Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

I. Von den Gesetzen überhaupt. 51 
§. 36. Den Gesandten und Residenten "“) auswärtiger Mächte, so wie den in 
ihren Diensten stehenden Personen "7), bleiben ihre Befreiungen, nach dem Völker- 
rechte 18), und den mit den verschiedenen Höfen obwaltenden Verträgen, vorbehalten. 
  
mischen und Fremden will. Der §. 35 macht eine Ausnahme in wohlmeinender Absicht. Vergl. übri- 
gens hierzu den §. 26 und die Anmerkung zu demselben. Die beiden Satzungen 88. 26 u. 35 harmo- 
niren schlecht; der §. 35 hätte ganz wegbleiben können, der §. 26 reicht völlig aus. Der §. 35 ist in 
der That auch, ohne vorderig Erwägung und Berücksichtigung des Verhältnisses zu §. 26, erst in 
das Manusfkript des fertigen Gesetzbuches, man weiß nicht wie oder warum, gleichsam hincingejallen. 
(Gesetzrev. Einl. Motive zu §. 20 des Entwurfs, S. 117.) 
46)0) Gesandischaftliche Personen niederen Nanges haben diese Befreiungen nicht. Nach dem Regle- 
ment des Wiener Kongresses v. 19. März 1815 (KRlüber, Akten des W. Kongr., Bd. VI, S. 204), 
angenommen von der deutschen Bundesversammlung 1. Prot. v. 12. Juli 1817 (de Martens, recu- 
eil etc., Soppl. VIII, p. 648) giebt es drei Klassen von Gesandten. Auf dem Aachener Kongresse 
wurde am 21. November 1818 eine vierte dazwischen geschoben. Darnach bestehen für Deutschland 
folgende Klassen: Die erste Klasse repräsentirt wesentlich die Staatswürde ihres Souveräns, und 
unterscheidet sich dadurch von den Übrigen Klassen. Hierher gehören die Botschafter, Großbot-- 
schafter (ambassadeurs, magni legati, oratores) und die päpfstlichen legatl s latere oder de latere 
und nantli, mögen sie ordentliche oder außerordentliche Gesandte sein. In der zweiten Klasse stehen 
die envoyés, ministres (ablegatl, prolegati, inviati) — die eigentlichen bevollmächtigten Gesandten, ge- 
wöhnlich unter dem Titel außerordentliche Gesandte und Minister (ministres pléönipotentiai- 
res). Die dritte Klasse besteht, nach dem Aachener Beschlusse, nur aus den Ministerresidenten (mi- 
nistres résldens). Mehrere Publizisten rechnen aber auch noch die einsachen und die geschäftsbeauf- 
tragten Minister (minlstres, chargés d'affaires) in diese Klasse, weil sie, wie die der beiden ersten 
Klassen, gewöhnlich bei der Person des Staatsoberhauptes selbst (nicht bloß bei dem Minister) akkredi- 
tirt sind. (Rotteck und Welcker, Staatslexikon, Bd. VI, S. 594.) Dazu rechnet man die Residenten 
(agentes in rebus, residens), Geschäftsträger oder Geschäftsbetraute (chargés d'aflaires). Andere setzen 
sie in die vierte Klasse, zu welcher die diplomatischen Agenten (agens diplomatiques) und die Konsuln 
hören. Diese Agenten, welche nur Privatgeschäfte ihres Fürsten zu besorgen pflegen, und die Kon- 
uln, welche die Bestimmung haben, die Rechte und Vortheile der einzelnen Unterthanen des beauf- 
tragenden Staats zu sichern und zu befördern, besouders in Absicht des Handels und der Schifffahrt 
(Regl. v. 8. Septbr. 1796, s. 1, Nabe III, S. 535), haben nach dem Völkerrechte keine gesandtschaft- 
lichen Rechte. Damit stimmt die pr. Gesetzgebung Überein. Nach diesem §. 86 u. nach Pr.-O. Tit. 2, 
§. 62 gebühren die Befreiungen in Rede den gesandtschaftlichen Personen bis zum Residenten und Charge 
d'asfaires „auswärtiger Mächte“, d. i. Staaten, also nicht den Agenten der Fürsten in Privatangele- 
genheiten; und die Konsuln stehen in allen Sachen, Dienpangelegenhriten ausgenommen, unter der 
diesseitigen Gerichtsbarkeit Pr.-O. Tit. 2, §. 65, R. v. 18. März 1815 (Jahrb. Bd. V. 6, S. 18), 
wenn nicht Exemtion bedungen ist. Note 49 u. 50. 
47) Deren Ehefranen, aber nur dann, wenn sie gleichfalls im Dienste des Gesandten stehen, oder 
wenn sie in dessen Hause bei ihrem Manne wohnen. Fr. .O. Tit. 2, §§. 67, 68. 
48) Nach dem Völkerrechte gelten folgende Grundsätze. In dem Gesandischaftsrechte, welches von 
der Ueberreichung des Kreditivs anfängt und mit dem Eintritt einer der verschiedenen Beendigungsarten 
aufhört, ist unter anderen Borrechten die s. rierritorialität enthalten, vermöge welcher fingirt wird, 
daß der Gesandte mit seinem Anhange sich en « ines Souveräns befinde. (Klüber, Staats- 
recht, 8. 466 (380); de Martens, manuel diplomatique, Paris 1822, §. 21, p. 46.) Daraus solgt, 
unter anderen hier nicht interessirenden Befreiungen, die Befreiung von den Landesgesetzen und von 
der Gerichtsbarkeit des Landes, in welches der Gesandte als solcher abgeschickt ist. (Pr.-O. Tit. 2, 
Ss. 62 — 64, 67, 68.) Hiervon gelten folgende Ausnahmen: à) Wenn eine gesandtschaftliche Person 
in ein bürgerliches Geschäfts = oder Gewerbsverhältniß tritt, so muß sie, gleichwie sie in Angelegenhei- 
ten desselben den hiesigen Rechtsschutz zu ihrem Vortheile anruft, ebenso auch nach Landesrechte Recht 
leiden. Das bezieht sich jedoch nicht auf außerdem hier kontrahirte einzelne Schuldverbindlichkeiten. We- 
gen solcher, und namentlich auch wegen Wechselschulden, können gesandeschafllich- Personen bei hie- 
n Gerichten nicht belangt werden. Pr. des Obertr. in Siebenhaar, Archiv des deutschen 
selrechts, Bd. I. S. 329. Vergl. unten die Anm. 14 zu §. § des Einf.-G. zur Allg. D. Wech- 
selordnung v. 15. Febr. 1850 (Th. II, Tit. 8). b) Wenn eine solche Person llagt, so muß sie dem 
Gerichtsstande des Beklagten auch rücksichtlich der Wiederklage sich unterwerfen. c) Die Liegenschaften 
der Gesandten sind dem koro rei sitae unterworfen: deshalb können die Klagen, mit welchen nach all- 
emeinen Bestimmungen in diesem Gerichtsstande die Besitzer belangt werden dürfen, auch gegen ge- 
fandtschafnichr Personen dort angebracht werden. Pr.-O. Tit. 2, S. 66. d) Gesandischaftliche Perso- 
nen, welche nach Beendigung ihrer Sendung im Lande bleiben, stehen anderen sich hier aufhaltenden 
Fremden (68. 34, 41) gleich. Das Gleiche gilt von durchreisenden fremden Gesandten. Anh. z. Pr.-O. 
(Tit. 29, 5. 90) 8§. 202 — 210. Gründen solche Personen nach ihrer Emlassung hier ihren ordent- 
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