Okt. 1839 (G. S. S. 329). — Vergl. u.
S. 51 u. o. Publ.-Pat. §. VIII. Ueber die Anwendung dieser Regel des §. 14 auf die einzelnen Rechte
und Rechtsverhältnisse s. o. die Anmerk. 25 zu 8. VIII, u. unten Anm. 74, Abf. 2 zu §S. 66, Tit. 4.
(4. A.) Hinsichtlich der Pflicht zur Urkundenedition kommen, — wenn dieselbe nicht aus einem in
früherer Zeit vertragsmäßig oder vermöse besonderer Rechtstitel bereits erworbenen Rechte, sondern
lediglich aus den früheren Fmusochlichen erhältnissen hergeleitet wird, — nicht die früher geltend ge-
wesenen, sondern die zur Zeit der verlangten Edition geltenden Gesetze zur Anwendung. Erk. des
Obertr. v. 1. Febr. 1856 (Archiv f. Rechtsf. Bd. XX, S. 105).
23) Der Satz ist unbestritten und uralt. Vergl. Nov. 19 prael. i. f. u. c. 1. Die daneben
stehende hiervon verschiedene Regel des §. 1X im Publ.-Pat. ist bloß transitorisch. Ob eine Verord-
nung des Gefetzgebers eine authentifche Auslegung eines älteren Gesetzes sei, ist eine Thatsache, wor-
Über der Richter zu befinden hat. Vergl. P eiffer, prakt. Ausführungen (Hannover 1828) Bd. U,
S. 385. dedn die Erklärung des Gesetzgebers darüber, so kann die Frage zweifelhaft sein; eine Rechts-
regel kann selbstverstanden Über eine Thatsache nicht entscheiden. Der Ausspruch des Obertr. in der
in Simon's Rechtsspr. Bd. 1II, S. 308 mitgetheilten Entscheidung v. 6. Juni 1833: „Soweit das
neue Gesetz den Grund der älteren Verordnung bestimmt angiebt, erklärt und erläutert es zugleich
dasselbe,“ bezieht sich auf die B. vom 11. März 1818 und das darauf bezügliche spätere Gesetz vom
9. Iuni 1827, mut dessen Auslegung es sich beschäftigt; und darf für einen allgemeinen Grundsatz
nicht genommen werden. In anderen Fällen kann ein nenes Gesetz den Grund des alten sehr wohl
angeben und doch Neues verordnen.
24) Diese Vorschrift giebt der Gesetzgeber sich selbst und ist hier ohne alle praktische Bedeutung.
25) Vergl. §§. 42 u. 43, Tit. 3 und §. XI des Publ.-Pat., auch Note 24 zu §. VII des Publ.-