eln, der auf der Achsel einen Grenzstein trug und schrie: „Wohin
soll ich ihn setzen?“ Das war ein gespenstischer Mann, der zu Leb—
zeiten, um seinen Besitz zu vergrößern, den Rainstein auf der Wiese
zum Nachteile seines Nachbars verrückte und deshalb zur Strafe für
diese ungerechte Handlung so lange herumirren mußte, bis ihn jemand
erlösen würde. Als an einem Abende einen Bürger aus Platten der
Weg über diese Wiese führte, stand plötzlich der verwünschte Mann
mit seinem Steine vor ihm und rief in kläglichem Tone: „Wohin soll
ich ihn setzen?“ Gefaßt erwiderte der Angesprochene: „Trag ihn hin,
woher Du ihn genommen hast!“ Diesen Worten folgte ein Blitz und
Donnerschlag und der Mann mit dem Steine war verschwunden; man
hat ihn auch seitdem nie wiedergesehen.
111. Das Spiel mit silbernen Kegelkugeln.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 31.)
Vor hundert und mehr Jahren lebte zu Joachimsthal ein ehr-
samer Fleischhauer, der in einem Schlick'schen Hause wohnte. Eines
Abends befahl er seinem Gesellen, des anderen Tages in aller Frühe
zu Dorfe zu gehen, weil er dringend Schlachtvieh benötigte. — Der
Fleischerbursche, welcher seinem Herrn mit größter Treue und Pünkt-
lichkeit diente, hatte auf seinem Nachtlager keine Ruhe und Rast und
machte sich, da der Mondschein so freundlich zum Wandern einlud,
schon um die elfte Stunde auf den Weg. Dieser führte an dem auf
dem steilen Schloßberge gelegenen Schlosse Freudenstein vorüber, dessen
wiederhergestellte Türme noch heute auf der Westseite der Stadt
Joachimsthal stolz in die Luft ragen. — In dem Augepblicke, als
der Bursche daselbst seine Schritte vorbei lenken wollte, geriet er in
einen tiefen grubenähnlichen Gang, den er vorher nie bemerkt hatte,
und stand plötzlich in einem prachtvoll erleuchteten Saale, in welchem
viele vermummte Ritter waren. Dieselben unterhielten sich mit Kegel-
spiel, wobei sie mit silbernen Kugeln schoben, schritten aber sofort auf
den Fremdling, der wie Espenlaub zitterte, mit freundlichem Gruße
zu und luden ihn zum Spiele ein. Jedoch erst auf wiederholtes Drän-
gen nahm der erschrockene Fleischerbursche eine Kugel, die aus purem
Silber war, in die Hand, schob und — traf alle neun, was die Ritter
über die Maßen sehr erfreute. Beim zweiten Ausschub traf er
gleichfjalls alle neun Kegel. Wie er nun über abermalige Aufforder-
ung zum dritten Male sein Glück versuchen wollte, schlug gerade
die Uhr auf dem nahen Stadtturme zwölf, und alles war verschwun-
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