550 Erster Theil. Neunter Titel.
muthung, daß die ehemals entstandene Verbindlichkeit in der Zwischenzeit auf eine oder
die andere Art gehoben worden ").
8. 569. Diese Vermuthung kann nur durch den vollständigen Beweis, daß der
Bestimmungen des A. L. R. durchaus nicht passen. Damit hat es folgende Bewandtniß. Damals
(1790) war die 3. Eichmann'sche Ausgabe des Rave'’schen Buchs über die Berjährung erschienen
welches wegen des Einflusses, den es lange ausgeübt, merkwürdig ist. Rave hat in Bezichung auf
die Bediugungen der Klageverjährung, namentlich in Betreff der bona ädes, cine eigenthümliche, ver-
einzelt gebliebene Meinung. Er ist für die Meinung, nach welcher zur Klageverjährung bons üdes
erforderlich ist; das Eigenthümliche seiner Meinung bezieht sich auf den Beweis der mala üdes. Die
Klageverjährung, sagt er, bewirkt uur eine starke Vermuthung der Tilgung. Diese Vermuthung
wird nur durch den Beweis zweier Thatsachen entkräftet: 1) daß die Schuld wirklich noch sfortdauere,
2) daß der Schuldner dieses wisse. §. 133. Dadurch soll der Beweis der mals üdes geführt werden,
die der Richter aus den Umständen zu erkennen habe. Dieses Buch mußte wohl der Großkanzler
Carmer kurz vorher gelesen haben. Als Suarez über die Monita vor demselben Vomrag hielt,
fiel sein Vorschlag und es wurde konkludirt: „Es findet der Beweis statt, daß der Verpflichtete ge-
gen besseres Wisfen von seiner noch sortwähreuden (Verbiudlichkeit) der Erfüllung seiner Verbindlich-
keit sich entziehen wolle.“ Simon g. a. O. S. 532. Der umgearbeitete Entwurf brachte daun an
dieser Stelle die beiden S§. 568 u. 569 in ihrer gegenwärtigen Fassung und Suarez sagte zu de-
ren Rechtfertigung in seinen amtlichen Vorträgen: „Nach der Praxis wird zwar, sobald die Frist
abgelausen ist, nach der bons üdes nicht mehr gefragt; der Theorie aber ist dieses nicht gemäß. Denn
lapsus temporis begründet uur eine praesumtionem juris für den Präskribenten, welche den Beweis
des contrarii niemals ausschließt.“ Simon S. 580. Diese Rechefertigung ist zum Theile eine
wörtliche Uebersetzung aus Rave 8. 132, wie denn Suarcz Überhaupt bei dieser Gelegenheit (im
Staatsrathe) nicht seine eigene Meinung, soudern die Carmer'sche Theorie nach Rave vortrug.
Die in den §§S. 568 u. 569 reprodujirte Lehre des Rave setzt die hindernde Unredlichkeit nicht auf
den Anfang oder in den Lauf der Verjährung, sondern in die Zeit nach der Vollendung, nämlich
in die des Prozesses: der Schuldner soll gegenwärtig wissen, daß er noch schuldig sei. Im
Uebrigen ist das A. L. ., vielleicht bis auf die einzige Beziehung im S. 245, Tit. 20, unverändert ge-
blieben; diese beiden S§. sind wie ein fremder Körper unvorbereitet eingeschoben und stehen ohne eigent-
lichen Einfluß ueden den Grundsätzen des A. L. R. Über die Verjährung, nach welchen keine bons
tides erforderlich ist. v. Savigny, System, Bd. V. S. 343 ff., 346 ff., 406. — Nach Gemei-
nem Nechte — so spricht das Obertr. in dem Pr. 1100, vom 29. Januar 1842 aus — ist sie na-
memtlich hinsichts solcher Ansprüche, die auf eine Zahl ng oder Leiftung gerichtet sind, auch nicht er-
forderlich; und in Fällen, wo die Klageverjährung durch Nichtgebrauch schon vor Publikation des A.
L. R. vollendet ist, kaun auf die Vorschriften der 88. 568, 569 nicht zurückgegangen werden. (Entsch.
Bd. VII, S. 257.) (4. A.) Später hat sich das Obertribunal unbedingt ü die Meinung erklärt,
nach welcher das c. 20 X. de praescriptionibus (II, 26) nur auf die erwerbende und nicht auf die
löschende Verjährung Anwendung findet. Diese Sielle wird nämlich in den Worten: „unde oportet,
ut qui praeseribit, in nulla teinporis parte rei habenst conscientlam alienac“ von Einigen in der
Anwendung auf die erwerbende Verjährung beschränkt, indem sie darin nur eine Abäuderung des
R. R., namentlich der L. un. C. de usueap. translorm. (VII, 31) in den Worten: „non interrum-
patur ex posteriore forsitan aliense rei scientis sehen; Andere wollen sie nur bei solchen Klagen,
welche aus Herausgabe einer unrechtmäßig besessenen Sache gerichtet sind, angewendet wissen; noch
Andere beziehen sie unbedingt auch auf die löschende Verjahrung. v. Savigny hält die zweite Mei-
nung für die richtige. System, Bd. V. S. 331 ff. Das Obertribunal vertritt, wie gesagt, die erste
Meinung. Erk. vom 17. Februar 1857 (Entsch. Bd. XXXV, S. 32).
6 ) (5. A.) Aus Rave a. a. O. §. 130, Ut. f, wo es heißt: „Denique haud Inepte forsan
dizeris, donalionem aut remissionem praesumendam esse in co, qui integris triginta annis actio-
nem non instituit.“ Der donatio aut remissio ist im §F. 568 „eine oder die andere Art“ (der Til-=
gung) substituirt.
(5. A.) Der §. 568 führt mitunter zu sonderbaren Behauptungen. Man hat z. B. u. A. dar-
aus hergeleitet, daß derienthe welcher den Rechtsgrund der gegen ihn geltend gemachten Forderung
bestritten und daher deren Tilgung nicht behauptet hat, den Einwand der Verjährung evenmell ge-
gen solche Forderung nicht geltend machen könne. Diesem Irrthume ist das Obertr. entgegengetreien.
Erk. vom 21. April 1863 (Entsch. Bd. XILIX S. 116). „Es ist gar nicht inkonscquent, die Ein-
rede der Verjährung neben irgend einer anderen Art der Vertheidigung, selbst neben der absoluten
Verneinung, geltend zu machen.“ d. Sadigny, System, Bd. V. S. 237, Note f. S. 268. Die
Präsumtion ist ein Nebengrund der Einführung der Klageverjährung und besteht in der Unwahrschein-
lichken, daß Jemand seine Klage durch 30 Jahre versäumt haben würde, wenn er nicht schon auf
irgend eine jetzt nicht mehr erweisliche Art befriedigt worden wäre (S. 268 a. a. O.); sie paßt da-
der nicht bei kur zen Verjährungen.