Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Erwerbung des Eigenthums. 503 
8. 195. Sodann muß der Richter prüfen: ob Vermuthungen 30), daß noch nä- 
here oder gleich nahe Verwandte vorhanden sind, obwalten. 
8. 186. Findet sich keine dergleichen Vermuthungen, so muß der Nachlaß dem 
sich meldenden Erben, gegen die bloße an Eidesstatt abzugebende Versicherung ?7); daß 
  
Personenrechts nicht. Das Obertribunal hat diese Lücke ausgefüllt durch das Erk. vom 11. Okt. 1852, 
wodurch es den von der verständigen Praxis längst angewendeten Satz begründet: „Der Erbschafts- 
richter ist besugt, wenn sich bei der Legitimationsführung eines sich meldenden Erben solche Bedenken 
ergeben, die nach dem Ermessen des Erbschaftsgerichts nicht füglich im Wege bloßer Dekreur erledigt 
werden können, die Frage: ob der auftretende Erbe für einen Blutsverwandten des Erblassers in dem 
von ihm behaupteten Grade anzunehmen? zur Erörterung und Eutscheidung im Wege des Prozesses 
zwischen dem Erbprätendenten und dem, dem Nachlasse bereits bestellten oder zu bestellenden Kurator 
# verweisen; und es erscheint richterliche Entscheidung darüber zulässig.“ (Emsch. Bd. XXIV, S. 23.) 
o saßlich die juristische Darlegung des Obertr. auch ist, hat sie dei dem Kammergerichte doch keinen 
fruchtbaren Boden gefunden; deun dasselbe hat im J. 1853, in einem ähnlichen Falle, sich an der 
Emikräftung der juristischen Gründe des Obertr. versucht. Würdevoll und für jeden Unbefangenen über- 
zeugend weiset das Obertr. das Vorgebrachte auf seinen Unwerth zurück, und erhält, umer Bernich- 
tung des Appellationsurkels, seinen früheren durchaus begründeten Ausspruch aufrecht. Pr. 2528, vom 
17. Mai 1854. (Eutsch. Bd. XXVIII. S. 64.) Vergl. auch die Erk. dess. vom 9. Okt. 1854 und v. 
19. Februar 1855 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XIII. S. 307 und Bd. XVII, S. 32.) (5. A.) Unerklärbar 
ist es jedoch, abgesehen von der positiven Vorschrift des §. 484, woher der Sequester oder Nachlaßkura- 
tor ein ad causam legitimirter Gegner des Prätendenten soll sein können, da er weder pro horede noch 
Pro Possessore, sondern für den künftig obsiegenden Prätendenten besitzt, und es ihm völlig gleichgül- 
tig sein umß, ob gerade der jetzt Aufgetretene, oder irgend ein Anderer der rechte ist oder sein wird. 
Dieser Streit mit dem Kurator kann dem wahren Erben, wenn er einmal känftig erscheint, nicht prä- 
judiziren und muß daher als ein provisorisches Rechtsmittel aufgefaßt werden, dessen Gegeustand ledig- 
lich die Einweisung in den Erbschaftsbesitz ist. Vergl. §. 492 d. T. Gegen den hieraus hervorgehen- 
den Besitzer kann dann innerhalb der Verjährungefrist der wahre Erbe mit der herediratis petitio, nach 
Eüiche der Bestimmungen Ss. 494 ff., anftreten. Vergl. Anm. 98# zu §. 487 d. T. u. Anm. 50 
zu §. 613. 
Das Anerkenntniß seitens eines vollstäudig legitimirten Erben sollte für die Miterben in dem Falle, 
wo der Anerkennende Alleinerbe sein würde, wenn die Anderen wegfielen, wo er mithin, statt Bortheil, 
vielmehr Nachtheil bei dem Anerkenntnisse hat, zu ihrer Legitimation genügen, da doch nur der legiti- 
mirte wahre Erbe ein Widerspruchsrecht gegen die Theilnahme von Miterben hat. Die Praxis ist darin 
aber sehr spröde. 
Kommt es auf den Nachweis der ehelichen Abstammung an, so müssen auch die Kopulationszeug- 
nisse vorgelegt werden, wenn außerdem der Richter sich keine Ueberzeugung verschafsen kann. 
96) Daß Jemand verheirathet gewesen sei und Kinder hinterlassen habe, sind Thatsachen, die nicht 
vermuthet werden können. Pr.-O. Tit. 13, §s. 28; K. v. 15. Febr. 1796 und der daraus entnommene 
Auh. z. A. G.O. S. 106. 
97) Diese Versicherung kounte nur von einer solchen öffentlichen Person abgenommen werden, 
welche gerichtliche Eide abzunehmen gesetzlich ermächtigt ist. Deshald konmte im Julande nicht vor einem 
nicht gerichtlich requirirten Notar, sondern nur vor einem in seinem amtlichen Berufe handelnden Rich- 
ter die Versicherung abgelegt werden. R. v. 2. März u. 1. Febr. 1835 (Jahrb. Bd. XLV, S. 179). 
(5. A.) Das ist nun durch das Gesetz vom 12. März 1869 F. 3 geändert. 
Von mehreren Miterben mußte früher ein Jeder die Versicherung geben. Dieses Erforderniß 
machte die Erbeslegitimation, wenn die Erben zerstreut und in eurfernten Ländern waren, oder wenn 
Einer und der Andere, weil er nichts mehr zu erwarten hat, dazu nicht zu bewegen war, höchst schwie- 
rig und kostspielig. Man mußte daher, aus Nothwendigkeit, von dein Prin ipe abgehen. Daraus er- 
klären sich die widersprechenden Bescheide des J.-M., worin er bald die Bersicherung Aller für nothig, 
bald die des Einen oder des Anderen für entbehrlich hält. S. das R. vom 17. Sept. 1840 (J. M. Bl. 
S. 321) und die R. v. 1. Juli und 16. Septbr. 1836 (Mannkopf, L. R. 1. Nachtr. S. 111). Die 
Sache ist dic, daß es lediglich auf die Ueberzeugung des Erbschaftsrichters aukoimmt: ob die Präten- 
denten für die wahren Erben zu halten sind, ob nicht. Denn bei dem unprozessualischen Verfahren 
kann doch nicht jurisusche Gewißheit erlangt werden: es genügt der Nachweis der das Erbrecht begrün- 
denden Verwandtschaft und die eidesstattliche Versicherung für den Richter, um die Erbschaft auszulie- 
fern und den Legitimationsschein zu geben; dem erwanigen näheren oder gleich nahen Erben erwächst 
daraus kein Präjudiz. Vergl. auch das N. v. 26. März 1836 (Jahrb. Bd. XLVII, S. 279). (5. A.) 
In diesem Sinne dehnt das Gesetz vom 12. März 1869 den Gedanken des A. L.N. aus. 
Uebrigens kann die eidesstattliche Versicherung durch einen Bevollmächtigten gegeben werden, wie 
auch das R. v. 16. Septdr. 1836 (Mannkopf, L.R. 1. Nachtr. 111) einräumt; denn indem der 
Erbe den Auftrag zur Bersicherung giebr, giebt er in der That diese selbst. Nur muß die Vollmacht
	        
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