Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

Von Kaufs-= und Verkaufsgeschäften. 615 
§. 217. Wegen der Folgen einer durch die Schuld des Käufers entstandenen Zö- 
gerung, und wegen der Befugniß des Verkäufers, die Sache alsdann der gerichtlichen 
Verwahrung und Verwaltung zu übergeben, hat es bei den 88. 98 — 104 enthaltenen 
Bestimmungen sein Bewenden. 
§. 218. Ist die Sache dem Verderben unterworfen, oder steht zu besorgen, daß 
die Kosten der Aufbewahrung und Verwaltung mehr betragen werden 58), als die Hälfte 
des Siese. so ist der Verkäufer auf gerichtliche Versteigerung derselben anzutragen 
rechtigt 5). 
§. 219. Aus dem dafür gelöseten Preise kann der Verkäufer nur die Kosten und 
dasjenige fordern 60), was ihm nach dem Inhalte des Kaufkontrakts gebühret. 
§. 220. Reicht die Lösung dazu nicht hin, so muß der Käufer den Ausfall tragen. 
8. 221. Gegen Empfang der Sache ist der Käufer das Kaufgeld sofort zu erle= ) wegen Le- 
gen schuldig s1), wenn nicht ein Anderes im Vertrage verabredet*) worden "8). u 
  
geloct- beim Verkaufe in Pausch und Bogen, und beim Verkaufe eines Inbegriffs folle Gefahr und 
kutzen sofort auf den Käufer übergehen, und man hatte darauf in den §§. 113, 114 des Enmw. als 
erläuternde Bestimmungen beigefügt, daß der Verkäufer bei einem Verzuge für Gefahr und Schaden 
hafte, — daß dies aber im Falle eines bloßen Zufalls oder eines bloßen Verzugs von Seiten des 
Käufers nicht stattfinden solle. Nun hieß es weiter im §. 154 unter den Verbindlichkeiten des Käu- 
fers: „Was nach 688. 113, 114 den Verkäufer wegen verzögerter Uebergabe entschuldigt, muß auch 
von Seiten des Käufers in Rücksicht der Uebernahme, als eine rechesgültige Verhinderung angesehen 
werden. Hieraus ist der §. 216 geworden. Die Bestimmungen über den Verzug des Berkäufers 
hatten aber durch die später ausgenommenen 88. 116 und 119 ihre Erledigung gesunden. Das in 
Bezug Genommene (was den Verkäufer #c. entschuldigt), nämlich jene §§. 113 und 114 des unge- 
druckten Entw., ist daher weggefallen. (Ges.-Rev. Pens. XIV, S. 31.) 
58) Außer diesen beiden Fällen also nicht. S. oben Anm. 64 zu §. 99 d. T. 
59) Das geschieht im Depositionsverfahren; eines besonderen Prozesses und Erkenmnisses bedarf 
es hierzu nicht, wenn nicht zugleich auf Zahlung des Kaufgeldes geklagt und deehalb eine Verurthei- 
lung des Käufers nöthig wird. Ueber den Verkauf wird durch ein Dekret Bestimmung getroffen. 
Vergl. 8. 102, Tit. 14. ' 
(4. A.) Die Vorschrift des 8. 218 muß auch im Handelsverkehre beobachtet werden; zur Veräu- 
berung durch Mäkler ist der Verkäuser nicht berechtigt, salls der Käufer die Annahme der Waare 
weigert. Erk. des Obertr. v. 2. Dezbr. 1858 (Arch. für Rechisf. Bd. XXXI, S. 297). 
60) Mit der Zahlung des Geforderten verhält es sich so, wie wenn der Käuser unmittelbar zah- 
len sollte. Der Richter darf nicht ohne dessen Zustimmung aus dem Erlöse ekwas an den Verkäuser 
zahlen und wenn die Zustimmung ausbleibt, muß der Verkäufer den Käufer auf Entrichtung des 
Kaufgeldes belangen. Die Exekution kann er dann in den deponirten Erlös vollstrecken lassen. An- 
dererseits darf der Richter, ohne vollständige Befriedigung des Verkänsers oder Einwilligung desselben, 
weder die deponirte Sache, noch den Erlös dafür an den Käufer verabsolgen, wegen des dem Ver- 
käufer bis zu dessen Befriedigung gebührenden Retentionsrechts, welches ihm bei der Deposition vor- 
behalten bleibt und nun durch den Richter ausgeübt wird. 
61) (4. A.) D. h. gleichzeitig, Zug um Zug. (5. A.) Vorausgesetzt ist hierbei, daß das gauze 
dem Käufer von dem Verkäufer zu gewährende Objekt des Kaufvertrages übergeben wird; eine Theil- 
lieserung des verkauften Getreides, z. B. 200 Scheffel von den verkauften 300 Scheffeln, berechtigt 
den Verkäufer nicht, den Kausfpreis der 200 Scheffel bei der Uebergabe zu verlangen. Erk. d. Obertr. 
vom 11. Februar 1868 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXX S. 75). 
(4. A.) Sind mehrere Grundstücke einem gemeinschaftlichen Hypothekengläubiger solidarisch ver- 
pfändet, und hat jeder dritte Besitzer dieser mehreren Grundstücke die Hypothekenschuld in Abrechnung 
auf das Kaufgeld übernommen, so ist der Besitzer des einen Grundstücks, welcher den geineinschaft- 
lichen Hypothekengläubiger befriedigt und sich zugleich die Rechte des Verkäufers gegen die Käufer der 
übrigen Grundstücke cediren läßt, berechtigt, jeden Käufer der übrigen Grundstücke auf Zahlung des 
ganzen Betrages der getilgten Hypothekenschuld in Anspruch zu nehmen. Erk. d. Obertr. v. 27. Sep- 
tember 1850. (Arch. f. Rechtsf. Bd. VI, S. 342.) 
Bergl. o. Anm. 29, Nr. I1 zu 5. 271; Tit. 5. Z 
Dieie bloße Uebernahme hypothekarischer Schulden auf Abrechnung des Kaufgeldes von Seiten des 
Käufers begründet die persönliche Verbindlichkeit des Letzteren zur Exnexuation des Verkäufers. Pr. 
d #S-, 185, v. 3. März 1837 und Pl.-Beschl. (Pr. 1096) v. 14. Febr. 1842 (Entsch. Bd. VII, 
298). 
62) Fällt der verabredete Zahlungstermin auf einen früheren Tag als die Uebergabe, so kann
	        
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