640 Erster Theil. Eilfter Titel.
licher Fehler der Hausthiere. Drei verschiedene Systeme haben sich in dieser Materie geltend gemacht:
das System, daß für alle ädilitischen Mängel, womit die verkaufte Sache zur Zeit des Vertrrages be-
gotet war, Gewähr zu leisten, auch wenn sie dem Verkäufer selbst unbekannt waren, und daß der
äufer die Wahl hat, ob er auf gänzliche Aufhebung des Vertrages (Wandlungsklage, actio redlibi-
toria), oder auf Minderung des Kaufpreises (Minderungsklage, actio quanti minoris) klagen will.
Dieses System ist das des Römischen Rechts (D. XXI, 1 u. C. IV. 58). Für die erste WW
eine Verjährungsfrist von 6 Monaten, für die andere eine solche von 1 Jahre festgesetzt. Diese Vor-
schrift des ädilitischen Edikts ging ursprünglich nur auf den Verkauf von Sklaven und Lasthhieren,
später aber wurde sie auf alle Sachen und alle onerösen Verträge ansgedehnt. Dieses Recht desteht
noch jetzt in den Gebietstheilen des Gemeinen Rechts, nur daß hier und da brugio des Handels
mit Hausthieren durch Lokalstatuten, Marktordnungen und Ortegebräuche einzelne Abänderungen ein-
getreten sind. Dasselbe System hat ursprünglich auch das fränzösische Recht, uur mit der Abweichung,
daß die durch die redhibitorischen Mängel begründete Klage nach Beschaffenheit dieser Mängel und der
Gewohnzett des Ortes, wo der Uebertragsvertrag geschoften ist, binnen kurzer Frist angebracht wer.
den muß (Cod. Nap. Art. 1641 — 1649, 1707). Durch ein späteres Gesetz (loi du 20. mal 1838)
t es das zweite System angenommen; jedoch ist es in dem Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu
öln bei den Bestimmungen des Cod. Nap. mit der Abänderung verblieben, daß bei dem Berkaufe
von Hausthieren die Gewährleistungeklage und Einrede binnen 42 Tagen geltend gemacht werden
muß. G. v. 3. Mai 1859 .. S. 205). Das zweite System bestcht darin, daß bei einigen Haus-
thieren, mieistens nur bei Pferden, beim Rindviehe, bei Schafen und bei Schweinen, diejenigen Fehler,
wegen welcher die Redhibition verlangt werden kann, sowie die Fristen, biunen welchen dicserhalb ge-
klagt oder doch bei dem Richter aus Feststellung des Fehlers augetragen werden muß, bestimmt, und
daß diese Fristen nicht allein Verjährungefristen sind, sondern daß, wenn innerhalb derselben der An-
spruch geltend gemacht wird, zugleich die Vermuthung gilt, daß der Fehler schon zur Zeit des Ver-
tragsschlusses vorhauden war; endlich daß die Minderungsklage theuls ganz, theils auch nur bei eini-
en Hausthieren und Mängeln derselben ausgeschlossen ist. Diesem Systeute haben sich, nach dem
organge in Frankreich, angeschlossen: Belgien durch Gesetz vom 28. Januar 1850; Luxemburg durch
Gesetz vom 18. April 1851; das Großherzogthum Hessen durch Gesetz vom 15. Juli 1858; Baiern
durch Gesetz vom 26. März 1859; Baden durch Geset vom 23. April 1859; die Schweizerkantone
Aargau, Bern, Zug, Zürich und Neuenburg durch Konkordat vom 22. April 1853; Sachsen-Mei-
ningen durch Gesetz vom 6. Juli 1844 und Wüntemberg durch Gesetz vom 28. Dezember 1861. Dem
Vorgange folgt auch das preußische Gesetz für die Hohenzollernschen Lande, vom 5. Juni 1863 (G.S.
S. 445). Es stimmt im Wesentlichen mit den angeführten Gesetzen für Baden und Württemberg
überein, und weicht von der in diesen Landen bis dahin bestandenen Gesetzgebung (für Sigmaringen
Verordnung vom 1. Mai 1766, mit einer Zusatzbestimmung republizirt den 28. März 1811 — St#-
maringensche Gesetzsammlung B-Bd. I. S. 48, 49, 88 — nud für Hechingen Verordnung vom 16. De-
zember 1786, nur durch Einzelabdrücke publizirt und mit jener im Wesentlichen Übereinstimmend) in-
sofern ab, als die einzelnen Mängel der Hauethiere mit Berücksichtigung der Fortschritie in der Thier-
arzuneikunde in ganz anderer Weise spezifizirt, die Minderungsklage, mu Ansnahme des Falles, wenn
sich der Mangel am geschlachteten Stücke findet, und die Klage aus der Verletzung über die Halfte
wegen der betreffenden Hauptmängel veu , die Gewährsfristen überall erheblich verküru und außer-
dem Spezialvorschristen für das Prozeßverfahren enthält. Die Ueberemstimmung dieses Gesetzes mit
den Gesetzen der beiden genannten Nachbarländer, von welchen das Ländchen Hohenzollern ganz ein-
geschlossen ist, ist als ein dringendes Bedürfniß erschienen wegen des ledhaften Verkehrs mit *
thieren, der zwischen den Bewohnerm dieses Ländchens und den Bewohnern der beiden Nachbarstaat#e#n
besteht. — Das dritte System ist das gemischte, indem es die beiden ersten Systeme vereinigt. Grund-
lage desselben ist das römische Necht, es beschränkt daher die beiden ädilitischen Klagen nicht auf ge-
wisss Gegenstäude und nicht auf bestimmte Fehler, aber es läßt die Wandmugtiage nur dann zu,
wenn dem betreffenden Mangel nicht abgeholsen werden kann, und setzt eine kurze Vermuthungsfunt
für die Entstehung der Fehler eines Stückes Vieh im Allgemeinen und anßerdem bei bestimmten Haus-
thieren (bei Pferden, Lastthieren, Schafen und Schweinen) für gewisse Krankheiten noch besondere
Vermuhnngrifen, die nicht m Verlährungefristen sind, fest, auch macht es bei der Berjährungs-
frist einen Umerschied zwischen Mobilien und Immobilien. Dieses System ist von den beiden großen
deutschen allgemeinen Geseugebungen, der preußischen (A. L.K. 55, 198—204 u. Anh. 88. 13, 14d. T.,
u. Tit. 5, 55. 319—344) uU. der österreichischen (dürg. Geselzbuch 88. 22—932) angenommen.
38) Die Frist von 24 Stunden nach der lebergabe: binnen welcher die Vermuthung gilt, daß
ein erkranktes Stück Vieh schon vor der Uebergabe krank gewesen sei, endet mit dem Momente, in
welchem sie au dem vorhergehenden Tage zu laufen angesangen hat. Pr. des Obertr. 2100, vom
18. Dezember 1848. (Entsch. Bd. XVII. S. 152.) Die Zeitrechnung a womento ad momentum ist
eine seltene Ansnahme von der Kegel (58.45——47, Tit. 3) bei Zeiträumen, welche nicht kürzer als
ein Tag sind; denn bei Fristen unter 24 Stunden versteht sie sich von selbst. Sie ist hier in der
Natur der Sache begründet, denn es handelt sich lediglich um die Feststellung einer Thatsache, und