462 Erster Theil. Neumter Titel.
§. 254. Wenn Jemand !4)) eine ganze Insel, die mehreren Ufern gegenüber
liegt, oder deren über seine Grenze hinaus gehenden Theil in Besitz nehmen will, so
muß er diesen Vorsatz seinen Nachbarn bekannt machen, und dieselben zur Erklärung:
ob sie sich ihres Rechtes ebenfalls bedienen wollen, auffordern 15).
§. 255. Weigemn sie sich dieser Erklärung, oder zögern sie damit, oder auch mit
der Ausübung ihres Rechts selbst: so kann der, welcher die Insel in Besitz nehmen
will, auf die Vermittelung des Staats antragen. »
§. 256. Findet der Staat, daß die Benutzung der Insel dem gemeinen Wesen
zuträglich sei, und wollen, nach wiederholter 15) Aufforderung, die übrigen Interes-
senten, innerhalb einer ihnen zu bestimmenden Frist, von ihrem Rechte keinen Gebrauch
machen, so kann der Staat dem, welcher sich zuerst gemeldet hat, auch die über seine
Grenze hinauslaufenden Theile der Insel zueignen!7).
F. 257. So weit Jemand 175), auch ohne dergleichen ausdrückliche Bestimmung
des Staats, eine Insel drei 15) Jahre hinter einander ruhig besessen und benutzt, hat
er das Eigenthum der ganzen Insel, selbst gegen solche Nachbarm, deren Ufer einem
Theile derselben näher liegen 157), durch Versährung erworben.
145) M. s. unten Aum. 1723 zu 3. 257.
15) Das in den ##s. 254—25s6 vorgeschriebene Verfahren bezweckt die Vereinbarung der Nachbarn
und soll entweder Lur Theilung oder zur gütlichen Ueberlassung der ganzen Jusel an Einen führen.
Das kann ohne alle Mitwukung eines Staatsdieners geschehen. Nur wenn der Nachbar oder die
Nachbarn sich auf solchen Privatweg nicht einlassen wollen, soll die Vermittelung der Staatsbehörde
in Anspruch genommen werden können, indem man unter dem Einflusse der Lehre jener Schriftsteller
(Amn. 13) davon ausging, daß eigentlich der Fiskus die entstehenden Juselu im Eigenthum habe und
daher auch Andern zueignen konne. Deun Suarez sagt bei der revisjo monitorum: „Diese Sätze
(§§. 251—256) könnten neu scheinen; sie sind aber wenigstens in der Analogie gegründet. Wenn
viele Rechtsgelehrte sogar die ganzen Inseln in kumine publico ohne Unterschied dem Staate zusprechen, so
tritt man wohl den Privatbefugnissen nicht zu nahe, wenn man dem Staate das Recht beilegt, die An-
wohner der User anzuhalten, daß sic die Zusel in Besitz und Kultur nehmen, und wenn sie das nicht
wollen, dieselbe Einem unter ihnen, der die Kosten der Kultur übernehmen will, ganz zuzuschlagen. Der
Satz beruht auf eben dem Prinzip, nach welchem der Staat für berechtigt gehalten wird, einen Be-
sitzer tragbarer Ländereien, welcher sie ganz unbearbeitet liegen läßt, zur Kultur anzuhalten, oder sie einem
Andern zur Bebaunng zuzuschlagen.“ Dazu bemerkt Goßlter:.,Eswäre gut, wenn ein Jeder, der eine
Insel in Besitz nehmen will, dielenigen, welche, der Lage Uach, ebenfalls daran Theil nehmen konnen, zur
Auslibung ihres Reches aufforderte, und daß sodann die Anweisung der Theile durch die Behörde geschähe.
Es würden hierdurch viele Prozesse verhindert werden. Ju sofern halte ich die Vorschriften für sehr
gut.“ (Jahrb. Bd. XI1. S. 12.) Die Vorschriften sind hiernach aus einer Mischung des Bevor-
mundungeprinzips und der Regalität der Inseln hervorgegangen. Die Angelegenheit ist keine Justiz-
fache, vielmehr hat die Regierungsbehörde, nach §. 256, bloß nach Verwaltungsgrundsätzen Bestunmung
zu trefsen. Man wendet sich in solchem Falle an die Bezirkeregierung unmiuelbar oder durch den
Landrath, ohne dessen Mirwirkung die Sache doch nicht erledigt wird.
16) Die Wiederholung der Aufforderung geschieht von der Staatsbehörde auf den bei ihr, gemäß
§. 255, eingebrachten Antrag. Da die Angelegenheit eine Regierungssache ist, so bedarf es keiner
sörmlichen Beweisführung, daß der Antragsteller den Betroffenen wirklich bereits aufgefordert habe.
Die von der Regicrungsbehörde ergehende Aufsorderung und dic zu bestimmende Frist sichern die Ge-
legenheit zur Erklärung und Ausllbung der Rechte.
17) S. o. die Anm. 15 zu §. 254.
172) (4. A.) Jemand, nämlich von den Ufernachbarn, nicht etwa jeder Dritte. Erk. des
Obertr. v. 8. Dez. 1858 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXXI, S. 326).
18) Diese kurze Verjährung gilt auch gegen den Fiskus, die Kirchen und gleichberechtigte Korpo-
rationen, weil es Grundsaty ist, daß die ungewöhnliche Verjährung von 44 Jahren, welche gegen diese
juristischen Personen stattsindet, in den Fällen nicht erforderlich ist, für welche kürzere als die gewöhn-
lichen Verjährungefristen vorgeschrieben sind. Pr. des Obertr. 930, vom 10. Oktober 1840 (Entsch.
Bd. VI, S. 245).
19) Diese Nachbarn brauchen bei der Besitznehmung, welche der §S. 257 voraussetzt, nicht zuge-
zogen oder zur Erklärung ansgefordert zu werden, wie es der §. 254 vorschreibt. Das L. R. ordnet
zwei alternative Erwerbungsarten au, nämlich: Vereinbarung mit den Nachbarn, oder an deren
S#eelle triteude Verminelung und Zueignung durch die Staatobehörde, wodurch das Eigenthum sofort