Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Erwerbung des Eigenthums. 457 
ohne hinzukommende Bearbeitung, aus ihr selbst entstehen, werden Früchte 1) ge- 
nannt. 
§. 221. Die Früchte einer Sache sind, gleich bei ihrem Entstehen, das Eigen- 
thum desjenigen, welcher das Nutzungsrecht der Sache hat?). 
Avulsionen gat vor dem Landrechte R. R., denn es sehlte sowohl an allgemeinen deutschen Gesetzen, 
als an einheimischen Verordmungen. 
*) (5. A.) Luden, Früchte, truetus; in Weiske's Rechtslexikon, Bd. IV, S. 418 ff. — 
Vergl. Hellfeld a. a. O. §. 500 und Glück a. a. O. S. 252 ff. 
*#) (2. A.) Den Begriff der Nutzungen bestiumt der §. 110, Tit. 2. Früchte sind einc Art 
von Nutzungen. Vergl. die Anm. 888 dazu. 
1) Zu den Früchten im weiteren Sinne gehören auch nach pr. R. die Zinsen eincs jeden zins- 
baren Kapitals, insbesondere auch die Zinsen der Pfandbriefe. Sie sind die f. g. kructus civiles, und 
nehmen, als ein Accessorium, an allen Rechten der Hauptsache auch ohne ansdrückliche Bestimmung 
Theil, voraugesen daß von der Sache das Nutzungsrecht nicht getrenm ist. Tit. 2, §. 110 und 
Anm. 81 a. E. zu S. 108, Tit. 2. Bergl. Emsch, des Obertr. Bd. I. S. 240. (4. A.) In einem 
Erk. vom 17. Februar 1860 (Arch. f. Rcchtsf. Bd. XXXVI. S. 236) sagt das Obertr. wieder das 
gerade Gegemheil von dem, was es a. a. O. (Entsch. Bd. 1. S. 210) ausgeführt hat. In dem Erk. v. 
17. Febr. 1860 wird, im Widerspruch mit sich selbst, gesagt: Unrichtig ist die Oebaupung daß — 
auch die Zinsen eines Kapitals zu dessen Früchten, als s. g. krucius civiles gehören. Dieser An- 
nahme steht der §. 220, 1, 9 geradezu entgegen. Hiernach können Zinsen, welche nicht nach dem 
Laufe der Natur aus dem Kapitale entstehen. — zu den Früchten im Sinne des I. 
T.R. nicht gerechnet werden. Ueber diesen Sinn sieht das Obertr. dies Mal im Irrihume. Daß das 
A. L.R., in Uebereinstimmung mit dem Gemeinen Rechte, unter Nutzungen einer Sache sowohl 
fructus naturales als civiles des gemeinen Rechts versteht, kann man aus den SS. 105—107, Tit. 11 
sehen und aus dem, was der Versasser, der den Siun seiner Worte doch am Besten kennen mußte, 
dazu sagt, inne werden. Er sagt in der revidio monitorum zu diesen S§.: „Viele Monenten sind der 
Meinung, daß zwischen den, §§. 147 und 148 (dies sind die §§. 106 und 107 des heutigen Textes) 
bestimmten Nutzungen kein Unterschied zu miachen, vielmehr alle fructus tam naturales quam civ'les 
zwischen dem Käufer und Verkäufer pro rats ihrer Besitzzeit zu theilen.“" Ges.-Rev. Pens. XIV, S. 37. 
Der §. 220 d. T. steht mit seinem Wortlaute gar nicht ceutgegen, er bestinmt nur den Begriff der 
natürlichen Früchte, befaßt sich aber nicht mit dem Begriffe von Früchten überhaupt und im 
weitesten Sinne. Dieser konumt schon im §. 110, Tit. 2 vor; aus dicsem kann man, wenn damit die 
§8. 105—107, Tit. 11 verglichen werden, lernen, daß unter Nutzungen überhaupt alle die Vortheile 
begriffen werden, welche in den S§s. 105— 107 genieint sind, nämtlich sowohl dic natürlichen Früchte, wie 
s. g. dürgerlichen (Zinsen, Micthen, Pächte rc.), oder, wic sich Suarcz ausdrückt, tructus tam 
naturales quam eiviles. Dethalb ist es mit der neuen Theorie nichts. 
2) Vergl. Tit. 7, §§H. 189 ff. und die Anm. 118 und 12 dazu; auch die Anm. 81 zu 
8. 108, Tit. 2. 
Die ganze Lehre vom Fruchterwerbe bezieht sich nur auf den Fall, wenn die Nutzung und das 
Eigenthum einer Sache in verschiedenen Händen sind. Denn für den Eigemhümer bedarf es keiner 
besonderen Erwerbung der Früchte seiner Sache, für ihn sind die Früchte, so lange sie nicht getrennt 
sind, Bestandtheile der Sache, womit sie zusammengewachsen sind, und gelangen als besondere Sachen 
erst durch die Aberennung zum Dasein. Für den Eigenthümer ist die Absonderung eine bloße That- 
sache, durch welche iu seinem Rechde so wenig eine Veränderung vorgeht, wie durch die Zerlegung einer 
andern ihm gehörigen Sache. Hat aber ein Anderer die Nutzung, so bedarf es eincs Rechts- 
prinzips zur Regelung des Verhältnisses zwischen dem Nutznießer und dem Eigenthümer. Das Röm. 
Prinzip ist auf die Tradition zurückzuführen; die Besitzerledigung auf Seiten des Eigenthümers liegt 
in der Uebertragung des Nuhungerechts, und die Besitzergreifung auf Seiten des Fruchtnießers in der 
Perzeption. L. 12, §. 5 D do usufructn (VII, 1); L. 25. 9. 1 D. de usuris (XXII, 1). Daher 
erwirdt der redliche Besitzer, dem Eigenhümer gegenüber, gar kein Eigenthum an den Früchten; er 
muß vielmehr die fr. exiantes mit der Hauptsache herausgeben; und daß er nicht auch die consumti 
erstanen muß, liegt nicht darin, daß er Eigenthümer davon geworden, sondern darin, daß nicht cxisicnte 
Sachen nicht vindizirt werden können und ein obligatorisches Verhältniß zwischen dem Eigeurhümer und 
Besitzer nicht besteht. S. 35 J. de div. rer. (II, 1); §. 2 J. de off jud. (IV, 17); L. 22 C. de rei vind. (III. 32). 
Diesen natürlichen Zusammenhang der Rechtsverhältnisse hat das L. R. verlassen und durch einen künstlichen 
ersetzt. Es erkennt ein von der Sache verschiedenes Eigenthum an den noch unabgesonderten Früchten, 
und dem emsprechend auch einen besonderen Besitz, an, und läßt Beides durch die Entstehung dem 
Nutzungsberechtigten und dem ihm gleichgestellten redlichen Besitzer erworben sein. Diesen Grundsatz 
stellt unser §. 221 fest. Derselbe hat jedoch nur in Beziehung aus Dritte unbedingte Geltung, so daß 
. B. der Grundsag I, 20, 5. 21 gegen den älteren Nutungsberechtigten keine Anwendung findet. Vergl. 
Anm. 81 a. E. zu §. 108, Titel. 2. Was das Verhälmiß des Nupzungsberechtigten und des red-
	        
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