Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums. 591 
g. 4. Die Aufnahme des Vertrages (8. 2) darf erst daun ersolgen, wenn der Veräußernde ent- 
weder: 
1) seinen Besitztitel bereits in das Hypothekeubuch hat eintragen lassen, oder 
2) schon ein Jahr lang sich im Besitz des Grundstückes befindet, und bei Aufnahme des Vertrages 
gleichzeitig die Berichtigung seines Besitztitels beantragt. 
Der Hypotbekenrichter hat alsdaun diese Berichtiguug für den Beräußernden, erforderlichen Falle 
nach der Vorschrift der Ordre v. 8. Oktober 1833 (Zus. 2), zu betreiben. 
8. 5. Die Bestimmungen der §§. 2 — 4 fiuden keine Anwendung: 
1) bei Grundstlicken, welche sich im landesherrlichen oder fiskalischen Besitze oder unter unmittelba- 
rer Verwaltung der Staatsbehörden, ingleichen bei Grundstücken, welche sich im Besitze einer 
Kirche, Pfarre, oder einer anderen geistlichen Stiftung, so wie einer Schule oder Armenanstalt 
befinden: 
2) bei den außerhalb einer Stadt oder Vorstadt (K. 1) auf der städtischen Feldmark gelegenen Grund- 
stücken: 
3) bei Theilung von Grundstücken zwischen Miterben oder solchen Miteigenthümern, deren Gemein- 
schaft sich nicht auf Vertrag gründet; 
4) bei Ueberlassung einzelner Theile von Grundstücken seitens der Eltern an ihre Kinder oder wei- 
tere Abkömmlinge !7 cr); 
5) bei Grundstücken, welche einer Expropriation, zum Zweck der Anlage von Chansseen, Eisenbah= 
nen, Kanälen u. s. w. unterworfen sind, ohne Unterschied, ob die Veräußerung selbst durch Ex- 
propriation oder durch freien Vertrag bewirkt wird; 
6) bei Theilungen von Grundstücken, welche durch eine guteherrlich bäuerliche Regulirung, eine Ablö- 
sung von Diensien, Natural oder Geldleistungen, oder eine Gemeinheitstheilung veraulaßt werden 
oder bei Gelegenheit solcher Geschäfte (S. 8 der V. v. 30. Juni 1834) vorkonnnen. 
8. 6. Insosern eine Zertheilung von Grundstücken, eine Abzweigung einzelner Theile derselben 
oder eine Abtrennung von Grundstücken, die Zubehör anderer sind, im Wege des öffentlichen Aus- 
gebots und der nieistbietenden Versteigerung stattfinden soll, darf sie nicht cher vorgenommen werden, 
  
Parzellen eines fiskalischen Grundstickes gegen Parzellen des Grundstückes einer Privatperson ver- 
tauscht worden, so ist wegen der dabci stangefundenen Parzellirung auch seitens des Fiskus eine ge- 
richtliche Abschließung des Vertrages, oder doch ein gerichtliches Bekenntniß zu demselden erforderlich. 
Erk. des Obertr. v. 17. Olibr. 1862 (Arch. f. Rechtef. Bd. XIVII. S. 103). 
(5. A.) Ist der gerichtlich ausgenommene Vertrag, weil z. B. irrthümlich etwas wesentlich Anderes 
geschrieben als verabredet worden (vergl. Anm. 50 zu H. 126, Tit. 10 der Proz.-Ordnung), nicht bin- 
dend, so ist die Folge davon nicht die, daß zufolge des §. 155, Tit. 5 auf Grund der bereits ganz 
oder theilweise erfolgten Erfüllung die Ern#seeisiung nach der außergerichtlichen Verabredung gefor- 
dert werden kaun, denn diese ist eben ipso jure null und nichtig. Anm. 38 zu §. 43, Tit. 3; Erk. 
des Obertr. v. 6. Febr. 1863 (Entsch. Bd. XLIX. S. 44)0. Das auf einen nichtigen Vertrag Ge- 
leistete muß condictione sine causa zurückgesordert werden. 
19erc) (5. A.) Auch in dem Falle, wo die Ueberlassung einzelner Theile von Grundstücken an 
den künftigen Schwiegersohn des Verkäusers, unter der Voraussetzung der Cheschließung mit dessen 
Tochter, außergerichtlich versprochen war, kann die Ausnahmebestimmung des §. 5, Nr. 4 nicht An- 
wendung finden. Erk. des Obertr. vom 10. Mai 1867 (Entsch. Bd. I.VIII, S. 21). Dagegen hat 
in dem Falle, wo eine Wittwe ihrer Tochter und einem Manne, welcher sich um deren Hand bewardb, 
die Abtretung eines Theiles ihres Grundstückes für den Fall der Eheschließung versprochen hatte und 
Beide darauf die Ehe mit einander vollzogen, das Obertr. die Wittwe zur Erfüllung ihres Ver- 
sprechens verurtheilt, weil die Abtretung des Grundstücksantheils nicht dem Freier der Tochter allein, 
sondern zugleich der Letzteren verheißen, also hauptsächlich sogar dieser zugesagt worden sei, um sie in 
den Stand zu setzen, die Ehe zu schließen, das abzutretende Land der Tochter als Mitgist habe dieuen 
sollen und bei solchen Abtretungen, behufs Ausstattung heirathender Töchter, die staatswirthschaftlichen 
Rücksichten nicht einträten, welche den Gesetzgeber zu den beschränkenden Vorschriften bei Theilungen 
von Grundeigenthum bewogen hätten. Erk. vom 18. Oltober 1867 (S. 26. a. a. O. in der Anm.). 
Dann hat basselt-, unter Vernichtung des Appellationserkenntnisses, den 2. März 1868 wieder ent- 
gegengesetzt erkannt: Die Abmetung einer Grundstücksparzelle an eine Tochter und den Schwiegersohn 
sei keine Ueberlassung im Sinne der Ausnahmebestimmung des §. 5, Nr. 4 (Arch. f. Nechtsf. Bd. I.XX. 
S. 117). Aber der §. 5 ist keine Ausnahmebestimmung, sondern das Gesetz ist ein Ausnahmegesetz 
und der §. 5 läßt es in den verzeichneten Fällen bei der Regel.
	        
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