102. Der alte Turm in Tanneberg.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 38.)
Nahe bei den Rittergutsgebäuden des Dorfes Tanneberg bei
Geyer steht ein uralter viereckiger Turm. Seine starken Mauern sind
noch jetzt an dreißig Ellen hoch und von einem Wassergraben um—
geben. Viel erzählt man von ihm, aber wenig zusammenhängendes.
In uralter Zeit soll einmal ein Graf, der Besitzer dieser Gegend,
eine große Jagd abgehalten und sich dabei verirrt haben und mit seinem
Rosse in einen Sumpf gesunken sein. Dem Tode nahe, wäre er noch
von den Jägern mit Mühe gerettet worden und hätte zum Andenken
den Turm erbaut.
Jetzt noch soll in dem Turme der Geist eines der späteren Be—
sitzer spuken, aber warum? weiß niemand. Auch wollen alte Holz—
hauer und Bergleute den Baum wissen, wo die Seele dieses unglück—
lichen Spukers eingespündet sein soll. Es wäre sonst ein eiserner Reif
um den Baum gelegt gewesen, um die Seele recht festzuhalten, aber.
die Holzdiebe hätten zuletzt auch den Reif gestohlen.
103. Die tanzenden Geister in der Aue bei Lößnitz.
(Mitgeteilt von J. G. Müller, Kirchner und Lehrer in Lößnitz.)
Die sogenannte hintere Aue, ein Thal von Dreihansen bis
Niederlößnitz, war einst mit Wald bewachsen, und in diesem wohnten
viele Geister. Der Wald wurde nach und nach gerodet, das Thal ur-
bar gemacht und die Geister vertrieben. Dieselben kommen aber noch
in den warmen Sommerdnächten auf ihre alten Spielplätze und führen
ihre munteren Tänze das Thal entlang aus.
104. Spuk auf dem Braunsteine.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 48.)
Ein altes Weib aus Joachimsthal begab sich einst in den Wald
am Braunstein, um Beeren zu sammeln. Am Juße des Berges be-
merkte sie einen großen steinernen Wassertrog. Verwundert darüber
blieb sie stehen und sprach halblaut zu sich: So alt ich bin, hab ich
weder den Wassertrog gesehen, noch etwas von ihm gehört. In Ge-
danken vertieft, stieg das Weib weiter bergauf und erblickte auf ein-
mal auf einem sonnigen Platze drei mit reifen Erdbeeren gefüllte
Depfe. Bist du doch nicht allein hier, dachte sie bei sich und ging
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