Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

* Der Geselle aber befand sich, ohne einen Gang zu sehen, auf 
demselben Platze, wo er früher seinen Weg fortsetzen wollte; er 
glaubte geträumt zu haben, allein die Silberkugel, die er noch in der 
Rechten hielt, belehrte ihn, daß alles Wirklichkeit gewesen. — Voll 
Entsetzen und Grausen eilte er beflügelten Schrittes nach Hause und 
erzählte seinem Herrn das seltsame, unheimliche Erlebnis. Da ihm 
derselbe jedoch keinen Glauben beimessen wollte, zeigte er als Wahr— 
zeichen seiner Aussage die silberne Kegelkugel, durch welche beide, 
Meister und Geselle, reiche Leute wurden. 
  
Derartige Sagen von kegelschiebenden Geistern oder dämonischen Wesen finden 
sich noch an zahlreichen Orten. Ein Ziegenhirt setzt auf dem Kyffhäuser Kegel auf, 
nach denen 12 ernste Ritter schieben. Er war während dessen 20 Jahre aus seinem 
Dorfe abwesend und niemand wollte ihn daselbst anfangs kennen. Auch ein Sän- 
gerchor aus Kelbra sah auf dem Kyffhäuser eine Gesellschaft, welche sich am Neujahrs- 
morgen dafelbst mit Kegelschieben vergnügte. Der einem von ihnen geschenkte Kegel- 
könig verwandelte sich unten am Berge in Gold. O. Richter, deutscher Sagenschatz, 
I. No 5 und 10.) Im Hausberge im Mannsfeld'schen schieben verzauberte Herren 
Kegel. (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld No. 60.) Mit goldenen Kegeln 
und Kugeln spielen stattliche Herren in der Dämmerung oder des Nachts in den 
Ruinen der Neu-Habsburg in Luzern und auf einem langen waldigen Hügel zwischen 
Sargans und Wallenstad. (Henne-Am-Rhyn a. a. O. S. 43 und 44.) Eine Kugel, 
mit welcher auf dem Löbauer Berge Zwerge Kegel geschoben hatten, verwandelte sich 
in Gold; auf dem Oderwitzer Spitzberge dagegen waren es Riesen, die mit 6 goldenen 
Kugeln nach 9 goldenen Kegeln schoben. (Haupt, Sagenbuch d. L. No 29 und 91.) 
In den Gewölben der Ruine Schauenforst soll ein goldenes Kegelspiel vergraben 
sein. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 230.) 
Schönherr hat vermutet, daß alle diese Sagen von kegelschiebenden Geistern 
Nachklänge von dem heidnischen Himmel, dem Asgard, sind, in welchem die Götter 
friedlich mit goldenen Tafeln und Würfeln spielten, „und wenn nach der Götternacht 
die goldene Zeit wiederkehrt, werden sie wieder mit goldenen Tafeln werfen auf dem 
Idafelde.“ (Zapf, der Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 76.) Nach Anderen 
soll das Kegelspiel die fallenden und aufstehenden Kämpfer bei den allabendlichen 
Spielen der Einherien in Walhalla bedeuten, nach Nork aber stellen die goldenen 
Kugeln Gestirne vor. In der Annaberger Kirche soll sich ein Gemälde befinden, 
auf welchem kegelschiebende Engel abgebildet sind. (Haupt, Sagenbuch d. L. No. 91.) 
Wenn nach der Sage im Kyffhäuser der deutsche Kaiser Friedrich mit seinen 
Knappen Kegel spielt und in der Johannisnacht ein Hirte, der dazu kam, einen 
silbernen Kegel oder nach andern Überlieferungen eine Kugel erhielt, welche zu Gold 
wurde, so erinnert dies an den gütigen Wuotan, der alle Wünsche erfüllen konnte. 
Auf ihn weist auch unsere Sage hin. In der deutschen Mythe ist das Kegelspiel 
jedoch auch ein Sinnbild des Donners. In der Mark Brandenburg sagt man beim 
Rollen des Donners: „Der liebe Gott kegelt.“ Obschon nun Donar die eigentliche 
Gewittergottheit ist, so herrscht doch auch Wuotan oder Odhin im Gewittersturme. 
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