Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

646 Erster Theil. Eilfter Titel. 
§. 222. Kommen aber Gewährsmängel "1), oder Ansprüche eines Dritten an 
die Sache, vor erfolgter Bezahlung des Kaufgeldes zum Vorschein 55), so kanns) 
aus einem sich bei der Uebergabe findenden Mangel kein Einwand gegen die Klage des Verkäufers 
auf Zahlung des in jenem Termine ausgebliebenen Kausgeldes hergenommen werden. Pr. des Obertr. 
1771 oben in der Anm. 29 a. E. zu §. 271, Tit. 5. 
63) S. o. die Anm. 70 zu §. 109 d. T. 
54) Zu diesen Gewähremängeln gehören nicht bloß diejenigen, welche sich an bercits übergebe- 
nen Gegenständen, sondern auch diejenigen, die sich in dem Nicht Üübergeben versprochener Gegenstände 
äußern. Pr. des Obern. 11745, v. 5. Angust 1842 (Ennch. Bd. VIII. S. 129). Wenn also be- 
wegliche Pertinenzstücke nicht Übergeben werden, so sind solche nicht als einzelne selbstständige Gegen- 
stände des Kaufs anzusehen, vielmehr macht der Mangel einzelner Pertinenzstücke die übergebene oder 
zu Übergebende Sache fehlerhaft. S§. 207, 210 d. T. (4. A.) Deshald begründet die nicht erfolgte 
Mirübergabe einzelner Parzellen des verkauften und übergebenen Guts nicht die Einrede des nicht ge- 
hörig erfüllten Vertrags (Tit. 5, §. 271), der Käuser kann vielmehr nur einen angemessenen Theil 
des Kaufpreises durch gerichtliche Niederlegung zurückhalten, während jene Einrede eine nur bedingte 
Verurtheilung zur Zahlung des entsprechenden Theils des Kausgelds, nämlich erst dann, wenn der 
noch schiende Theil der Erfüllung erfolgt sein wird, zur Folge hat. Erk. des Obertr. vom 4. März 
1859 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXXIII, S. 39). — Auch wegen physischer Fehler findet Zurückhaltung 
des Kaufgeldes statt. 
65) Und zwar als degründet, oder als schon geltend gemacht, oder doch zur Geltendmachung be- 
scheinigt. Denn der Verkäuser darf wegen seiner liquiden Kaufgelder = Forderung nicht durch Berüh- 
mungen dritter Personen oder durch Gerüchte hingehalten werden. Anerkanm durch das Pr. des 
Obertr. 1507, v. 16. Novbr. 1844: „Der Kaufer kann das Kausgeld nur wegn solcher Ansprüche 
dritter Personen an die Sache zurückhalten und deponiren, binsichtuch deren die Klage gegen ihn ent- 
Widerschon aelben oder doch genügend bescheinigt ist, daß sich eine solche begründen LaIsa (Entsch. 
d. X, S. 366. 
66) Die Bestimmung ist nach ihrer Fassung einer zwiefachen Auffassung empfänglich. Man 
kann sie so verstehen: der Käuser ist einfach befugt, die Zahlung des Preises vorzuenthalten, und 
wenn er will, mag er auch deponiren, um sich von seiner Verbindlichkeit frei zu machen und doch 
den Verkäufer in Händen zu behalten. Dieses wäre keine überflüssige Bestimmung, deun ohne sie 
würde, da der Fall unter keinen der allgemeinen Deposttionsgründe paßt, das Depositionsgesuch des 
Käufers von dem Richter zurückgewiesen werden. Die Bestimmung kann aber auch als eine Be- 
schränkung des Zurückbehaltungsrechts angeseden werden, dergestalt, daß der Käufer das Kaufgeld 
zwar zurückzuhalien, aber nur in der Form der gerichtlichen Niederlegung zurüchzuhalten befugt ist, 
„er kann — zurückhalten, und gerichtlich niederlegen.“ Man hat auch in beiderlei Auffassungen An- 
wendung von der Bestimmung gemacht, und zwar bei dem Obertribunale selbst. In einem unein- 
getragenen und ungedruckten Pr. v. 2. März 1849, in Sachen Menzel wider Heinrich, ## /7 2. III, 
48 g ausgesprochen: Der Känfer, welcher zufolge des §. 222 Kanfgelder retiniren will, it diejel- 
ben zu deponiren verpflichtet, nicht bloß befugt. Das jüngere, eingetragene Pr. 2236, v. 18. Sep- 
tember 1850 hingegen lautet: „Der §S. 222, Tit. 11, Th. 1 des A. L. R. spricht nur die Befugniß 
des Käufers zur Deposition aus, stellt es also in die Willkür des Käusers, ob er wegen Gewährs- 
mängel einen verhälknißmäßigen Theil des Kaufsgeldes einfach zurückbehalten, oder — um sich von 
der Verzinfung desselben und von der Gefahr zu defreien (§§. 228, 229, Tit. 16, Th. I A. 2.R.), 
zugleich deponiren will.“ (Entsch. Bd. XX, S. 535.) Der innere Zusammenhang der Rechtreregeln 
füdrt freilich zunächst auf diese zweite Auffassung und Anwendung. Denn gegen die actio vendl## 
des Verkäufers auf Leistung von Seiten des Käufers hat der Käuser als Schuhminel die exc. doli, 
bekannt als exc imminentis evlctionis, verschieden von der s. g. ouc. von rite lImpleti contractus. 
(Schl. Arch. Bd. III. S. 633 ff.) Allein damit ist der Punkt noch nicht völlig erledigt. Die erc. 
doll fällt weg, sobald der Verkäufer seinen guren Wellen mit der That zeigt, den drobenden Anspruch 
zu beseitigen und den Käufer wirksam zu schützen, ihm dieserhalb auch genilgende Sicherheit giebt. 
Was will der Käuser mehr? Jetzt fehlt ihm ein rechtlicher Grund, die Zahlung für die empfangene 
Sache zu verweigern. Durchaus sachgemäß ist daher die Bestimmung des solg. §. 223, daß der Ver- 
käufer Zahlung fordern kann, wenn er hinlängliche Sicherheit leistet. Nun kann aber dem Käufer 
kein Gegenstand sicherer sein als seine eigene Schuld. Warum soll ihm der Verkäufer seine Kauf- 
ld2erforderung selbst, die ihm der Käufer zahlen soll, nicht als Sicherungeminel anweisen dürfen? 
rf er ea, so hindert dies doch nicht die Enziehung ##- depositum; deun auch der Berkäuser dat 
einen gleichberechtigten Anspruch auf Sicherstellung. an betrachte den Gegenstand noch prakltisch. 
Der Verkläufer kann diesen Ersolg, zu welchem uns der juristische Zusammenhang der Dinge führt, 
auf einem Umwege erzwingen: er zahlt, wenn ihm alle Rechisgründe bei dem Richter gar nichtes 
helfen, eine dem mit Recht retinirten Kaufgeldertheile gleichkommende Geldsumme zur Sicherheit des 
Käufers ad deposlium (5. 223), und nun läßt er sich flugs diefelbe Summe von dem Käufer wie-
	        
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